Erbschaftsteuer

Privilegierungen verfassungswidrig

Berlin - 17.12.2014, 17:35 Uhr


Heute hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts sein lang erwartetes Urteil zu den gesetzlich vorgesehenen Privilegien für Firmenerben gesprochen. Diese sind auch bei der Übertragung von Apotheken relevant. Doch sind sie auch verfassungsgemäß? Das Bundesverfassungsgericht meint: Nein, sie verstoßen gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 GG). Allerdings sind die betroffenen Vorschriften zunächst weiter anwendbar. Der Gesetzgeber muss aber bis 30. Juni 2016 eine Neuregelung treffen. Welche Konsequenzen sich für Apotheken aus diesem Urteil ergeben, ist daher noch nicht gänzlich absehbar.

Das Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz in seiner derzeitigen Ausgestaltung war Anfang 2009 in Kraft getreten. Sein Ziel war es, Steuervergünstigungen für den Betriebsübergang zu schaffen, um die Unternehmen im Erbfall zu erhalten und Arbeitsplätze zu sichern. Denn ist die Erbschaftssteuer für den Erben zu mächtig, ist er möglicherweise gezwungen, den Betrieb zu veräußern oder Mitarbeiter zu entlassen. Und so wurden Normen geschaffen, die nun vom Bundesverfassungsgericht intensiv geprüft wurden. So sieht das Gesetz etwa vor, dass 85 Prozent des geerbten Betriebsvermögens unter bestimmten Voraussetzungen nicht besteuert werden: Zum einen muss der Betrieb mindestens fünf Jahre weitergeführt werden, zum anderen darf sich die Gesamthöhe der ausgezahlten Löhne in diesem Zeitraum nicht wesentlich verringern – sprich: Arbeitsplätze sollen erhalten bleiben. Eine komplette Steuerbefreiung kann es geben, wenn der Betrieb mindestens sieben Jahre weiterführt und die Lohnsumme über diese sieben Jahre gleich bleibt. Was die Lohnsummen-Regelung betrifft, bestimmte der Gesetzgeber zudem, dass sie nicht für Betriebe gilt, die 20 oder weniger Mitarbeiter beschäftigen – was auf viele Apotheken zutreffen dürfte. Für diese Betriebe sollte es ausreichen, das Unternehmen die genannte Zeit fortzuführen, um von den Steuervorteilen zu profitieren.

Bundesfinanzhof will Klärung durch das Bundesverfassungsgericht

Im September 2012 beurteilte der Bundesfinanzhof diese Regelungen als nicht verfassungsgemäß. Er wollte sie daher vom Bundesverfassungsgericht überprüft wissen. Dies ist nun geschehen. Wie die Verfassungsrichter ausführen, liegt es zwar im Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers, kleine und mittlere Unternehmen, die in personaler Verantwortung geführt werden, zur Sicherung ihres Bestands und zur Erhaltung der Arbeitsplätze steuerlich zu begünstigen. Die Zielsetzung, Unternehmen zu schützen, die durch einen besonderen personalen Bezug des Erblassers oder des Erben zum Unternehmen geprägt sind, wie es für Familienunternehmen typisch ist, sei verfassungsrechtlich durchaus legitim. Kritisch wird es aus Sicht der Verfassungsrichter aber, wenn es um den Übergang großer Unternehmensvermögen geht: Die Privilegierung betrieblichen Vermögens sei unverhältnismäßig, soweit sie über den Bereich kleiner und mittlerer Unternehmen hinausgreife, ohne eine Bedürfnisprüfung vorzusehen. Hier haben die Richter große Unternehmen im Auge, die zwar als Familienbetrieb geführt werden, aber so groß sind, dass derartige Vorteile nicht mehr nötig sind. Eine Regelung, die Apotheken weniger betreffen würde.

Keine Privilegierung von Betrieben mit 20 und weniger Beschäftigten

Anders sieht es bei einer anderen Feststellung des Bundesverfassungsgerichts aus: Unverhältnismäßig sei nämlich auch die Freistellung von Betrieben mit bis zu 20 Beschäftigten von der Einhaltung einer Mindestlohnsumme. Diese Regelung, so die Richter, verfolge insbesondere das Ziel der Verwaltungsvereinfachung. Doch dies führe zu einer unverhältnismäßigen Privilegierung von Erwerbern kleinerer Betriebe. Die Verfassungsrichter verweisen auf Ausführungen des Bundesfinanzhofs, wonach weit über 90 Prozent aller Betriebe in Deutschland nicht mehr als 20 Beschäftigte aufweisen. Betriebe könnten daher fast flächendeckend die steuerliche Begünstigung ohne Rücksicht auf die Erhaltung von Arbeitsplätzen beanspruchen. Und das, obwohl der mit dem Nachweis und der Kontrolle der Mindestlohnsumme verbundene Verwaltungsaufwand nicht so hoch sei wie teilweise behauptet. „Sofern der Gesetzgeber an dem gegenwärtigen Verschonungskonzept festhält, wird er die Freistellung von der Lohnsummenpflicht auf Betriebe mit einigen wenigen Beschäftigten begrenzen müssen“, heißt es seitens des Bundesverfassungsgerichts.

Da die vorgelegten Regelungen insgesamt mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar sind, ist nun der Gesetzgeber gefordert. Die fraglichen Vorschriften sind nach dem Urteil zwar zunächst weiter anwendbar; bis 30. Juni 2016 muss aber eine Neuregelung getroffen sein. Das Bundesfinanzministerium zeigte sich hierfür offen. Der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Michael Meister erklärte, die Bundesregierung begrüße die jetzt geschaffene Rechtsklarheit. „Nach sorgfältiger Prüfung der schriftlichen Urteilsgründe wird der Gesetzgeber über eine notwendige Neuregelung entscheiden.“

Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Dezember 2014, Az.: 1 BvL 21/12


Kirsten Sucker-Sket


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