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Über das mögliche Ausmaß von Retaxationen wird demnächst die Schiedsstelle entscheiden. Doch was muss dabei vorausgesetzt werden und was ist dort verhandelbar? Professor Dr. Hilko J. Meyer analysierte den rechtlichen Rahmen – und zeigte Lösungen auf.
Bei der Mitgliederversammlung des Hamburger Apothekervereins am Mittwoch beschrieb Professor Hilko J. Meyer, Direktor des wissenschaftlichen Zentrums für Gesundheitswirtschaft und -recht an der Fachhochschule Frankfurt am Main, den rechtlichen Rahmen für das bevorstehende Schiedsverfahren. Dazu betrachtete er zunächst die Beziehung zwischen Apotheken und gesetzlichen Krankenkassen und konstatierte einen grundlegenden Wandel in der rechtlichen Bewertung dieser Beziehung. Früher sei diese zivilrechtlich geprägt gewesen. Durch § 69 SGB V sei daraus eine öffentlich-rechtliche Beziehung geworden, bei der jedoch das Zivilrecht gelte, soweit keine Regelung dagegen stehe.
Interpretation des Bundessozialgerichts
Doch das Bundessozialgericht sei darüber inzwischen
weit hinausgegangen. Es sehe nur noch die Erfüllung einer
öffentlich-rechtlichen Verpflichtung, die mit hoheitlichen Mitteln
durchgesetzt werde, also „möglichst schmerzhaft“, so Meyer. Einen
Zahlungsanspruch hätten die Apotheken demnach nur aus dem Sozialrecht.
Das Prinzip von Verträgen auf gleicher Höhe gelte dort nicht mehr. Der
Grundsatz von Treu und Glauben, das Prinzip von Leistung und
Gegenleistung und den Ausgleich von Interessen gebe es bei dieser
Sichtweise nicht mehr. Dies sei eine enorme Verschiebung der
Verhältnisse und damit stehe das Bundessozialgericht völlig konträr zu
anderen Betrachtungen, folgerte Meyer. Apotheker würden behandelt, als
hätten sie keine Beziehung zu den Patienten mehr, sie sollten aber als
Freiberufler für ihre Arbeit an den Patienten haften.
Rahmen für die Verhandlungen
Doch Verhandlungen müssten auf gleicher Ebene stattfinden, forderte Meyer. Dabei könnten die Risiken nicht einseitig von den Apotheken getragen werden. Maßnahmen müssten jeweils angemessen sein. Denn dies sei auch die Idee hinter der gesetzlichen Überforderungsforderungsklausel, die die Vertragspartner verpflichtet, die Retaxationen zu regeln.
Für die Verhandlungen vor der Schiedsstelle
müsse nun der Verhandlungsrahmen geklärt werden. Dazu erklärte Meyer,
die Parteien seien nur an die gesetzlichen Vorschriften gebunden, nicht
jedoch an diverse Entscheidungen des Bundessozialgerichts. Denn der
Gesetzgeber habe mit der Überforderungsklausel und seinem
Regelungsauftrag neues Recht geschaffen. Außerdem würden viele
Entscheidungen des Bundessozialgerichts auf Verträgen beruhen. Doch
Verträge könnten geändert werden. Auch Nullretaxationen
würden auf Verträgen beruhen, aber die Vertragspartner könnten andere
Regelungen treffen. Die deutlich günstigeren Regelungen für die Ärzte
würden zeigen, dass auch solche Vereinbarungen mit dem SGB V vereinbar
seien.
Mögliche Lösung
Zu Verhandlungen gehöre, Angebote für neue Regelungen zu machen, erklärte Meyer und regte an, die Apotheker könnten schwächere Sanktionen anstelle von Nullretaxationen anbieten. Dazu verwies Meyer auf die frühere Regelung, bei Verstößen gegen die Aut-idem-Regel die Differenz zu retaxieren. Ein sehr guter Ansatz sei die Regelung aus dem Hamburger Primärkassenvertrag, nach der die Krankenkasse eine Leistung der Apotheke bezahlen müsse, wenn sie durch diese Leistung ihrer Leistungsverpflichtung gegenüber dem Patienten frei werde.
Dazu erklärte Dr. Jörn Graue, Vorsitzender des Hamburger Apothekervereins, der Deutsche Apothekerverband werde vor der Schiedsstelle mit der Hamburger Regelung argumentieren. Demnach sollten Retaxationen auf den Ersatz wirtschaftlicher Nachteile der Kostenträger beschränkt werden. Außerdem betonte Graue den Hinweis von Meyer, Vertragspartner könnten alles regeln. Dies hätten sie in Hamburg getan.
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