Patientenwahlrecht schlägt Exklusivvereinbarung

Zyto-Streit: Weitere Niederlage für AOK Hessen

Stuttgart - 11.09.2014, 08:56 Uhr


Weitere Niederlage für die AOK Hessen im Zytostatika-Streit: Nach dem Sozialgericht Darmstadt hat auch das Sozialgericht Marburg entschieden, dass die freie Apothekenwahl von Patienten nicht durch Exklusivverträge der Krankenkassen eingeschränkt werden darf. Es verurteilte die AOK Hessen außerdem zur Rückzahlung des Apothekenabschlags, weil sie infolge unberechtigter Aufrechnung die Monatsrechnung des klagenden Apothekers nicht vollständig ausgeglichen hatte.

Nach der Entscheidung müssen sich Versicherte nicht ausschließlich durch solche Apotheken mit Zytostatika versorgen lassen, mit denen die AOK Hessen im Zuge von Ausschreibungen Exklusivvereinbarungen getroffen hat. Auch kann die AOK einem Vertragsarzt danach nicht vorschreiben, von welcher „Exklusivapotheke“ er diese zu beziehen hat. Hierfür fehlt die gesetzliche Rechtsgrundlage: Wenn der Gesetzgeber, so das Gericht, Exklusivvereinbarungen zulassen wolle, müsse er hierfür zunächst die rechtlichen Voraussetzungen schaffen.

Dies ist bislang jedoch nicht geschehen. Die Folge: Dem klagenden Apotheker, der bei der Ausschreibung leer ausgegangen war, seine Patienten jedoch weiterhin mit Zytostatika-Zubereitungen versorgte, steht gegen die AOK Hessen ein Vergütungsanspruch zu. „Exklusivverträge“ hebeln die freie Apothekenwahl des Patienten nicht aus.

Bei der mündlichen Verhandlung betonten die als Zeugen vernommenen Onkologen die Bedeutung des besonderen Vertrauensverhältnisses von Patient und Apotheke bei der Zytostatikaversorgung. Ein Apotheker, der die Zubereitungen selbst herstellt, könne auf einen Beratungsbedarf besser reagieren als ein Apotheker, der die Zubereitung bei einem Lohnhersteller in Auftrag gebe. Der Prozessvertreter des Klägers, Rechtsanwalt Dr. Valentin Saalfrank, äußerte sein Unverständnis darüber, dass die AOK in ihren Verträgen mit den Ausschreibungsgewinnern lediglich eine telefonische Beratung der Ärzte vorsieht. Dies sei im Interesse einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung völlig unzureichend.


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