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Die letzte Woche
Mein liebes Tagebuch
Mit dem Prunksitz in der Berliner Jägerstraße wird die ABDA nicht mehr froh. Der Putz bröckelt, die Technik kränkelt, der Brandschutz fordert Nachbesserungen – und vor allem: Das Haus ist hoffnungslos zu klein. Mein liebes Tagebuch, auch wenn’s keiner zugeben mag: Man hat damals das falsche Domizil gekauft. Jetzt wird guter Rat teuer. Guter Rat ist auch hier gefragt: Wie verhindert man, dass gefälschte Arzneimittel in den Markt geschleust werden? Und: Wie kriegt man Nullretaxationen bei Formfehlern weg? Außerdem: Wie positioniert man in der Politik den Apotheker als denjenigen, der Arzneimittel-Checks macht? Wie geht‘s eigentlich der elektronischen Gesundheitskarte?
16. Juni 2014
Endlich, mein liebes Tagebuch, endlich kommen aus der Berliner Jägerstraße ein paar zaghafte Jagdhorn-Töne zum Thema Nullretaxationen. Die ABDA will über die regionalen Apothekerverbände Beispiele von Nullretaxationen wegen Formfehlern zusammentragen. Mit dieser Sammlung will die ABDA dann im Bundesgesundheitsministerium vorsprechen, um auf den Irrsinn von Nullretaxationen wegen formaler Beanstandungen hinzuweisen. Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts, das den Kassen ausdrücklich Nullretaxationen zugesteht, wenn beispielsweise die Rabattverträge nicht eingehalten werden, will man nun nichts unversucht lassen, damit Apotheken wenigstens nicht wegen Formfehlern auf Rezepten retaxiert werden. Immerhin gibt es hier Andeutungen aus der Politik, dieses Ansinnen der Apotheker zu unterstützen. Also, dann hoffen wir, dass die Politik die Signale der Apotheker nicht überhört.
Mon Dieu, mein liebes Tagebuch, ich glaub, mein Schweinchen pfeift: Das Apothekerhaus in der Berliner Jägerstraße 49/50, das Mendelssohn-Palais, soll für 26,5 – in Worten: sechsundzwanzigkommafünf – Millionen Euro ausgebaut und renoviert werden. Dieser Vorschlag soll zumindest der ABDA-Mitgliederversammlung am 25. Juni präsentiert werden. Zwei Stockwerke sollen auf dieses historische Gebäude aufgepfropft werden, außerdem stehen aufwendige Sanierungsmaßnahmen (Beseitigung von Rissen, die durch die Bebauung des Nachbargrundstücks entstanden sind) sowie technische und Brandschutzmaßnahmen an. Also, erst mal emotionslos und nur die Fakten: Das Haus ist hoffnungslos zu klein. Allein 20 Mitarbeiter arbeiten bereits in angemieteten Räumen außerhalb des Apothekerhauses. Der Brandschutz muss verbessert werden, die Risse ausgebessert und die Haustechnik renoviert werden. So weit so schlecht. Aber, wo sind die Alternativvorschläge? Könnte man sich nicht auch vorstellen, das Palais zu verkaufen und entweder ein neues ausreichend großes und funktionales Bürogebäude zu bauen – oder eine Immobilie zu mieten? Hat man diese Alternativen geprüft? Wird darüber abgestimmt?
Und jetzt die Emotionen: So schön der 1893 errichtete und früher als Privatbank genutzte Bau auch ist und so herrschaftlich er auch aussehen mag: Es ist und bleibt ein alter, zu kleiner Kasten, der noch nie richtig als Arbeits- und Bürogebäude für eine Berufsvertretung funktioniert hat. Die Mitarbeiter schwitzen im Sommer in abgeteilten Glaskabäuschen, es gibt keine ausreichend großen Versammlungsräume. Einen gewissen repräsentativen Reiz und einen gewissen bourgoisen Charme strahlen lediglich der Eingangsbereich mit Treppenaufgang im Marmor-Look, die Atriumhalle und die holzgetäfelten Kamin- und Präsidentenzimmer aus – wenn man denn auf düster-plüschige Räume steht. Huhu, fast wie ein schaurig-schönes Spukschloss aus einem Hitchcock-Krimi. Mein liebes Tagebuch, passt ein solches Ambiente zu einem Berufsstand, der sich von alten Zöpfen befreien und sich ein modernes Leitbild geben will, der näher an den Patienten will? Das Problem hinter alledem: Man müsste nun zugeben, dass man sich damals mal eben verkauft hat, die falsche Wahl getroffen hat. Aber warum sollte das nicht gelingen? Ohne Schuldzuweisungen. Und Problem Nr. 2: Sollte man sich entschließen zu verkaufen – die Käufer stehen da nicht Schlange. Aber vielleicht findet ein potenter Investor aus Katar oder Saudi-Arabien Geschmack an dieser Immobilie. Also, lieber jetzt den Reset-Knopf drücken, sich für ein funktionales, sachliches und nicht überkandideltes Gebäude entscheiden, als an einem Millionengrab herumfummeln, für dessen Renovierung und Aufstockung 26,5 Millionen mit Sicherheit nicht ausreichen werden (warum muss ich hier an den Stuttgarter Bahnhof, die Elbphilharmonie und den Flughafen Berlin denken?). Vielleicht wirkt bei der Entscheidung ja auch das Amt für Denkmalschutz mit einem glasklaren Nein zur Aufstockung unterstützend mit. Mein liebes Tagebuch, wäre doch auch wirklich frevelhaft, wenn man auf dieses wunderprächtige Palais zwei Glas- und Stahl-Stockwerke aufpflanzen würde. Welch ein Stilbruch!
17. Juni 2014
Zurzeit gibt es nahezu wöchentlich Meldungen über das Einschleusen gefälschter Arzneimittel in den deutschen Arzneimittelmarkt. Waren es in der vergangenen Woche die Fälschungen aus Italien (der Spiegel vermutet sogar, die Mafia könnte dahinter stecken), sind es in dieser Woche gefälschte Hartkapseln des Krebsmittels Sutent, die über Rumänien auf dem Weg des Parallelimports in die deutsche Handelskette gebracht wurden. Irgendwie, mein liebes Tagebuch, ist das mit den Parallelimporten so eine Sache. Können die Importeure wirklich für die Sicherheit garantieren? Ist es nicht so langsam an der Zeit, die Zwangsregelung für die Importabgabe (15/15-Regelung) aus dem SGB V zu streichen?
Der Einbruch Ende Mai beim Logistik-Dienstleister Transoflex/ThermoMed in Neuss sorgt noch immer für Furore. Lieferungen verschiedener Arzneimittelhersteller wurden gestohlen. Jetzt informieren die Hersteller über die Arzneimittelkommission, dass weitere Arzneimittel entwendet worden seien. Die Apotheken sollen nun darauf achten, ob sie die betroffenen Arzneimittel außerhalb der legalen Lieferkette angeboten bekommen und ob Packungen der betroffenen Chargen, die nach dem 29. Mai bezogen wurden, Anzeichen von Manipulationen aufweisen. Mein liebes Tagebuch, wäre so ein Fall leichter zu handhaben, wenn wir schon fälschungssichere Packungen und das System Securpharm hätten? Vermutlich könnten die betroffenen Chargen in der zentralen Datenbank gesperrt werden.
Der Pharmagroßhändler Phoenix hat auch schon mal bessere Zeiten gesehen. Von einem Umsatz von insgesamt 6,5 Milliarden Euro im ersten Quartal blieb nur ein mageres Ergebnis (vor Ertragssteuern) von rund 37,6 Millionen Euro. Schuld daran ist unter anderem die „weiterhin hohe Wettbewerbsintensität in verschiedenen Märkten, insbesondere in Deutschland“, ließ die Konzernleitung wissen. Im Klartext: Die Rabattschlacht macht zu schaffen. Das wird Auswirkungen haben. Eine Maßnahme: Die 20 Vertriebszentren werden in acht Regionen eingeteilt. Aber es soll weniger als 50 betriebsbedingte Kündigungen geben.
18. Juni 2014
Hört sich erst mal gut an: Die Gesundheitsministerin von Nordrhein-Westfalen, Barbara Steffens, will die Kompetenzen des Heilberufs Apotheker besser nutzen. Sie sieht die ausführliche Beratung zur Arzneimitteltherapie, zu Neben- und Wechselwirkungen beim Apotheker angesiedelt – und nicht bei den Ärzten. Denn die Ärzte hätten dazu keine Zeit, meint Steffens. Das sehen wir genauso, mein liebes Tagebuch. Keine Zeit ist das eine, und wie sieht’s mit der Kompetenz aus? Man muss sich nur die Verordnungen ansehen – bei vielen Ärzten lief kein Interaktions-Check, sonst hätten sie die Verordnungen nicht so ausgestellt. Professor Glaeske sagte auf einer Tagung dazu: „40 Prozent der wichtigen Interaktionen kommen von einem Arzt.“ Noch eins, Frau Steffens, fragen Sie mal die Ärzte ob sie Zeit zum Neben- und Wechselwirkungs-Check haben, wenn die Krankenkassen mit einer Extrahonorarzahlung für den Check winken. Da ist auf einmal Zeit vorhanden. Also, da müssen klare Definitionen her, wer was macht.
Die Apotheker seien die gelernten und kompetenten Fachleute für Arzneimittel, „man muss sie nur lassen“, sagte – ja, kaum zu glauben, aber wahr, mein liebes Tagebuch – Gerd Glaeske, der Bremer Gesundheitsökonom und Fernsehpharmakritiker. Auf einer Tagung des Bundesverbands Managed Care sang er ein Loblied auf die kompetenten Apotheker. Der einzige, der bei der Polymedikation, bei all den Verordnungen verschiedener Ärzte für einen chronisch kranken Patienten noch den Überblick behalten könne, sei der Apotheker. Er könne sich sogar vorstellen, dass Apotheker zum Patienten nach Hause gingen und die Medikation überprüften oder dass bestimmte Apotheken als Referenzzentren für Arzneitherapie fungierten, die eine entsprechende Überprüfung der Medikation durchführten. Und Glaeske vergaß dabei nicht, hinzuzufügen, dass Apotheken dafür auch honoriert werden müssten. Mein liebes Tagebuch, umfassendes Medikationsmanagement nur in Apotheken, die sich dafür qualifiziert haben, die entsprechend ausgebildetes und geschultes Personal haben – ein Ansatz zum Nachdenken?
Sag mal, mein liebes Tagebuch, wird das mit der elektronischen Gesundheitskarte noch was in unserem Land? Seit über einem Jahrzehnt sind Krankenkassen, Leistungserbringer und IT-Häuser mit diesem Thema befasst. Das einzige, was sich bisher geändert hat: Auf der Versichertenkarte ist ein Passbild des Versicherten aufgedruckt, von sinnvollen elektronischen Zusatzfunktionen ist weit und breit nichts zu sehen. Die sollen nun erst ab 2018 dazu kommen, sagen die Kassen, z.B. die Speicherung von Vorerkrankungen oder die Übermittlung elektronischer Fallakten. Doch ob das noch kommt, steht in den Sternen. Die Ärzte stellen sich quer und propagieren ihr eigenes Netz (KV-SafeNet) zum Übermitteln von Versicherteninfos. Droht die eGK zum Milliardengrab zu werden? Bisher hat die Entwicklung 880 Millionen Euro verschlungen, noch in diesem Jahr werden es 1 Milliarde Euro sein. Und aus Apothekersicht sollte kein allzu großes Interesse an der Karte bestehen. Denn letztlich könnte die Karte auch das elektronische Rezept bedeuten. Da würden dann Versandapotheken-Terminals wie Pilze aus dem Boden schießen, bei denen die Versicherten ihre Karte mit der Rezeptverordnung reinstecken und ihre Medikamente online bestellen.
Mit großer Mehrheit wurde sie wiedergewählt: Magdalene Linz, Präsidentin der Apothekerkammer Niedersachsen. Schon seit 14 Jahren steht sie an der Spitze der Kammer. Von 2005 bis 2008 war sie außerdem Präsidentin der Bundesapothekerkammer. Jetzt tritt sie ihre vierte Amtszeit als Kammerpräsidentin an. Mein liebes Tagebuch, da lassen wir doch das Selters mal stehen und stoßen mit einem Gläschen Sekt an: Ein Hoch auf Magdalene Linz!
Erste Reaktionen aufs Renovierungsprojekt ABDA-Haus: Auf der Kammerversammlung Westfalen-Lippe wurde heftig und kritisch darüber diskutiert. Ein Antrag, die Kammerpräsidentin Overwiening auf ein Nein bei der Abstimmung in der ABDA-Mitgliederversammlung festzulegen, kam zwar nicht zustande, aber Overwiening sicherte zu, die Bedenken in die Mitgliederversammlung am 25. Juni zu tragen. Ja, Frau Overwiening, tragen Sie die Bedenken vor und fragen Sie die ABDA, was die Behörden und der Denkmalschutz sagen.
19. Juni 2014
Eindeutiger war das Votum in Sachen Apothekerhaus dagegen in der Kammer Niedersachsen. Im ersten Schritt soll Kammerpräsidentin Linz die von der ABDA-Führung geplante Abstimmung über den Antrag verhindern. Sollte eine Mehrheit der Mitgliedsorganisationen eine Abstimmung befürworten, „wird die Kammer Niedersachsen mit Nein stimmen“, sagte Linz. Kosten und Nutzen stünden in keinem Verhältnis, es fehlten außerdem detaillierte Informationen und die Fragen zum Denkmalschutz seien auch noch offen. Mein liebes Tagebuch, das sind klare Aussagen.
Vernünftige Worte kommen auch aus dem hohen Norden: Gerd Ehmen, Präsident der Apothekerkammer Schleswig-Holstein, ließ am Rande eines politischen Sommerabends der Kammer durchblicken, dass er sich eine Versachlichung der Debatte ums Haus wünscht. Alternativen zur Aufstockung müssten geprüft werden. Richtig! Deutlicher wurde Kai Siemsen Präsident der Apothekerkammer Hamburg. Er machte keinen Hehl daraus, dass er noch nie ein Freund dieses Hauses gewesen sei. Er spricht sich für ein funktionaleres Gebäude aus, das man neu bauen oder auch mieten könne.
Auch in Hessen ist eine ablehnende Haltung gegen das ABDA-Vorhaben, das Haus aufzustocken, zu erkennen. Von Hans Rudolf Diefenbach, dem Vizevorsitzenden des Hessischen Apothekerverbands, war zu hören, er wolle sich dafür stark machen, dass der Vorschlag abgelehnt wird.
20. Juni 2014
Festbeträge sind nur für die Krankenkassen ein Fest, für alle anderen, Hersteller, Apotheken und Patienten eher ein Anlass für Schmerzen. 25 Jahre gibt es das Instrument der Festbeträge mittlerweile schon. Festbeträge stellen die Erstattungshöchstgrenzen für Arzneimittel dar, bis zu denen die Krankenkassen die Kosten übernehmen. Geht der Hersteller mit seinem Preis nicht auf Festbetragsniveau herunter, muss der Kunde die Differenz zwischen Arzneimittelpreis und Festbetrag zuzahlen. Jährlich bringen die Festbeträge den Krankenkassen rund 6,9 Milliarden Euro. Das ist eine Menge Holz. Auf der anderen Seite: Festbeträge setzen eine Preisspirale nach unten in Gang zusammen mit Rabattverträgen. Bei Festbetragsanpassungen, die in regelmäßigen Abständen erfolgen, kommt das Thema immer wieder neu hoch, so auch bei der aktuellen Anpassung, die ab 1. Juli gilt. 13 Festbetragsgruppen sind davon betroffen, für sechs Wirkstoffe gelten erstmals Festbeträge. Hersteller beklagen, dass ihnen nur sechs Wochen statt der bisher üblichen zwei Monate zur Umstellung eingeräumt wurde. Und wenn die Hersteller ihre Preise nicht aufs neue Festbetragsniveau senken, muss die Apotheke vom Patienten die Differenzzuzahlung verlangen – Diskussionen in der Apotheke sind da vorprogrammiert. Mein liebes Tagebuch, ähnlich wie bei Rabattverträgen: Die Arbeit der Apotheken verhilft den Krankenkassen zu Milliardeneinsparungen – als Dankeschön gibt’s dann eine fette Nullretaxation wegen Formfehler. Partnerschaft? Bei Kassen heißt das: Hauptsache der Partner schafft!
Armin am Start! Zum 1. Juli soll’s richtig losgehen mit der Arzneimittelinitiative Sachsen-Thüringen. Also, wirklich richtig, mit Wirkstoffverordnung und Medikationskatalog. In Sachsen und Thüringen haben es die Teilnehmerzahlen der Ärzte in den zweistelligen Bereich geschafft: Ob das nun 10 oder 99 sind, darüber war von der AOK plus nichts zu erfahren. Die Zahl der teilnehmenden Apotheken liegt sogar im dreistelligen Bereich. Na, mein liebes Tagebuch, da bleibt die Hoffnung, dass der Modellversuch zum Laufen kommt.
22.06.2014, 08:00 Uhr