Stellenwert in der Therapie

Wann Cannabis helfen kann

Stuttgart - 01.08.2014, 11:05 Uhr


Vor kurzem entschied ein Kölner Gericht, dass in begründeten Einzelfällen der Eigenanbau von Cannabis zu therapeutischen Zwecken erlaubt ist. Mit der letzten Novellierung des Betäubungsmittelgesetzes wurde auch der Umgang mit Cannabis-haltigen Arzneimitteln an einigen Stellen liberalisiert, 2011 wurde ein Cannabisextrakt zur Therapie von schwerer Spastik bei multipler Sklerose zugelassen. Welche Bedeutung hat Cannabis für die Medizin? Eine Einschätzung.

Auch wenn, insbesondere aus den USA, immer wieder neue Anwendungsgebiete für Cannabis propagiert werden, beschränken sich die Indikationen, für die es Hinweise auf einen belegbaren Nutzen gibt, auf Schmerzhemmung, Schmerzen und Spastik bei multipler Sklerose, Anti-Emesis und Appetitsteigerung bei Kachexie.

Grundsätzlich sind Cannabinoid-haltige Arzneimittel zwar in der Regel gut verträglich, zeigen aber große individuelle Unterschiede in der Wirksamkeit und werden je nach Indikation oft in ihrer Wirkung von Arzneistoffen der ersten Wahl übertroffen. Obwohl in manchen Studien nur gering verbesserte Mittelwerte oder schwache klinische Effekte gezeigt werden konnten, ist nicht auszuschließen, dass gewisse Subgruppen von Cannabinoiden profitieren. Daher stellen sie in der Hand von erfahrenen, im Umgang mit Cannabinoiden-vertrauten Therapeuten für einige Erkrankungen sicherlich eine sinnvolle Therapieoption (meist 2. Wahl) dar.

Die gefürchteten psychogenen Wirkungen mit Missbrauch, Einschränkung kognitiver Fähigkeiten und Entzug beim Absetzen treten, ausgenommen von Einzelfällen, weit jenseits der therapeutischen Dosierungen auf. Beim medizinisch indizierten Einsatz kommt es vor allem zu folgenden, nicht-psychogenen Nebenwirkungen: Müdigkeit, Aufmerksamkeitsstörung, Schwindel, Hypotension, Mundtrockenheit, vermindertem Tränenfluss sowie gastrointestinalen Irritationen. Generell unterliegen die Nebenwirkungen aber einer mehr oder weniger raschen Toleranz (Beginn nach Tagen bis Wochen), was  den Verdacht nahelegt, dass das auch bei den Wirkungen der Fall sein könnte.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass aus medizinischer Sicht die Cannabinoide zum „therapeutischen Arsenal“ gehören, wenn auch als Mittel der zweiten Wahl. Gerade in der Schmerztherapie kann dieses Arsenal aber nicht groß genug sein und auch die Standard-Therapeutika wie COX-Inhibitoren und Opioide sind im Umgang nicht weniger problematisch. Die Kosten für standardisierte Cannabinoid-Arzneimittel sollten daher von den Krankenkassen übernommen werden, wenn ihre Anwendung medizinisch begründet ist. 

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Prof. Dr. Thomas Herdegen/DAZ.online


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