Arzneimittelversorgung in der Türkei

Straffes System soll Kosten bremsen

Remagen - 17.09.2014, 09:02 Uhr


Budgets, staatlich festgelegte Preise und Zwangsrabatte von Herstellern und Apotheken – das sind die Instrumente, die die türkische Regierung einsetzt, um die Arzneimittelausgaben im Griff zu behalten. Die Bilder gleichen sich also, was das allgemeine „Cost-containment“ in Europa anbelangt. Über Einzelheiten gibt ein neues „PPRI Pharma Profile“ der Gesundheit Österreich GmbH Aufschluss.

Das türkische Gesundheitssystem hat seit 2003 hinsichtlich seiner Organisation und Finanzierung einen radikalen Reform-Prozess durchlaufen. Alle früheren Einzelsysteme zur Abdeckung der Versorgung wurden schrittweise in einem einzigen Sozialversicherungs-Institut (SSI) zusammengeschlossen. Das Arzneimitteldistributionssystem ist „konventionell“: Die Belieferung der privat geführten öffentlichen Apotheken vom Hersteller läuft nur über den Großhandel. Nur türkische Bürger mit einem entsprechenden Hochschulabschluss dürfen eine Apotheke eröffnen.

Der Gesamtverbrauch an Pharmazeutika der rund 75 Millionen Türken belief sich im Jahr 2012 auf 1,7 Milliarden Einheiten und 14,4 Milliarden Türkische Lira (5 Mrd. Euro). Zwischen 2009 und 2011 ist der Sektor wertmäßig um acht Prozent geschrumpft. Generika haben einen Marktanteil von 41 Prozent nach Wert.

Die Regierung legt alljährlich ein Budget für die Arzneimittelausgaben fest. Bei Überschreitungen – die in den letzten drei Jahren regelmäßig vorgekommen sind – wird die Industrie über Sonderrabatte und andere Maßnahmen zur Kasse gebeten. Trotz dieser Gegensteuerung ist der Anteil der Arzneimittel- an den gesamten Gesundheitsausgaben im OECD-Vergleich relativ hoch (2012: 14,3%). Auch auf der Apotheken-Ebene gibt es gesetzliche Rabatte. Der progressive Abschlag richtet sich nach dem Jahreseinkommen. Bei bis zu 124.113 Euro fällt ein Prozent an, bei über 319.148 Euro wird der Maximalwert von vier Prozent fällig.

Es gibt zwei relevante Preise für Medikamente: den Apotheken-Verkaufspreis und den Erstattungspreis. Zuständig für die Preisfestlegung für alle Arzneimittel, egal ob erstattungsfähig, nicht erstattungsfähig, verschreibungspflichtig oder OTC, ist das Gesundheitsministerium. Die Preise werden auf der Hersteller-Ebene (HAP) festgelegt. Hinzu kommen degressive Spannen für den Großhandel zwischen zwei und acht Prozent auf den HAP und für Apotheken zehn bis 25 Prozent auf den Großhandelspreis plus acht Prozent Mehrwertsteuer.

Für neue patentgeschützte Medikamente hat die Regierung im Jahr 2004 ein Referenzpreissystem eingeführt. Es basiert derzeit auf einem Korb von fünf Ländern: Frankreich, Griechenland, Italien, Portugal und Spanien. Der niedrigste Ab-Werk-Preis aus diesen Ländern wird als maximaler HAP für das Originalprodukt übernommen. Für Produkte, die in anderen Ländern nicht zugelassen oder verfügbar sind, werden die Preise mit den Pharmaunternehmen ausgehandelt. Generika werden mit 60 Prozent des Referenzpreises des Originalprodukts veranschlagt. Sofern ihre Arzneimittel erstattet werden sollen, müssen die Hersteller noch eine zweite Hürde nehmen, die Aufnahme in die Positivliste. Damit wird dann innerhalb von Äquivalenzgruppen auch der Erstattungspreis ermittelt. 

Die Ärzte sind zwar frei, ein Arzneimittel über dem Referenzpreis zu verschreiben, aber dann muss der Patient für die Differenz aufkommen, wenn der Apotheker nicht substituiert. Die Substitution ist allerdings freiwillig. 

Die „PPRI Pharma Profiles“ (Pharmaceutical Pricing and Reimbursement Information) wurde im Rahmen eines Projektes mit der Weltgesundheitsorganisation entwickelt und liefert Einblicke in die Strukturen der Preisbildung und Erstattung in vielen europäischen Ländern.

Quelle: Short PPRI / PHIS Pharma Profile "Turkey", Update January 2014


Dr. Helga Blasius


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