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Die ABDA im Frieden mit dem Versandhandel, die rosa Pille für die Lust der Frauen und Schweizer Apotheken piksen für den Grippeschutz – es gibt sie noch, die Dinge im Leben, von denen man nie zu träumen wagte. Aber, mein liebes Tagebuch, auf der anderen Seite steht die knallharte Realität: freier Arzneimittelpreis beim Verblistern mit knackigen Folgen, die ABDA sagt mal was – aber nur zum Arzneikostenanstieg, Gröhe kommt nicht zum Apothekertag und der Großhandel verlangt ganz unverfroren und offen den Mindestlohnzuschlag, ohne ihn in den Rechnungen zu verstecken. Das ist doch gelebte Partnerschaft, so zum Sommerausklang.
17. August 2015
„Wir müssen einfach akzeptieren, dass sich das Einkaufsverhalten der Menschen geändert hat und sie heutzutage auch Medikamente im Internet bestellen wollen. Wir wollen uns nicht mehr in dieser Schlacht aufreiben“ – was ABDA-Präsident Schmidt mal so nebenbei im Interview mit dem Kölner Stadtanzeiger sagte, ist vollkommen in Ordnung – auch wenn man es in dieser Deutlichkeit bisher noch nicht so aus ABDA-Kreisen hörte. Mein liebes Tagebuch, über zehn Jahre nach Zulassung des Arzneimittelversandhandels kommt man an dieser Form des Arzneimittelbezugs nicht mehr vorbei, ob sie einem gefällt oder nicht. Dass ein solcher Satz Wasser auf den Mühlen von Internethändler Max Müller von DocMorris ist, verwundert nicht. Er würde seinen Job schlecht machen, wenn er solche ABDA-Äußerungen unbeachtet ließe. Und so twitterte er postwendend in die Welt, dass er Schmidts Äußerungen „in der Sache positiv“ finde. Schmidt sagte aber auch: „Wir bleiben allerdings dabei, dass der Versandhandel immer nur die zweitbeste Lösung ist. In einem so sensiblen Bereich wie der Medizin ist die direkte Beratung vor Ort durch nichts zu ersetzen.“ Stimmt.
18. August 2015
Das Urteil des Bundesgerichtshofs, wonach ein Arzneimittelhersteller nicht die Arzneimittelpreisverordnung einhalten muss, wenn er verschreibungspflichtige Arzneimittel an Apotheken abgibt, die diese für patientenindividuelle Arzneimittelblister verwenden, sorgt für Unsicherheiten. Vor allem bei den heimversorgenden Apothekern. Nicht selten werden sie von Heimen dazu gedrängt, verblisterte Arzneimittel anzubieten, oder sie bieten den Blisterservice aus Wettbewerbsgründen an. Der Knackpunkt dabei: Was zahlen die Heime für diese Dienstleistung? Was lässt sich dafür überhaupt berechnen? Fragen, die noch nicht geklärt sind. Mein liebes Tagebuch, dass der Preis für Blisterarzneimittel mit dem Segen des BGH-Urteils nicht der Arzneimittelpreisverordnung unterliegt, wird wohl den einen oder anderen Kaufmann im Apotheker herausfordern. Aber auch die Heime, die Kassen und so manche andere, die hier einen neuen Preiswettbewerb sehen. Der Bundesverband der klinik- und heimversorgenden Apotheken ruft jetzt den Deutschen Apothekerverband, Preisvereinbarungen mit den Krankenkassen zu schließen. Tja, ob das mal nicht zu spät ist. Eigentlich hätte man schon längst ein Honorar fürs Verblistern und fürs Stellen der Arzneimittel aushandeln müssen. Mein liebes Tagebuch, ist dieser Zug nicht schon abgefahren?
Impfen gegen Grippe – in der Schweiz gehört das in einigen Kantonen seit geraumer Zeit zum Apothekenalltag. In der nächsten Grippe-Saison dürfen sich probeweise auch die Apotheker im Schweizer Kanton Bern anschließen. Voraussetzung ist: sie haben sich entsprechend weitergebildet. Man erhofft sich eine bessere Durchimpfungsrate der Bevölkerung. Mein liebes Tagebuch, ich bin überzeugt, dass die Grippeimpfung nach dem Motto reinkommen, drankommen, die Impfrate steigern wird. Und überhaupt, warum soll der Apotheker nicht impfen? (Auch in den USA gibt es den „flu shot“ in Apotheken.) Wäre das Schweizer Modell nicht eine Möglichkeit für Deutschland? Oh, mein liebes Tagebuch, wie hör ich sie, die Aufschreie von Apothekers: Schuster bleib bei..., was sollen wir denn noch alles..., Einmischung bei den Ärzten... und so weiter und sofort. Und dann noch diejenigen, die sich das nicht zutrauen, und all diejenigen, die gleich die rechtlichen Folgen auflisten, wenn etwas passieren sollte. (Erinnert alles an die Abgabe der „Pille danach“-Diskussion in Apotheken.) Also, mein liebes Tagebuch, wir lassen uns da mal nicht kirre machen und sehen es positiv: bessere Grippeprävention, bessere Durchimpfung der Bevölkerung, Kompetenzzuwachs für Apotheker, Entlastung der Ärzte. Wo ist das Problem?
19. August 2015
Als „Viagra für Frauen“ wird sie schon betitelt, die neue „Lustpille für Frauen“: Die FDA hat Flibanserin, das unter dem Namen Addyi vertrieben werden soll, zugelassen. Ob das Präparat seinen Zweck erfüllt? Eigentlich wurde der Wirkstoff als Antidepressivum entwickelt, die Lust steigernde Wirkung entdeckte man später. Allerdings: Wie Flibanserin eine Frau von ihrer Unlust heilen soll, wie es genau wirkt – man weiß es nicht. Was einem Hype, wie man ihn bei Viagra erlebte, wohl auch entgegensteht: Die Frau muss das Präparat Abend für Abend einnehmen, ob sie nun Lust haben möchte oder nicht. Und sie muss auf ein geselliges Gläschen Alkohol verzichten: Alkohol wie auch einige andere Arzneimittel sind bei Flibanserin-Einnahme streng kontraindiziert, die „Lustpille“ darf in den USA außerdem nur von zertifizierten Ärzten und Apothekern verordnet bzw. vertrieben werden. Mein liebes Tagebuch, ein bisschen darf man sich wundern, dass ein Präparat mit diesen Anforderungen zugelassen wurde. Klingt alles nicht nach dem, was mit dem Label „Viagra“ assoziiert wird, was sich manche Frauen (und Männer) wünschen, oder? Hab mal meine Frau gefragt, ob sie eine solche rosa Pille nehmen würde, also nur mal so theoretisch. Die Antwort fiel eindeutig aus: Nein, viel lieber ein Gläschen Wein. Und das habe nichts damit zu tun, dass sie auch Apothekerin ist ...
Die Geschäftsführerin und Juristin des Landesapothekerverbands, Ina Hofferberth, bringt’s im Interview mit der DAZ auf den Punkt: „Umgehungsstrategien sind Tür und Tor geöffnet“ – Thema ist das BGH-Urteil, wonach ein Hersteller die Arzneimittelpreisbindung nicht einhalten muss, wenn er verschreibungspflichtige Arzneimittel abgibt, die Apotheken für patientenindividuelle Blister verwenden. Wie konnte es überhaupt dazu kommen? Der erste „Sündenfall“ war, so erklärt es Hofferberth, als der Gesetzgeber vor Jahren die Entnahme von Teilmengen aus Fertigarzneimittelpackungen verschreibungspflichtiger Arzneimittel aus dem Geltungsbereich der Arzneimittelpreisverordnung herausgenommen hat. Mein liebes Tagebuch, der BGH hat das nun weitergedacht – und sieht keine Gefahr, dass nach seinem Urteil Preisvorschriften umgangen werden. Wenn sich da das Gericht mal nicht täuscht. Meint auch Hofferberth. Sie weiß, „dass sich Krankenkassen sehr empfänglich für den hierdurch eröffneten Preiswettbewerb zeigen könnten“. Mein liebes Tagebuch, da könnte Druck auf kleine heimversorgende Apotheken, die Blister anbieten, zukommen. Hofferbert fragt auch, was wohl bei diesem Szenario mit der Bedienung der Rabattverträge passiert. Und, ganz klar: „Nützen wird diese Entscheidung nicht dem überwiegenden Teil dieser Apotheken, sondern bestenfalls einigen wenigen Unternehmen und Apotheken im Markt, die das Verblisterungsgeschäft im großen Stil betreiben.“ Danke, Frau Hofferberth, für die deutlichen Worte.
20. August 2015
Die Prognose, die für 2015 von einer 5,5-prozentigen Steigerung der Arzneimittelausgaben ausging, sei „fast punktgenau eingehalten“ worden – vermeldet die ABDA via Deutsche Presseagentur die neuesten Zahlen zur Arzneimittelausgabenentwicklung. Mein liebes Tagebuch, was mich seit Jahren wundert: Warum äußert sich eigentlich die ABDA, hier der Präsident selbst, zu den Zahlen der Arzneimittelausgabenentwicklung? Kommt da nicht in der Bevölkerung der Eindruck an, die Apotheken träfe eine (Mit-)Schuld, wenn die Arzneimittelausgaben steigen? Ausgerechnet die Apotheken! Die seit Jahren abgekoppelt sind vom wirtschaftlichen Wachstum. Sogar der Staat „verdient“ an den Arzneimitteln durch die Mehrwertsteuer mehr als die Apotheken erwirtschaften. Selbst wenn die ABDA-Äußerung zu den Arzneimittelausgaben im Kontext zu dem Meldungen der Krankenkassen stehen soll, die über Defizite wegen gestiegener Arzneiausgaben jammern: Bei Otto Normalverbraucher kommen keine good vibrations an, wenn Apotheken die Arzneikosten melden.
Gröhe kommt nicht zum Apothekertag. Keine Grußworte vom Bundesgesundheitsminister. Aber, was hätte er auch sagen sollen, was wir nicht schon wissen? Beteuerungen und Dankesworte, wie wichtig die Apotheken für die ordnungsgemäße und flächendeckende Arzneiversorgung sind, Absagen an die Apothekerforderung nach mehr Honorar – kennen wir, haben wir alles schon oft gehört. Und trotzdem, eine Wertschätzung wär’s schon gewesen, mein liebes Tagebuch, und auf dem diesjährigen Ärztetag in Frankfurt war er.
21. August 2015
Die alten Zeiten, in denen der liebe Vertreter vom Pharmagroßhandel mit einem Kaffeeautomaten, einer Videokamera oder einem DVD-Player vorbeikam, um die Apotheke gewogen zu halten und um von den undurchsichtig verschleierten Rechnungen abzulenken, damit man nicht nachrechnen kann, dass man statt der vereinbarten fünf Prozent nur dreieinhalb bekommt, sind schon lange vorbei. Goodies gibt’s heute nicht mehr, geblieben sind die intransparenten Rechnungen, hinzugekommen sind so allerlei Zusatzgebühren. Die jüngste Errungenschaft: der Mindestlohnzuschlag. Etwa so knapp um die 1,40 Euro pro Belieferung extra. Ei der Daus, gut ausgedacht. Tja, wenn einer rechnen kann, dann der Pharmahändler, gell? Da werden doch alle Apotheker Verständnis haben für den Großhandel und seine Mindestlöhner, oder nicht? Nein, mein liebes Tagebuch, haben sie nicht, wie auch eine DAZ.online-Umfrage zeigte. Wer kann das schon so elegant: gesetzlich ausgelöste Kostensteigerungen einfach auf die Kunden abwälzen. Jeder andere muss sehen, wo er noch mehr rationalisieren kann, aber der Großhandel wälzt ab. Mein liebes Tagebuch, irgendwie stimmt da die Kostenstruktur nicht mehr. Und was wäre die Alternative? Klar, weniger Rabatte und Skonti – klingt auch nicht gut. Dann doch lieber Mindestlohnzuschlag und wegverhandeln? Alles schon ein bisschen irre, oder?
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