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KOSSENDEYS GEGENGEWICHT
Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie bloß nicht Ihren Apotheker!
Es sind einzig Ärzte, die in einem neuen Modellprojekt Medikationsfehlern erfassen sollen. Apotheker sind nicht beteiligt. Protest etwa seitens der ABDA gibt es leider nicht, sagt Ann-Katrin Kossendey-Koch. Doch die Angst der Apotheker, sich unbeliebt zu machen, verhindert den Fortschritt.
In einem Modellprojekt der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzte (AkdÄ) sollen Ärzte zukünftig Medikationsfehler systematisch erfassen. An sich ein vernünftiges Projekt, da nur eine Verbesserung des Systems gelingen kann, wenn man weiß, wo es krankt. Die Ärzte sollen dokumentieren, wo der Medikationsfehler auftrat. Beim Arzt, in der Apotheke oder beim Patienten.
Und da wundert es doch sicherlich nicht nur mich, dass allein die Ärzte an diesem Modellprojekt beteiligt werden. Kann so eine neutrale Erfassung von Medikationsfehlern garantiert werden? Nein, natürlich nicht!
Jeden Tag werden wir mit fehlerhaft ausgefüllten Rezepten konfrontiert, und dies sind leider nicht nur Formfehler. Eine unserer Daseinsberechtigungen ist ganz klar das Vier-Augen-Prinzip der Kontrolle von ärztlichen Verordnungen. Nicht als besserwissender Pharmazeut, sondern eine gemeinsame optimale medikamentöse Versorgung der Patienten, zusammen mit dem Arzt. So weit die Theorie.
In der Praxis kennt jeder Apotheker Ärzte, die alles, aber nur keinen Fehler zugeben würden und eher dem Patienten erzählen, die Apotheke habe mal wieder falsch geliefert, anstatt erst in der eigenen Praxis auf Fehlersuche zu gehen. Werden in solchen Praxen ehrliche Angaben zur Quelle des Medikationsfehlers gemacht? Wohl kaum.
Selbstverständlich passieren uns in der Apotheke genauso Fehler, das ist menschlich. Wichtig ist, wie mit einem Fehler verfahren wird. Und das Übernehmen der Verantwortung. Ein System, das sich nur einseitig selbst kontrolliert, ist anfällig für Manipulation. Es sei denn, es handelt sich um die Revision in der Apotheke. Da überprüfen sich Kollegen gegenseitig und wachen mit Argusaugen darüber, dass auch jeder noch so sinnlose Gesetzestext möglichst penibel umgesetzt wird.
Ich habe noch nie verstanden, warum es Arztpraxen gibt, in denen Hunde und Katzen durch das Behandlungszimmer tollen dürfen, aber bei uns offene Türen schon einen Hygienemangel bedeuten können.
Die ABDA ist bestimmt heilfroh, dass wir Apotheker bei dem Modellprojekt zur Erfassung von Medikationsfehlern nicht dabei sind. Friedemann Schmidt hat ja mehrfach wiederholt geäußert, dass man auf gar keinen Fall die Ärzte brüskieren möchte, indem der Verdacht entstehen könnte, wir würden die Götter in Weiß kontrollieren. Tun wir aber, jeden Tag und zig Mal!
Der DAK den Kampf angesagt
Und als Offizin-Apotheke entdecken wir auch falsche Verordnungen, weil wir unsere Patienten kennen und uns ihre Medikation bekannt ist. Ein ganz klarer Vorteil gegenüber der Internet-Apotheke, die das Rezept oftmals nicht in dem Kontext betrachten, wie wir vor Ort. Aber wichtiger als unsere Qualifikationen ist natürlich ein standesgemäßes Gebuckel vor dem Arzt. Wenn eine ehrliche Dokumentation der Medikationsfehler vorliegen würde, wäre der Bevölkerung und damit auch der Politik schlagartig klar, welche wichtige Aufgabe wir im Gesundheitssystem haben. Eine ideale Grundlage für weitere Honorarforderungen.
Unser Kollege Johannes Wilmers aus Nordrhein-Westfalen hat der DAK den Kampf angesagt. Eine intelligente Antwort auf den Retax-Wahnsinn der Krankenkasse. Er legt seinen Patienten das Procedere des Wunscharzneimittels ans Herz und macht der DAK so einen Haufen Mehrarbeit. Auch hier wieder eine gelungene Demonstration, welche Macht wir als Apotheker hätten, wenn wir sie nutzen würden, indem wir solche Ideen mit vielen Kollegen gemeinsam umsetzen würden.
Koordiniert von einer mutigen Standesvertretung und kommuniziert von einem eloquenten Pressesprecher. Aber stattdessen werden sofort Stimmen laut, dass so der Protest auf dem Rücken der Patienten ausgetragen werde.
Auch hier wieder die Angst erkennbar, sich unbeliebt zu machen.
Aber ist nicht genau das das Hauptproblem unseres Berufsstandes? Das mangelnde berufliche Selbstbewusstsein des Apothekers? Wer sich nur anpasst, hat kein Profil. Wer allen gefallen will, gefällt sich am Schluss selbst nicht mehr und ist unzufrieden. Unzufrieden, dass keiner die vielfältigen Leistungen der Apotheker selbst erkennt und würdigt, dass die Politik uns absichtlich übersieht, dass wir zum Goldesel der Krankenkassen degradiert werden - und dass wir ohnmächtig die Entwicklungen im Gesundheitssystem nur beobachten, anstatt aktiv die Zukunft zu gestalten.
Es liegt einzig und allein an uns, wie uns die Politik in den nächsten Jahren wahrnehmen wird. An der einen oder anderen Stelle bringt uns ein klares Nein definitiv weiter als ewige falsche Rücksichtnahme, nur um niemandem auf die Füße zu treten. Um weiter erfolgreich zu sein, ist es wichtig, innovative Ideen zu entwickeln und gemeinsam umzusetzen. Nicht grollen und aus Angst vor Veränderungen immer das kleinere Übel wählen, sondern mit Vertrauen in die eigene Qualifikation unsere Leistungen klar kommunizieren. So ein Apotheker 2.0, das wäre doch mal ein Ziel für 2016!
14 Kommentare
Kassendeys Gegengewicht
von Regina Wahl am 17.01.2016 um 21:58 Uhr
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Guter Kommentar!
von Sven Larisch am 14.01.2016 um 11:09 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Lasst uns die Berichtsbögen der AKdÄ nutzen!
von R. Konrads am 14.01.2016 um 8:21 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Lasst uns die Berichtsbögen der AKdÄ nutzen!
von R. Konrads am 14.01.2016 um 8:15 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Gute Idee...
von Ann-Katrin Kossendey-Koch am 14.01.2016 um 9:07 Uhr
Jeder Fehler zählt!
von Kerstin Kemmritz am 14.01.2016 um 7:41 Uhr
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Wir füttern
von Dr. C. Klotz am 13.01.2016 um 19:52 Uhr
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Die Kollegin Kossendey-Koch spricht mir aus der Seele
von Hummelmann am 13.01.2016 um 19:11 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten
AW: Keine Angst...
von Ann-Katrin Kossendey-Koch am 14.01.2016 um 9:12 Uhr
AW: Ihr Kommentar
von Schmidl Peter am 20.01.2016 um 19:00 Uhr
Ann - KK-K
von Heiko Barz am 13.01.2016 um 18:45 Uhr
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AW: Ich lach mit!
von Ann-Katrin Kossendey-Koch am 14.01.2016 um 9:17 Uhr
Ann-Katrin Kossendey-Koch for Präsident!
von AH am 13.01.2016 um 18:30 Uhr
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AW: Vielen Dank...
von Ann-Katrin Kossendey-Koch am 14.01.2016 um 9:21 Uhr
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