Medizinprodukte-Verordnung

EU-Ministerrat einigt sich auf Marschroute

Berlin - 19.06.2015, 16:45 Uhr

Es besteht eine neue Chance für neue Regeln für Medizinprodukte in der EU. (Foto: Sket)

Es besteht eine neue Chance für neue Regeln für Medizinprodukte in der EU. (Foto: Sket)


Die 28 EU-Gesundheitsminister haben sich heute nach fast dreijährigen Beratungen auf eine gemeinsame Position zur neuen EU-Medizinprodukte-Verordnung geeinigt. Deutschland stimmte als einziges Land nicht zu. Damit rücke ein neues EU-Medizinprodukterecht in greifbare Nähe, teilte der CDU-Europaabgeordnete und gesundheitspolitische Sprecher der größten Fraktion im Europäischen Parlament (EVP-Christdemokraten), Dr. Peter Liese, mit. Nun können die Trilog-Verhandlungen zwischen Rat, EU-Kommission und EU-Parlament starten.

Spätestens seit bekannt wurde, dass der französische Brustimplantate-Hersteller PIP minderwertiges Silikon verwendet hatte, wuchs in Brüssel der Druck zur Überarbeitung der bestehenden Medizinprodukte-Verordnung. Die EU-Kommission legte im Herbst 2012 einen Verordnungsentwurf vor, mit dessen Hilfe die Kontrollen bei der Zulassung von Produkten wie Herzschrittmachern oder Infusionspumpen verbessert werden sollten. 2013 unterstützte das EU-Parlament den Text mit Änderungen. Die Verordnung ist jedoch bis heute nicht in Kraft, da die Mitgliedsstaaten sich bisher auf keine gemeinsame Position einigen konnten und somit kein Mandat vorlag, um mit dem Parlament den endgültigen Verordnungstext zu verhandeln.

Gleichwohl im weiteren Verfahren noch Änderungen am Text notwendig seien, erklärte Liese, sei die heutige Einigung zu begrüßen. „Es ist sehr gut, dass der Ministerrat eine Position hat.“ Er äußerte Verständnis für die Anregungen der deutschen Regierung, die gegen das Mandat stimmte, weil insbesondere die Frage, ob EU-Behörden in das Zulassungsverfahren, das normalerweise von benannten Stellen wie dem TÜV oder der Dekra durchgeführt wird, eingreifen können, noch nicht klar geregelt ist. Das EU-Parlament will außerdem bei den diagnostischen Medizinprodukten noch nachbessern, speziell die Regeln zu Gentests sind ihm nicht streng genug. „Wir brauchen hier strengere Kontrollen und vor allen Dingen eine genetische Beratung bei sensiblen Tests“, erklärt Liese. Dass sei in Deutschland und einigen Ländern üblich, nicht aber in den meisten EU-Ländern.

Krankenkassen kritisieren Beschluss als halbherzig

Der Vorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen (vdek), Christian Zahn, forderte das Bundesgesundheitsministerium auf, sich stärker für mehr Patientensicherheit einzusetzen, anstatt die deutschen Medizinprodukteindustrie zu schützen und allein auf einen schnelleren Zugang zu neuen Medizinprodukten zu drängen. „Hochrisikoprodukte müssen ein vergleichbares Zulassungsverfahren wie Arzneimittel durchlaufen“, erklärte er – nur so könnten Patienten vor schadhaften und gefährlichen Produkten geschützt werden. Die vom Rat vorgeschlagenen Kontrollpflichten für die benannten Stellen sorgten nicht für mehr Patientensicherheit. Die Regierung solle „ihre bisherige Haltung überdenken und sich für ein sicheres und effektiveres Zulassungsverfahren, angesiedelt bei der EMA, einsetzen.“

Auch bei der AOK kritisiert man, dass – so es keine weiteren Änderungen mehr gibt – Hochrisikoprodukte auch künftig weitgehend ohne klinische Studien auf den Markt kommen werden. „Es ist unverständlich, warum man erst reagieren will, wenn Patienten durch mangelhafte Produkte zu Schaden gekommen sind, anstatt sie von vornherein davor zu schützen“, erklärte der Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Jürgen Graalmann. Bedauerlich ist aus seiner Sicht außerdem, dass der Rat sich nicht zu einer verbindlichen Haftpflichtversicherung für die Hersteller durchringen konnte. Unternehmen müssten den Abschluss einer solchen lediglich in Betracht ziehen. Patienten bräuchten aber Gewissheit, betonte der AOK-Chef. Er hoffe, dass sich das EU-Parlament noch mit seiner Forderung nach einer obligatorischen Haftpflichtversicherung durchsetze.

 


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