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Was ist los mit unserer ABDA? Ein schwächelnder Hauptgeschäftsführer mit abgespecktem Forderungskatalog und wenig Kampfgeist, ein DAV-Chef, der (zum Glück) dagegen hält, ein Präsident, von dem man nicht mehr viel hört, und eine neue Wiso-Abteilungsleiterin, die null Probleme im Verhältnis zu den Kassen sieht – kein Wunder, wenn ein Marketingverband mit einem eigenen Positionspapier zum Halali gegen die Jägerstraße bläst. Mein liebes Tagebuch, eine starke Führung, die Begeisterung weckt und Zuversicht ausstrahlt, sieht irgendwie anders aus.
23. März 2015
Der Vize des Hessischen Apothekerverbands, Dr. Hans Rudolf Diefenbach, wirft hin, er kehrt dem Verband den Rücken. Da ist er konsequent. Er könne das ihm Ende 2014 mitgegebene Votum nicht so umsetzen, wie er sich das vorstelle. Er wolle glaubwürdig bleiben. Verständlich, aber dennoch schade, mein liebes Tagebuch, dass ein Urgestein der offenen Worte und einer, der sich traut, seine Meinung auch mal gegen den offiziellen Mainstream kundzutun, abtritt. Sein Leib- und Magen-Thema, die Lieferengpässe, will er allerdings weiterverfolgen und noch breiter in einer Arbeitsgruppe aufstellen. Gut so! Und mehr als den einen oder anderen kritischen Einwurf werden wir von Haru Diefenbach sicher noch hören.
Die neuesten Ergebnisse der Reader’s Digest Studie: Apotheker teilen sich mit Piloten in Deutschland den dritten Platz im Vertrauens-Ranking der Bevölkerung – eine Aussage, bei der man sich früher uneingeschränkt gefreut hätte, in dieser Woche aber andere Gedanken mitschwingen, was natürlich abstrus ist. Nehmen wir’s, wie’s gemeint ist: Nach Krankenschwestern und Feuerwehrleuten genießen Apotheker mit den Piloten also höchstes Vertrauen. Auf Platz vier übrigens die Ärzte. Alle Stiftung-Warentests und Glaeske-Tests, die den Apotheken in vielen Fällen eher bescheidene Beratungsleistungen attestierten, konnten an diesem Vertrauen nicht rütteln. Mein liebes Tagebuch, wie gehen wir damit um? Kurz freuen, ja, aber vom Vertrauen allein können wir nicht leben. Die Politik sollte das anerkennen und honorieren. Und auf alle Fälle: Alles dafür tun, dieses Vertrauen zu halten, zu mehren und sich weiterhin als vertrauenswürdiger Heilberuf verhalten. Da ist schon was dran: Trust me, I’m a pharmacist!
24. März 2015
So ein Beratungsleitfaden ist kein in Stein gemeißeltes Dokument, sondern eher ein lebender Organismus, der sich ständig weiterentwickelt und anpasst. Meint auch das Bundesgesundheitsministerium. Und so erstellt die BAK nun nach einem vorläufigen Beratungsleitfaden zur „Pille danach“ bald eine überarbeitete Version. Möglicherweise hat die Kritik unserer lieben Frauenärzte gewirkt, die einen Hinweis drin haben wollten, dass die Wirkung der Präparate ab einem bestimmten Körpergewicht der Pillenanwenderin nachlässt. Obwohl hier die Datenlage nicht so klar ist, wie es scheint. Mein liebes Tagebuch, wir Apothekers werden auch den neuen Leitfaden verinnerlichen, trust me…
Die jüngste Stellungnahme zum GKV-Versorgungsstärkungsgesetz liest sich eher wie ein Begrüßungs- und Dankesschreiben an die Politik denn als Forderungskatalog eines Berufsverbands. Warum knickt die ABDA so ein? Woher die Kehrtwende? So fordert die ABDA in puncto Apothekenhonorar nur die Höhe des Apothekenfestzuschlages auf ihre Angemessenheit im Zwei-Jahresrhythmus regelmäßig zu überprüfen und dass kein Vergütungsabschlag für Rohertragszuwächse in Abzug zu bringen sei. Ersatzlos weggefallen ist die Forderung nach einem Zuschlag für Rezepturarzneimittel von 8,35 Euro, eine Erhöhung der BtM-Gebühr auf 2,91 Euro und eine Erhöhung des Notdienstaufschlags von 16 auf 20 Cent pro Packung, Forderungen, die noch in der ersten Stellungnahme zum GKV-VSG enthalten waren. Huch, was ist da passiert? Woher die Demut? Welche Taktik steckt denn da dahinter? Kann man so nicht nachvollziehen, mein liebes Tagebuch. Sollen also Rezepturen auch in Zukunft für ‘nen Appel und Ei gemacht werden, wenn man’s genau rechnet: mit Verlust. Und auch bei der BtM-Gebühr legen wir doch richtig drauf. Total unverständlich ist es auch, dass die Forderungen nach Streichung der Importförderklausel und einem Stopp von Zytostatika-Ausschreibungen weggefallen sind. Sogar Krankenkassen erkennen in der Importförderung keinen Sinn mehr. Steckt in dieser Stellungnahme vielleicht schon eine Portion Verzweiflung? Ist die Hoffnungslosigkeit und Not so groß, alles auf eine Karte zu setzen? Wie wollen wir da jemals ein Honorar für MedMan und MedAna bekommen?
Die neue ABDA-Geschäftsführerin Wirtschaft, Claudia Korf, früher in Diensten der Krankenkassen, heute im Apothekerhaus, meint in einem PZ-Interview, dass das Verhältnis zwischen Krankenkassen und Apothekern grundsätzlich gut ist, zwischen Kassen und Apotheken laufe derzeit wenig schief und überhaupt: Apotheker und Kassen seien doch Partner, so ein paar kleine Reibereien gibt es doch überall. In Klartext übersetzt: Ja, liebe Apothekers, nun habt euch doch mal nicht so. Wenn die Kassen euch ein bisschen schikanieren und piksen, da mal 500 Euro wegnehmen, dort mal um 10.000 Euro erleichtern, weil ein Arztstempel gefehlt hat, dann sind das doch nur kleine Reibereien, gibt’s doch in jeder Partnerschaft, gell? Ist doch ganz lustig, der kleine Angstfaktor beim Rezept, ob man eine Formalie übersehen hat, an der die Kassen ihre Retaxforderungen aufhängen können. Mein liebes Tagebuch, da weiß man wirklich nicht, ob sie schon so richtig im Apothekerhaus angekommen ist. Wer lebt hier in einer anderen Welt?
Interessante Rechtsvorgänge: Eigentlich ist klar und deutlich entschieden und es steht im Arzneimittelgesetz, dass sich auch Apotheken mit Sitz in einem anderen EU-Mitgliedstaat an die Preisbindung bei Rx-Arzneimitteln halten müssen und Kunden keinen Nachlass in Form eines Rabatts oder Bonus geben dürfen. Die Versandapo DocMorris in den Niederlanden will dies partout nicht einsehen, verstößt seit Jahr und Tag dagegen, wird zu Ordnungsgeldern verurteilt, die sich mittlerweile auf 850.000 Euro summieren, aber nicht beglichen werden. Quasi über Bande gespielt, nämlich über die Deutsche Parkinson Vereinigung, die das Bonussystem gut findet, aber mittlerweile von der Wettbewerbszentrale beklagt wird, landet der Rechtsstreit nun beim Europäischen Gerichtshof, was wiederum DocMorris freuen dürfte. Denn die EU-Kommission meint, dass die Preisbindung den freien Warenverkehr behindert. Ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wurde bereits eingeleitet. Kein Wunder, wenn sich DocMorris vor diesem Hintergrund Chancen ausrechnet. Mein liebes Tagebuch, ist schon interessant, wie man mit Verweigerungshaltung und juristischen Umwegen sein Ziel verfolgt.
25. März 2015
Na klar, musste ja kommen: der RTL-Apothekentest zur „Pille danach“. Weil wir ja früher auch schon immer wieder Tests von Frauen- und anderen Ärzten hatten, wie sie denn die Pille danach verordnen, wie wunderhübsch und ausführlich sie beraten. Nein, hatten wir eben nicht. Und jetzt stürzt man sich auf die Apotheken, weil’s halt viel einfacher ist, in einen Laden zu gehen. Mein liebes Tagebuch: Der Test fiel gar nicht schlecht aus! Na also, geht doch. Sogar die ABDA freut sich auf Facebook und lobt, dass die BAK-Unterlagen zur Beratung in der Praxis angekommen seien. Die allein machen’s nicht, liebe ABDA, die Apotheker beraten einfach gut.
Becker backt keine kleinen Brötchen. Auf dem Parlamentarischen Abend in Berlin ließ der Chef des Deutschen Apothekerverbands die Politiker wissen, dass es, neben der Anpassung des Apothekenhonorars, einen Festzuschlag für Rezepturen, eine Erhöhung der BtM-Gebühr und eine Anpassung der Notdienstpauschale geben müsse. Außerdem müsse die Importförderklausel weg. Und damit stellt er sich so gar nicht in Linie der ABDA-Stellungnahme zum GKV-VSG, die nur die Anpassung des Honorars forderte. Gut so, mein liebes Tagebuch, wenigstens einer, der Flagge zeigt.
26. März 2015
Wenn eine Zahnärztin die Pille haben möchte, muss sie zum Kollegen, zur Kollegin der humanmedizinischen Abteilung gehen, um sich ein Rezept ausstellen zu lassen. So eben mal sich selbst die Pille verordnen, geht nicht. Weil sie, so das Gesetz über die Ausübung der Zahnheilkunde, nur in ihrem Fachgebiet verordnen darf und weil nun mal die Pille und ihr Anwendungsgebiet im Normalfall nichts mit oral-dental zu tun hat. Jedenfalls nicht direkt. Für den Apotheker heißt das also: Ein Rezept, ausgestellt von einem Zahnarzt über ein Arzneimittel, das nicht in sein Fachgebiet fällt oder damit zusammenhängt, darf nicht beliefert werden. So darf ein Tierarzt auch kein Rheumamittel für den Hundehalter verordnen, weil Bello an der Leine zieht. Und wie stellt sich die Lage dar, wenn ein Orthopäde die Pille verordnet? Und was ist, wenn die Apothekerin ihre Pille braucht? Mein liebes Tagebuch, mal ganz leise: Gut dass sie hinter sich in die Schublade greifen kann – das ist eine Entnahme und keine (unerlaubte) Arzneimittelabgabe. Und wenn unsere gut bekannte und befreundete Zahnärztin kommt und ihre Pille möchte... – pssst, das gehört nicht hierher.
Die ABDA in Person von HGF Sebastian Schmitz in der Anhörung zum Entwurf für das GKV-Versorgungstärkungsgesetz im Gesundheitsausschuss des Bundestags: Er kam ein einziges Mal zu Wort, als ein Bundestagsabgeordneter einen wirtschaftlich bedeutsamen Fall wissen wollte, in dem Krankenkassen allein aufgrund formaler Mängel taxiert haben. Eigentlich eine super Steilvorlage, um die Misere der Retaxationen darzustellen. Schmitz schilderte allgemein einige Fälle, „das könnten mal zehn Euro sein, mal 100 Euro, wir hatten aber auch Fälle in Baden-Württemberg im fünfstelligen Bereich“. Dass hier trotz erfolgter Versorgung retaxiert wurde, sei „unangemessen“. Ach was, nur ein bisschen „unangemessen“? Mit Verlaub, mein liebes Tagebuch, das klingt nicht unbedingt nach Enthusiasmus und kämpferischem Einsatz für die Sache. Retaxationen wegen Formalien sind Folter für die Apotheken und nicht nur „unangemessen“. Ist das in der holzgetäfelten Jägerstraße noch nicht angekommen?
27. März 2015
Das Jahrhundertwerk zur Regelung der Pille danach schreitet seiner Vollendung entgegen. Der Bundesrat hat zugestimmt, dass das Notfallkontrazeptivum für junge Frauen bis zum vollendeten 20. Lebensjahr von den Kassen bezahlt wird, wenn die Verordnung eines Arztes vorliegt. Außerdem kommt für diese Präparate ein Verbot der Publikumswerbung. Damit dürfte das Kapitel „Pille danach“ endlich mal abgeschlossen sein.
Ein Positionspapier erstellen – das kann nicht nur die ABDA, sagte sich der MVDA und zimmerte sein eigenes neunseitiges Papier, gut gegliedert und gespickt mit Merkkästen. Mein liebes Tagebuch, der Marketing Verein Deutscher Apotheker mit seinem Dachmarkenkonzept Linda ist schon seit einigen Jahren gerne mehr als nur eine Kooperation. „Der MVDA artikuliert und vertritt politische Interessen", heißt es da selbstbewusst. Mit 3500 Mitgliedsapotheken im Rücken fühlt er sich dazu berufen. Und was er da in seinem Papier proklamiert, klingt zunächst mal gar nicht schlecht. Vielen Positionen kann man zustimmen. Zumindest wird die ABDA mehr als einen Blick riskieren müssen, was hier abgeht. Was man sich aber immer vor Augen halten sollte: Der MVDA ist ein Marketingverein, keine Berufsvertretung. Und ein gewisses Störgefühl ruft die Linda-Strategie hervor, die der Bevölkerung bewusst ein Kettenimage vorspielt. Wie das letztlich mit der MVDA-Satzung harmoniert, wonach man „im Einklang mit der Tradition und Ethik des Berufsstandes“ dann „für den Fortbestand der Individualapotheke eintreten“ möchte, bleibt das Geheimnis des MVDA.
Aber wenn das Papier nicht nur heiße Luft ist, dann muss die ABDA in die Puschen kommen. „Der MVDA sieht sich in der Rolle eines Treibers und Pioniers“ – da wird das Halali in Richtung Jägerstraße geblasen.
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