Entscheidung zu Vorteil24

Apotheker unangemessen unsachlich beeinflusst

Berlin - 02.07.2014, 15:05 Uhr


Das bereits seit zwei Jahren eingestellte Modell „Vorteil24“ hat nicht nur gegen die deutschen arzneimittel-preisrechtlichen Vorschriften verstoßen – es war außerdem geeignet, die Entscheidungsfreiheit der beteiligten Apotheker unangemessen unsachlich zu beeinflussen. Das hat jüngst das Oberlandesgericht München entschieden.

Nachdem der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes im August 2012 entschieden hatte, dass die deutschen Vorschriften für den Apothekenabgabepreis auch für Rx-Arzneimittel gelten, die Apotheken mit Sitz in einem anderen EU-Mitgliedstaat im Wege des Versandhandels nach Deutschland an Endverbraucher abgeben, erfolgte im Oktober 2012 eine klarstellende Änderung des Arzneimittelgesetzes. Zu diesem Zeitpunkt war das Vorteil24-Modell bereits eingestellt worden. Doch die Klage gegen den bayerischen Apotheker lief bereits – und die Wettbewerbszentrale gab sich mit der Entscheidung des Landgerichts nicht zufrieden, daher legte sie Berufung ein.

Das Oberlandesgericht beurteilte die Situation dann auch anders: Seiner Meinung nach war die Wiederholungsgefahr nicht bereits durch die Klarstellung des Gesetzgebers in § 78 AMG entfallen. Der Beklagte habe nicht erklärt, die beanstandeten Handlungen nicht mehr vorzunehmen, weil sich das Gesetz geändert habe, erklären die Richter im Urteil – sondern weil das Modell inzwischen eingestellt worden sei. Er sei somit der Auffassung gewesen, die Gesetzesänderung habe ihn gar nicht betroffen und sein Verhalten verstoße auch in der Neufassung nicht gegen die Vorschrift.

Die Richter kamen daher auch zu einer inhaltlichen Prüfung und stellten fest, dass das Vorteil24-Modell gegen arzneimittel-preisrechtliche Vorschriften verstieß, weil die Regelung hinsichtlich des Erfüllungsorts allein der Umgehung des deutschen Arzneimittelpreisrechts diente. Darüber hinaus sei das Modell geeignet, „die Entscheidungsfreiheit der beteiligten Apotheker unangemessen unsachlich zu beeinflussen“ und habe damit gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) verstoßen. Denn: Bei Arzneimitteln mit einem Apothekenverkaufspreis ab 29 Euro war der Provisionsbetrag, den der teilnehmende Apotheker für die Vermittlung eines Kunden an die niederländische Apotheke erhielt, höher als der regulär durch die Arzneimittelabgabe im eigenen Namen zu erzielende Ertrag.

„Damit bestand ein strukturell verankerter finanzieller Anreiz für die teilnehmenden Apotheker, einem Kunden nicht die Abgabe aus dem eigenen Sortiment anzuraten, sondern die für sie ertragreichere Bestellung bei der niederländischen Apotheke“, erklären die Richter. Das begründe die Gefahr, dass sie sowohl bei der Darstellung des Modells dem Kunden gegenüber als auch bei der Prüfung, ob die konkreten Umstände des Einzelfalls eine umgehende Abgabe erforderlich machten oder die Verzögerung bis zum Eingang der Lieferung von der niederländischen Apotheke unter medizinischen Gesichtspunkten bedeutungslos war, zumindest auch die eigenen Erwerbsmöglichkeiten beachten könnten – und damit die gegenüber dem Kunden bestehende Interessenwahrungspflicht verletzten. Insoweit war die Provisionsklausel unzulässig.

– nicht rechtskräftig


Juliane Ziegler