Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

27.07.2014, 08:00 Uhr


Schön, dass Deutschlands Apotheken noch fleißig Rezepturen machen – weniger schön, dass sie dabei mächtig drauflegen. Wann kommt die Offensive für gerechte Rezepturarbeitspreise? Mit den Apotheken kann man’s machen, meint wohl auch der Patientenbeauftragte Laumann, der Apotheker in Sachen Festbetragsinfo kritisierte. Vor allem: Die Apothekers wehren sich nicht, schlucken zweimal und weg damit. Aber wenn’s ums Cannabisbeet im Apothekergärtlein geht, sind sie wieder da. Dabei sollten sie endlich mal lautstark poltern in Sachen Lieferengpässe. Und, mein liebes Tagebuch, höllisch aufpassen, wenn die elektronische Gesundheitskarte kommt. Derweil glauben manche, die Pharmazie habe was mit Kuschelsocken zu tun. Na denn, mein liebes Tagebuch, gute Nacht.

21. Juli 2014

Im Jahr 2009 waren es noch 16 Millionen Rezepturarzneimittel, die Deutschlands Apotheken herstellten, im vergangenen Jahr immerhin noch über 12 Millionen Rezepturen. Das sind im Durchschnitt pro Apotheke knapp 600 im Jahr und knapp 50 im Monat. Unser Präsident der Bundesapothekerkammer, Andreas Kiefer, folgert daraus: Rezepturarzneimittel sind eine notwendige Ergänzung zu industriell hergestellten Arzneimitteln und in vielen Fällen unersetzlich. Mein liebes Tagebuch, da hat er Recht. Aber wenn sie schon so notwendig sind: Warum werden die Apotheken dafür nicht zeitgemäß honoriert? Die niedrigen Rezepturarbeitspreise stammen noch aus einer Zeit, als die  Apotheke am Packungspreis verdiente, man rechtfertige die niedrigen Arbeitspreise für Rezepturen mit dem Verdienst an den Fertigarzneimitteln, Stichwort Mischkalkulation. Mit der neuen Preisverordnung von 2004 und der Umstellung auf ein Abgabehonorar lässt sich diese Argumentation doch nicht mehr aufrechterhalten. Mein liebes Tagebuch, da hätte eigentlich auch eine Anpassung der Rezepturarbeitspreise erfolgen müssen. Warum ist das nicht geschehen? Ist irgendwie hinten runtergefallen, oder? Und so kommt es, dass wir seit über zehn Jahren bei der Rezepturherstellung drauflegen, und zwar nicht zu knapp. Nicht einmal 8,35 Euro Abgabehonorar dürfen wir dafür verlangen. Da muss etwas geschehen. Also: Anpassung der Rezepturarbeitspreise plus Abgabehonorar. Wäre eine ABDA-Meldung zu den ach so wichtigen Rezepturen nicht eine Steilvorlage gewesen, auf die dringend notwendige Anpassung hinzuweisen? Müsste da nicht der Deutsche Apothekerverband aufschreien? Müsste, aber da ist's ziemlich ruhig in der Jägerstraße...

Ähnlich ruhig war’s beim Gepoltere des Patientenbeauftragten der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann, der die Information der Apotheker über die neuen Festbeträge kritisierte. Mein liebes Tagebuch, wir hatten in der letzten Woche schon drauf hingewiesen. Von der ABDA kam zu Laumanns Kritik keine Erwiderung. Zu Wort meldete sich allerdings der stellvertretende Vorsitzende des Hessischen Apothekerverbandes, Dr. Hans Rudolf Diefenbach, der Laumanns Schuldzuweisungen in Richtung Apotheker als „völlig unangebracht“ zurückgewiesen hat. Gut so. Und der Deutsche Apothekerverband zog nach, immerhin. Man wolle die Thematik mit Laumann besprechen. Immerhin. Aber man fragt sich schon, was hinter der vornehmen Zurückhaltung der ABDA steckt. Klar, mein liebes Tagebuch, man kann die Meinung vertreten, nicht alles und jeden kommentieren zu müssen. Andererseits kann dann auch der Eindruck entstehen: Mit den Apothekers kann man’s machen, die wehren sich eh nicht. Vielleicht wären da ein paar deutlichere Worte schon mal nötig...

22. Juli 2014

Das putzig-kleine Apothekergärtlein hinter der Apotheke, in dem die Cannabis-Pflänzchen munter vor sich hingedeihen und dann für die Cannabis-Rezepturarzneimittel verarbeitet werden, wobei ein wenig ad usum proprium und für die „Plausi“ abgezweigt werden – ne, ne, mein liebes Tagebuch, daraus wird nichts. Auch wenn ein Gericht in Ausnahmefällen chronisch Kranken den Eigenanbau erlaubt – der Eigenanbau für jedermann bleibt verboten. Auch für Apotheken. Da hilft auch nicht, wenn BAK-Präsident Kiefer die garantierte Apothekenqualität lobt und weiß, dass der Eigenanbau im häuslichen Wintergarten wohl nicht die Qualitätsstandards an ein Arzneimittel erfülle. Mein liebes Tagebuch, hach, wie ist der Sommer schön, da darf sich auch ein BAK-Präses schon mal mit Cannabisblütenträumen in ein Sommerloch fallen lassen.


23. Juli 2014

Na, mein liebes Tagebuch, haben wir’s nicht von Anfang an gesagt: Der Name Lloyds für Apotheken in Deutschland passt nicht. Er ist in Deutschland eher mit Versicherung, Kreuzfahrt oder einer Schuhmarke besetzt. Jetzt hat’s auch Celesio selbst eingesehen. Der Stuttgarter Pharmahändler wollte diesen Markennamen seiner englischen Kettenapotheken den deutschen „gesund leben“-Kooperationsapos aufs Auge drücken –aber die mochten ihn nicht. Jetzt die Rolle rückwärts: das Lloyds-Konzept soll unter dem Namen „gesund leben“ eingeführt werden. Das hat auch der neue US-Mehrheitseigentümer McKesson eingesehen, der, wie es heißt, Wert legt auf eine Unternehmensführung nah am Kunden. Tja, da sieht man’s mal wieder: Dieses neumodische Globalisierungsgetue funktioniert einfach nicht – das Geschäft wird vor Ort gemacht. 

24. Juli 2014

Wenn sich Arzt und Apotheker in ihren Aussagen widersprechen, könnte das ein Grund für mangelnde Therapietreue der Patienten sein. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die sich mit der Adhärenz befasst. Die häufigsten Gründe für Non-Adhärenz sind der Studie zufolge, dass Patienten keine ärztliche Einnahmevorschrift erhielten und dass die Arzneimittel subjektiv nicht gegen die Beschwerden halfen. Mein liebes Tagebuch, irgendwie deutet auch das darauf hin, dass zum einen Arzt und Apotheker besser zusammenarbeiten und kommunizieren müssen, zum andern die Arzneimittelinformation des Patienten in die Hand des Apothekers gehört, der allerdings die Info noch besser und verständlicher überbringen muss. Da liegt noch so manches vor uns.

Thema Lieferengpässe. Die Politik schaut weg oder redet’s klein, die Pharmaindustrie sowieso. Und die offiziellen Apothekers weisen zwar ein bisschen drauf hin, aber, wie heißt es so schön: Lieferengpässe gibt es, aber dank uns Apothekern keine Versorgungsengpässe, womit das ganze Problem eher verniedlicht wird. Gut, dass es jetzt die Online-Ausgabe der „Zeit“ hochpusht. Sie sieht die Lieferengpässe nicht als harmloses Problem, Politik und Pharmakonzerne redeten es klein, schuld seien die Pharmahersteller. Was in dem „Zeit“-Beitrag auch erwähnt wird: Niemand zählt offiziell die Fälle, wie häufig es zu solchen Lieferengpässen kommt. Mein liebes Tagebuch, wir erinnern uns: Einen Anfang machte unlängst HAV-Vize Diefenbach, der dazu aufforderte, Meldungen über Engpässe an ihn zu schicken. Vielleicht hätte unsere ABDA dazu mal bundesweit aufrufen sollen, für eine bestimmte Zeit diese Defekte zu melden. Dann wüssten wir jetzt besser Bescheid. Aber, wie schreibt der „Zeit-Autor“ als Resümee: „Einstweilen hoffen offenbar alle darauf, dass ein Versorgungsengpass rechtzeitig bemerkt wird. Irgendwie.“ Tja, wie Recht er hat.

25. Juli 2014

Ja, ja, irgendwann kommt sie doch, die elektronische Gesundheitskarte (eGK). 2006 hätte sie eigentlich schon da sein sollen. Aber Planungsprobleme, Streit unter den Beteiligten und vor allem der Widerstand der Ärzte blockierten das Projekt. Jetzt scheint es voranzugehen. Die meisten Versicherten haben den neuen Typ der eGK in der Tasche, die Infrastruktur, die Gesundheitsdatenautobahn soll derzeit ausgebaut werden, wie Insider wissen, und dann werden noch Kliniken, Praxen und wohl auch Apotheken angeschlossen. Gröhe macht Dampf. Der Bundesgesundheitsminister will bis Oktober ein E-Health-Gesetz auf den Weg bringen und dann, aber hallo, soll’s zack zack vorangehen. Schon 2016 sollen Notfalldaten auf der Karte gespeichert werden, die Beteiligten sollen Patienten schnell untereinander austauschen können. Mein liebes Tagebuch, man wird sehen, wie’s läuft. Mal ehrlich, auf diesem Gebiet hinkt Deutschland in der Tat hinterher. In den Niederlanden können schon lange Ärzte und Apotheken auf die Patientendaten, die auf einem Server gespeichert sind, zugreifen. Und nimmt man Medikationsanalyse und Medikationsmanagement ernst, beispielsweise um richtig gute Medikationspläne zu erstellen, dann müssen Ärzte und Apotheker die Patientendaten einsehen können. Da müssen wir jetzt genau hinsehen. Wenn nämlich in Zukunft nur Ärzte auf die Medikationsdaten der Patienten zugreifen dürften, würden die Ärzte die automatischen Wechselwirkungs-Checks laufen lassen – die Apotheker hätten das Nachsehen und wären außen vor. So weit darf es nie kommen. Also, aufpassen!

Wirklich, mein liebes Tagebuch, meiner pharmazeutischen Seele tut das richtig weh, wenn Apotheken glauben, mit dem Verschenken von Kuschelsocken Kunden anlocken zu müssen. Auf welche Stufe begibt man sich da? Einige Bären-Apotheken (ein kleiner Apothekenverbund im Ruhrgebiet) hatten Werbeprospekte mit Gutscheinen verteilt, für die die Kunden beim Erwerb von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln z. B. Kuschelsocken oder Geschenkpapier erhalten konnten. Und das, obwohl es sich doch mittlerweile herumgesprochen haben sollte, dass bei preisgebundenen Rx-Arzneimitteln nichts geht, keine Zugabe, kein Preisnachlass, keine Boni und kein Taler. Aber es gibt immer wieder einige, die’s probieren. Doch zwei Verwaltungsgerichte haben umgehend entschieden: Das geht gar nicht. Recht so (auch wenn eine endgültige Prüfung in beiden Verfahren noch aussteht).


Peter Ditzel