Arzneimittelzulassung

Neuer Ansatz „Schritt für Schritt“

Remagen - 19.12.2014, 09:40 Uhr


Steht eine Revolution in der Arzneimittelzulassung bevor? „Adaptive pathways“ heißt das Schlagwort, mit dem die Arzneimittelzulassung der Zukunft charakterisiert wird. Entwickelt wurde das Konzept von der Europäischen Arzneimittel Agentur (EMA) in Zusammenarbeit mit den nationalen Arzneimittelbehörden. Was sich dahinter verbirgt, haben sie jetzt in einem ausführlichen Fachartikel in der Fachzeitschrift Clinical Pharmacology & Therapeutics dargelegt.

Die Idee der „adaptive pathways“ sieht eine frühe Zulassung eines Präparates für eine eingeschränkte Patientengruppe vor, basierend auf ersten kleinen klinischen Studien. In der Folge könnte die Marktgenehmigung dann je nach Stand der Erprobung und der Erkenntnisse aus der Anwendung sukzessive auf weitere Patientenpopulationen ausgedehnt werden. Eine Arzneimittelzulassung und sämtliche damit im Zusammenhang stehenden Vorgänge, inklusive der Versorgung und Erstattung, wären hiernach ständig im Fluss. Auf jeden Fall erheblich mehr, als es derzeit der Fall ist.

Die staatlichen Arzneimittelzulassungsbehörden sehen hierin klare Vorteile gegenüber dem derzeitigen Ansatz:

  • Die Patienten verlangen einen rechtzeitigen Zugang zu Arzneimitteln, insbesondere bei einem ungedeckten medizinischen Bedarf. Das wäre mit den „adaptive pathways“ besser gewährleistet als jetzt.
  • Die Identifizierung der Untergruppen von Patienten, die wahrscheinlich besser als andere auf bestimmte Medikamente reagieren, kann helfen, Krankheitsprozesse besser zu verstehen.
  • Die öffentlichen Gesundheitssysteme wünschen sich einen größeren therapeutischen Wert der Arzneimittel, der zum Beispiel durch einen gezielteren Einsatz erreicht werden kann.  
  • Auch für die Industrie werden Vorteile ausgemacht, denn sie könnten mit klinischen Entwicklungsprojekten für eine kleinere, besser definierte Patientenklientel starten und müssten nicht gleich so viel Geld für große Studien in die Hand nehmen wie jetzt.

Ob das Ganze überhaupt praktikabel ist oder ob es doch nur eine attraktive Vision bleibt, soll sich in einem Pilotprojekt zeigen, das die EMA im März dieses Jahres gestartet hat. Wie die Agentur jetzt mitgeteilt hat, sind bis November 2014 insgesamt 29 Anträge von Unternehmen zur Teilnahme an dem Projekt, das anfangs noch „adaptive licensing“ hieß, eingegangen. Neun davon wurden zur weiteren Diskussion mit dem Bewerber ausgewählt. Stadium I des Pilotprojekts soll Ende Februar 2015 abgeschlossen werden. In der anschließenden Phase II sollen dann detaillierte, persönliche Treffen mit den Bewerbern zur weiteren Abklärung der Machbarkeit anberaumt werden.  

Was auch immer dabei herauskommt, es dauert noch mit der „schönen neuen Zulassungswelt“.

Eichler HG et al.  From adaptive licensing to adaptive pathways: Delivering a flexible life-span approach to bring new drugs to patients. Clinical Pharmacology & Therapeutics, Accepted manuscript online: 12 DEC 2014.


Dr. Helga Blasius