DAZ.online Wochenschau

Austausch- und Abgabeverbote, verwirrende Listen, gefälschte Studien

13.12.2014, 08:00 Uhr


Schon Ende letzter Woche zeichnete sich ab, dass der Skandal um manipulierte Zulassungsstudien einer indischen Auftragsfirma in der Apotheke mächtig für Unruhe sorgen würde. Unter großer medialer Aufmerksamkeit wurde dann auch in dieser Woche vom BfArM die Liste der betroffenen Präparate veröffentlicht, deren Zulassung jetzt ruht. Und dann wurden einige Apotheker von dem Inkrafttreten der ersten Substitutionsausschlussliste überrascht.

Substitutionsausschlussliste - zurück zum Arzt. Am 10. Dezember 2014 wurde im Bundesanzeiger die Substitutionsausschlussliste des G-BA veröffentlicht und trat mit sofortiger Wirkung in Kraft. Nicht mehr ausgetauscht werden dürfen: Betaacetyldigoxin (Tabletten), Ciclosporin (Lösung zum Einnehmen), Ciclosporin (Weichkapseln), Digoxin  (Tabletten), Digitoxin  (Tabletten), Levothyroxin-Natrium (Tabletten), Levothyroxin-Natrium + Kaliumiodid (fixe Kombination), Phenytoin (Tabletten), Tacrolimus (Hartkapseln). Das Austauschverbot gilt bei entsprechenden Verordnungen auch bei Fehlen des Aut-idem-Kreuzes und selbst im Notdienst. Für den Patienten bedeutet das: zurück zum Arzt.

Retax bei Weiterversorgung? Die Apotheken-Software gibt noch nicht an, bei welchen Wirkstoffen nicht mehr ausgetauscht werden darf. Die ABDA geht davon aus, dass die Ausschluss-Liste ab dem 1. Januar 2015 in der Software abgebildet sein wird. Ob die gesetzlichen Krankenkassen in dieser Übergangszeit von Retaxationen bei Weiterversorgung mit nicht namentlich verordneten Rabattarzneimitteln absehen werden, ist fraglich. Zumindest die AOK möchte sich kulant zeigen.

Indische Zulassungsstudien - BfArM-Liste. Am 9. Dezember 2014 hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eine Liste mit Arzneimittel veröffentlicht, bei denen ab sofort die Zulassung ruhen soll.  Betroffen waren zunächst 80 Arzneimittelzulassungen von 16 pharmazeutischen Unternehmen, für die die indische Firma GVK Biosciences Bioäquivalenzstudien durchgeführt hat. Die Firma steht unter Manipulationsverdacht. Arzneimittel dieser BfArM-Liste sind nicht mehr verkehrsfähig und dürfen nicht mehr von pharmazeutischen Unternehmen, Großhändlern und Apotheken abgegeben werden. Zu beachten ist, dass sich die BfArM-Liste durch das Einlegen von Widersprüchen oder das Vorlegen neuer Bioäquivalenzstudien jederzeit ändern kann, das Ruhen der Zulassung kann wieder aufgehoben, die Verkehrsfähigkeit wieder hergestellt werden. Einige Firmen haben inzwischen Widerspruch eingelegt. Für die Präparate von Heumann und Betapharm findet sich am 12.12.2014 der Hinweis, dass das Ruhen der Zulassung wegen Einlegen von Rechtsmitteln nicht vollzogen werden kann. 

Rabattvertrag ja oder nein? Ob auch Rabattvertragsarzneimittel vom Ruhen der Zulassung betroffen sind, war auf den ersten Blick nicht zu erkennen, Pharmazentralnummern waren der BfArM-Liste nicht zu entnehmen. Inzwischen liegt eine vom Deutschen ApothekenPortal erstellte Liste der Arzneimittel mit PZN und Zulassungsnummern sowie Rabattvertragspartnern vor.

Kein offizieller Rückruf. Irritierend ist, dass in der Apothekensoftware die vom Ruhen der Zulassung betroffenen Arzneimittel nicht mit einem AV gekennzeichnet sind. Das BfArM kann zwar das Ruhen der Zulassung anordnen, einen Rückruf können jedoch nur die zuständigen Überwachungsbehörden verfügen, und das momentan auch nur, wenn der betroffene Hersteller keine Rechtsmittel einlegt. Zudem gibt es Vorlaufzeiten für die Aufnahme solcher Informationen in die Apothekensoftware. Es ist davon auszugehen, dass erst im neuen Jahr betroffene Präparate entsprechend gekennzeichnet sein werden.

Tacpan auf allen Listen. Die Regierung in Oberbayern bestätigt die vorsorgliche Anordnung des Rückrufs für das Tacrolimus-Generikum Tacpan. Es ist rabattiert für über 50 Millionen Versicherte und zudem von der Substitutionsausschlussliste betroffen.

Sonderkennzeichen wegen Nichtverfügbarkeit. Rezepte über Arzneimittel, die vom Ruhen der Zulassung betroffen sind, dürfen nicht beliefert werden. Wie verfahren werden soll, darüber hat sich der DAV mit dem GKV-Spitzenverband geeinigt. Ist das Rabattarzneimittel vom Ruhen der Zulassung betroffen, solle das Rezept mit dem Sonderkennzeichen für Nichtabgabe eines Rabattarzneimittels und der Dokumentation 'Nichtabgabe wegen Ruhen der Zulassung' versehen werden. Der Hessische Apothekerverband hatte empfohlen, in diesen Fällen die Nichtverfügbarkeit eines Rabattpartners mit dem Sonderkennzeichen 02567024 und Faktor „2“ zu dokumentieren.

Patienten nicht in Gefahr? In der BfArM-Pressemitteilung heißt es, dass dem BfArM keine Hinweise auf Gesundheitsgefahren für Patientinnen und Patienten vorliegen. Auf Spiegel online wird Prof. Dr. Karl Broich, Präsident des BfArM, mit den Worten zitiert, dass aktuell keine Präparate betroffen seien, bei denen schon kleine Änderungen in der Zusammensetzung gefährlich wären. Es handele sich vor allem um Mittel wie Antiallergika oder solche gegen Bluthochdruck. Ein Blick auf die Liste zeigt jedoch, dass auch problematischere Arzneimittel wie Tacrolimus-und Clopidogrel-haltige Generika betroffen sind. Zudem kann auch ein Arzneimittel, das nicht oder zu stark wirkt, Schaden anrichten, einmal ganz abgesehen von einem erhöhten Nebenwirkungsrisiko bei zu hohen Plasmaspiegeln. Bioäquivalenzstudien werden nicht umsonst gefordert.

Spitze des Eisbergs. Bislang haben nur vier europäische Staaten das Ruhen der Zulassung für Arzneimittel angeordnet, die auf Basis von zwischen 2008 bis 2014 von GVK-Biosciences angefertigten Studien zugelassen waren. Die EMA prüft über 1000 weitere Arzneimittel, entsprechende Bescheide werden Anfang Januar erwartet. Die Situation wird noch unübersichtlicher werden. Der niedrige Preis für Generika hat seinen Preis.


Dr. Doris Uhl