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Medizinprodukte doch im EU-Industrieressort
Kritik an Junckers Kehrtwende
Kurz nachdem die neue EU-Kommission in diesem Monat ihre Arbeit aufgenommen hat, gab es nochmals Änderungen an den zunächst geplanten Ressortzuschnitten. Während es dabei bleibt, dass die Generaldirektion Gesundheit und Lebensmittelsicherheit auch für Arzneimittel zuständig ist, werden die Medizinprodukte nun doch der neuen Kommissarin für Unternehmen und Industrie, Elżbieta Bieńkowska, zugeschlagen. Der Wechsel soll zum 1. Januar 2015 wirksam werden.
Der Umschwung erfolgte zunächst fast unbemerkt. Anfänglich hatte der neue Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker beabsichtigt, sowohl die Zuständigkeit für die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) als auch die für Medizinprodukte vom Gesundheits- ins Industrieressort zu verschieben. Nach heftiger Kritik disponierte er zur allgemeinen Erleichterung vieler um. Nun folgte eine abermalige Kehrtwende – zumindest teilweise. Das Verständnis hierfür ist gering.
So sagte der gesundheitspolitische Sprecher Peter Liese der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament – also Junckers eigener Fraktion – dem „Tagesspiegel“, die Zuordnung sei falsch und „sachlich nicht zu begründen“. „Wenn ich rechtzeitig davon erfahren hätte, hätte ich sofort interveniert.“ In allen Nationen – selbst in den USA – seien Medizinprodukte im Gesundheitsressort angesiedelt. Und Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis wäre als Herzchirurg aus Sicht Lieses für die sensible Thematik der richtige Mann gewesen. Die neue Industriekommissarin Elżbieta Bieńkowska dagegen habe „mit Medizin nie was am Hut gehabt.“
Der Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), Josef Hecken, zeigte sich ebenfalls irritiert: „Die Zulassung von Medizinprodukten war aus guten Gründen dem Gesundheitskommissariat unterstellt, um von vornherein Interessenkollisionen zu vermeiden. Medizinproduktezulassungen sind kein geeignetes Feld für industrie- oder wirtschaftspolitische Weichenstellungen – die Patientensicherheit darf nicht zum Spielball wirtschaftlicher Interessen werden.“
Ganz ähnlich reagierte der Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands, Jürgen Graalmann: „Die Patientensicherheit darf auf keinen Fall ökonomischen Interessen geopfert werden.“ Die Argumente, die für den Verbleib der Arzneimittel im Bereich Gesundheit gelten, träfen genauso auf Medizinprodukte zu. Hochrisiko-Medizinprodukte dürfe man nicht wie gewöhnliche Industrieware nur nach ihrer Funktionsfähigkeit bewerten. „Es kann nicht sein, dass für die Zulassung von Hüftprothesen, Herzschrittmachern oder Brustimplantaten ein CE-Zeichen ausreichen soll wie für einen Toaster“, so Graalmann. Noch sei Zeit, die Fehlentscheidung rückgängig zu machen.
Berlin - 20.11.2014, 10:01 Uhr