Flüchtlinge vor dem Berliner LaGeSo

Arzneimittelversorgung auf der Kippe?

Berlin - 18.09.2015, 16:45 Uhr

Christian Hanke, Bürgermeister von Berlin-Mitte, ist verärgert über Unstimmigkeiten bei der Arzneimittelversorgung in Berlin. (Foto: LaGeSo)

Christian Hanke, Bürgermeister von Berlin-Mitte, ist verärgert über Unstimmigkeiten bei der Arzneimittelversorgung in Berlin. (Foto: LaGeSo)


Der Bezirksbürgermeister von Berlin-Mitte, Dr. Christian Hanke (SPD), ist erzürnt: In einer recht ungewöhnlich formulierten Pressemitteilung wettert er gegen der „Berliner Apothekerverband“, der angeblich Einspruch gegen die Arzneimittelversorgung der noch nicht registrierten Flüchtlinge auf dem Gelände des Landesamtes für Gesundheit und Soziales (LaGeSo) durch das Vivantes-Klinikum eingelegt hat. Der Verband seinerseits weist dies zurück. Doch Tatsache ist offenbar, dass jemand gegen die bisherige Arzneimittelversorgung vorgegangen ist.

Hanke erklärt: „Es gab die Verabredung, dass Vivantes die Medikamente für die medizinische Versorgung auf dem LaGeSo-Gelände liefert. Dies hat auch geklappt.“ Dies ist nach Informationen von DAZ.online zutreffend. Aber dann, so Hanke, sei ein neues Problem aufgetaucht: „Der Apothekerverband hat Einspruch eingelegt, weil die ambulante Medikamentenversorgung nicht durch Krankenhäuser, sondern nach Gesetz über Apotheken zu erfolgen habe. Vivantes darf also nicht mehr liefern.“

Hanke ist sichtlich erbost: „Das ist nun wirklich nicht die Flexibilität, die die Bundeskanzlerin von uns fordert. (Das ist die freundliche Version der Beschreibung des Problems.)“, heißt es weiter in der Pressemeldung. Als Lösungsmöglichkeiten führt Hanke zwei Varianten an: Entweder beauftrage Vivantes eine örtliche Apotheke, die Medikamente auszuliefern, oder aber das LaGeSo erlaube eine Ausnahme. Auf jeden Fall müsse gehandelt werden – „denn es gibt in Berlin zurzeit keine vernünftige und verantwortliche medizinische Versorgung von nichtregistrierten Flüchtlingen“.

BAV: Falsche Darstellung

Der Berliner Apotheker-Verein (BAV) wehrt sich gegen die Darstellung des Bezirksbürgermeisters. Dr. Andreas Dehne, stellvertretender BAV-Vorsitzender: „Die Aussage von Herrn Dr. Hanke ist falsch. Der Berliner Apotheker-Verein Apotheker-Verband Berlin (BAV) e.V. hat keinen solchen Einspruch eingelegt.“ Vielmehr setze sich der BAV seinerseits für eine unbürokratische und fachkundige Hilfe ein – und zwar über einen Spendenaufruf zugunsten der Hilfsorganisation Apotheker ohne Grenzen, die sich in Berlin für die Arzneimittelversorgung von nicht registrierten Geflüchteten engagiert.

Freiwillige Apothekerinnen und Apotheker seien bereits vor Ort tätig, um gemeinsam mit Ärzten die pharmazeutische und medizinische Betreuung der Geflüchteten zu gewährleisten. Dehne betont: „Berlins Apotheken versorgen täglich rund um die Uhr über 3,5 Millionen Berlinerinnen und Berliner sicher, rasch und wohnortnah mit Arzneimitteln. Die Versorgung von mehreren Tausend Flüchtlingen kann jederzeit völlig problemlos durch mehr als 850 Apotheken in Berlin sichergestellt werden.“

Unklarheit um Einspruch bleibt

Klar ist, dass das Apotheken- und Arzneimittelrecht streng ist. Bei der Flüchtlingshilfe wird derzeit oft ein Auge zugedrückt – das macht es für in der Gesundheitsversorgung engagierte Helfer auch schwer, offen zu reden. Wer nun wirklich zu verantworten hat, dass Vivantes die Arzneimittelversorgung untersagt werden soll, bleibt vorerst im Dunkeln. Weder das Bezirksamt noch Vivantes selbst waren am Freitgnachmittag zu erreichen. Die Pressestelle der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales ist zwar mittlerweile rund um die Uhr besetzt – doch noch steht die Rückmeldung aus.


Nachtrag der Redaktion am 18. September um 17:15 Uhr:

Das Bezirksamt Mitte hat mittlerweile eingeräumt, dass es sich um ein Missverständnis handelte und sich beim Berlin Apothekerverband entschuldigt. Tatsächlich war das LaGeSo selbst tätig geworden – in Gestalt der dort ebenfalls angesiedelten Apothekenaufsicht. Bezirksbürgermeister Dr. Christian Hanke erklärte: „Ich bedauere sehr, dass das Landesamt für Gesundheit und Soziales nicht bereits im Vorfeld in seinem eigenen Haus die rechtlichen Voraussetzungen für die Medikamentenausgabe geklärt hat. Es darf nicht sein, dass interne Kommunikationsprobleme innerhalb der Behörde zulasten der Geflüchteten gehen und die problematische Lage weiter verschärfen. Ich fordere alle Beteiligten dringlich auf, schnellstmöglich eine Lösung zu finden, um die gesundheitliche Nöte der Geflüchteten zu verbessern.“



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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