EPPENDORFER DIALOG

Viel Unsicherheit beim Antikorruptionsgesetz

Hamburg - 05.11.2015, 17:34 Uhr

Expertenrunde beim Eppendorfer Dialog, von links: Stephan Hofmeister, Hendrik Schneider, Dina Michels, Achim Jockwig, Thomas Stritzl, Noah Krüger, Lutz Tisch. (Bild: DAZ.online)

Expertenrunde beim Eppendorfer Dialog, von links: Stephan Hofmeister, Hendrik Schneider, Dina Michels, Achim Jockwig, Thomas Stritzl, Noah Krüger, Lutz Tisch. (Bild: DAZ.online)


Die Unsicherheit über die Folgen des künftigen Antikorruptionsgesetzes bleibt groß. Beim genauen Hinsehen nimmt die Zahl der Fragen eher zu: Dies zeigte sich am Mittwoch in einer Expertenrunde beim 18. Eppendorfer Dialog.

Zum neuen Antikorruptionsgesetz liegt ein Kabinettsentwurf vor, der den Bundesrat bereits passiert hat. Beobachter erwarten, dass das Gesetz im März 2016 in Kraft tritt. Doch der Gesetzentwurf bleibt heftig umstritten, so auch beim jüngsten Eppendorfer Dialog. Achim Jockwig, Vizepräsident der Hochschule Fresenius in Hamburg, begrüßte als neuer Moderator und Gastgeber dazu sechs Referenten.

"Zone der Unbestimmtheit"

Der Leipziger Strafrechts-Professor Hendrik Schneider begrüßte eine einheitliche Regelung zur Korruption im Kernstrafrecht, hält es aber für grundlegend falsch, ein „selektives Sonderstrafrecht für eine Berufsgruppe“ zu schaffen. Er kritisierte, dass die Verletzung berufsrechtlicher Pflichten strafrechtlich sanktioniert werden soll. Die berufsrechtlichen Pflichten seien heterogen und landesspezifisch. Daher widerspreche die Regel dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot. Auch die vorgesehene „Apothekervorschrift“ zur Unabhängigkeit beim Bezug von Arznei- und Hilfsmitteln enthalte „Zonen der Unbestimmtheit“.

Nach Einschätzung von Dina Michels, Korruptionsexpertin bei der Kaufmännischen Krankenkasse, können die relevanten Sachverhalte schon jetzt als Betrug angezeigt werden. Daher sei das neue Gesetz zwar nicht nötig, aber doch wichtig, weil Korruption auch so genannt werden solle und der Staat ein Signal gegen Korruption setzen solle.

Im gewollten Wettbewerb

Dagegen sieht Stephan Hofmeister, stellvertretender Vorsitzender der KV Hamburg, dann ein Problem, wenn die Ärzte und andere Leistungserbringer mit dem Gesetz unter Generalverdacht gestellt würden. Wenn Ärzte als grundsätzlich korrupt betrachtet würden, untergrabe dies das nötige Vertrauen in die Ärzte. Hofmeister fragte, ob das neue Gesetz angesichts der wenigen Korruptionsfälle im riesigen Gesundheitswesen verhältnismäßig sei.

Lutz Tisch, Geschäftsführer Recht der ABDA, betonte, dass Apotheker Freiberufler und zugleich Gewerbetreibende sind, die in einem gewollten Wettbewerb stehen. Eine Regelung zum Einkauf von Arznei- und Hilfsmitteln sei daher problematisch, denn das sei normaler Wettbewerb. Zudem sei das Handeln der Apotheker dabei immer gewerbsmäßig, was bei einer unzulässigen Vereinbarung strafverschärfend wirke. Bei Mengenstaffeln für Rabatte, bevorzugter Warenpräsentation in Apotheken und Kick-back-Zahlungen stelle sich die Frage, wo künftig die Grenze der Zulässigkeit liege. Dies werde wohl erst die Rechtsprechung zeigen. Daher müsse die Politik die Anwendung des neuen Gesetzes begleiten, forderte Tisch. Zudem beklagte Tisch, dass die heilberufliche Unabhängigkeit nicht definiert sei.

Mut zur Zukunft

Nach Einschätzung von Noah Krüger von der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main hat sich in manchen Bereichen des Gesundheitswesen korruptes Verhalten als Regelfall etabliert. Dort werde das Strafrecht künftig ganz andere Sanktionen ermöglichen. Krüger mahnte: „Nehmen Sie es ernst.“ Der Verweis auf unterschiedliche landesspezifische Regeln ist für Krüger kein Problem. Das sei eine gewollte Konsequenz aus dem Föderalismus und den Gestaltungsmöglichkeiten freier Berufe. Seines Erachtens sei die neue Norm gut anwendbar.

Nachdem Krügers Position zu Unruhe und Besorgnis unter den anwesenden Heilberuflern geführt hatte, sorgte der letzte Referent mit seinem Blick aus der Politik für Beschwichtigung. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Stritzl erklärte, die Politik wolle mit dem neuen Gesetz nicht alles regeln. „Es geht nicht um Massenverfahren“, so Stritzl. Er forderte, „Mut zur Zukunft“ zu zeigen.


Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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