Konsumcannabis-Wissenschafts-Zuständigkeitsverordnung

Cannabis-Modellregionen fehlt die Rechtsgrundlage

Berlin - 01.11.2024, 16:05 Uhr

Ein Fachgeschäft zur Abgabe von Genusscannabis in der Schweiz. Auch in Deutschland will man diese Form der Cannabisabgabe ausprobieren. (Foto: IMAGO/Pond5 Images)

Ein Fachgeschäft zur Abgabe von Genusscannabis in der Schweiz. Auch in Deutschland will man diese Form der Cannabisabgabe ausprobieren. (Foto: IMAGO/Pond5 Images)


In den letzten Tagen erregten die Ankündigungen der Städte Frankfurt am Main und Hannover breite mediale Aufmerksamkeit. Beide Städte bewerben sich für Modellprojekte zur Cannabisabgabe in Fachgeschäften. In den Berichten klingt es so, als wären diese bereits beschlossene Sache. Jedoch fehlen bisher die rechtlichen Grundlagen für die Umsetzung.

In den deutschen Medien wird aktuell viel über die geplanten Cannabis-Modellregionen berichtet. Anlass dafür waren die jüngsten Absichtserklärungen der Städte Frankfurt am Main und Hannover, in Fachgeschäften Cannabis für Genusszwecke abzugeben. Frankfurts Sozial- und Gesundheitsdezernentin Elke Voitl (Grüne) sieht darin Potenzial, um Verbraucher*innen zu schützen, die Justiz zu entlasten und den illegalen Drogenhandel einzudämmen, sagte sie gegenüber dem Nachrichtenportal welt.de. Unter wissenschaftlicher Begleitung sollen registrierte Kund*innen über einen Zeitraum von fünf Jahren in vier Geschäften Cannabis erwerben können. Dafür müssen sie volljährig und in Frankfurt wohnhaft sein, heißt es. Wissenschaftlich begleitet werden soll das Projekt durch den Suchttherapieexperten Heino Stöver.

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Auch in Hannover sind drei Verkaufsstellen und die Teilnahme von 4000 Menschen geplant. Diese werden im Rahmen einer Studie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) wissenschaftlich begleitet. Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) sagte an diesem Mittwoch gegenüber der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung, dass damit ein neuer Weg der Drogenpolitik beschritten werde. Wie in Frankfurt soll das Modellprojekt fünf Jahre dauern.

Versorgung durch Sanity Group

Die Sanity Group soll zukünftig maßgeblich für die Umsetzung des Projekts in Frankfurt verantwortlich sein. Das Unternehmen ist einer der führenden Produzenten von Medizinalcannabis in Europa. Santiy soll auch in Hannover die Versorgung mit Cannabis für Genusskonsumenten sicherstellen. Das Angebot werde sich qualitativ nicht von Medizinalcannabis unterscheiden, teilte das Unternehmen mit. Die Preise für das abgegebene Cannabis sollen sich am Schwarzmarkt orientieren – ein Richtwert von 10 Euro pro Gramm Cannabis-Blüten wird angesetzt – und nach THC-Gehalt gestaffelt werden. Aus den Erlösen winken satte Steuereinnahmen für die städtischen Haushalte, daraus sollen unter anderem Projekte zur Suchtprävention gefördert werden. „Wir übernehmen den operativen Bereich, sind also für die Supply Chain der Produkte und das Verkaufsstellenkonzept bzw. den Betrieb der Verkaufsstellen verantwortlich“, teilte das Unternehmen der DAZ mit.

Zeitgleich zur Bekanntgabe der Bewerbungen Frankfurts und Hannovers veröffentlichte Sanity an diesem Donnerstag eine Studie über die Verunreinigungen von Cannabis, das über den Schwarzmarkt bezogen wurde. Das Unternehmen hatte mehr als 300 Cannabis-Proben aus 30 deutschen Städten analysiert, die ihnen von Nutzer*innen zugeschickt wurden. 65 Prozent davon waren demnach mit Fäkalienspuren kontaminiert, mehr als 70 Prozent seien mit Haarspray gestreckt worden. Zudem wurden Spuren von Kokain, MDMA und Methamphetamin nachgewiesen. „Das untermauert erneut die Dringlichkeit von Modellregionen zum wissenschaftlich begleiteten Verkauf von Cannabis über lizenzierte Fachgeschäfte“, sagte der Gründer und Geschäftsführer der Sanity Group Finn Hänsel.

Verkauf in Apotheken oder Fachgeschäften

Auch Wiesbaden hat sich dafür beworben, Modellregion zu werden. Bereits im August hatte die städtische Gesundheitsdezernentin Milena Löbcke (Linke) eine entsprechende Absichtsklärung unterzeichnet. Im Unterschied zu Frankfurt und Hannover will man hier die Abgabe von Genusscannabis in insgesamt 15 Apotheken erproben. Auch der Bezirk Pankow in Berlin hat sich im September beworben, Modellregion zu werden, weitere deutsche Städte haben Interesse daran bekundet.

In Hannover und Frankfurt sollen die Projekte bereits im ersten Halbjahr 2025 starten, geht es nach dem Wunsch der Initiatoren. Doch dafür ist noch die Zustimmung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) erforderlich – in Hannover zudem die Zustimmung der Ethikkommission der MHH. Die Verantwortlichen der Städte zeigten sich zuversichtlich, dass diese Hürden bald genommen werden. In Wiesbaden geht man davon aus, dass die Regionen zeitnah und im Rahmen der bestehenden Gesetze umgesetzt werden können.

Fehlende rechtliche Grundlagen

Tatsächlich dürfte es nicht ganz so einfach und vor allem schnell gehen mit der Umsetzung. Nicht zuletzt deshalb, weil es bisher keine rechtliche Grundlage für die Modellregionen gibt. Zwar waren diese am Anfang Teil der Pläne des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) zur Cannabis-Teillegalisierung. Mit dem im April in Kraft getretenen Genusscannabisgesetz wurde jedoch nur die sogenannte erste Säule der Cannabisabgabe – über Anbauvereinigungen – geregelt. Für die ursprünglich geplante zweite Säule – der Abgabe in lizenzierten Fachgeschäften und Apotheken – bedarf es also einer gesonderten gesetzlichen Grundlage. Auf Anfrage der DAZ hatte das BMG im September mitgeteilt, dass man sich derzeit noch im Stadium der „Vorbereitungsarbeiten“ für die Schaffung der Modellregionen befinde. Allerdings gebe es noch EU-rechtliche Hürden, teilte das Ministerium mit. Sanity teilte auf Anfrage der DAZ mit, dass man nicht erwartet, dass die zweite Säule des Cannabisgesetzes, wie ursprünglich geplant, innerhalb dieser Legislaturperiode noch als Gesetzentwurf kommt.

Stattdessen soll die Umsetzung wissenschaftlich begleiteter Modellprojekte durch die Konsumcannabis-Wissenschafts-Zuständigkeitsverordnung (KCanWV) ermöglicht werden. Sanity verweist auf einen Entwurf des BMEL vom April. Diese Verordnung ist jedoch noch nicht erlassen. Ein Eintrag bei der Ethikkommission des MHH sei eingereicht und in Bearbeitung, heißt es. Außerdem müsse das BMEL noch festlegen, welche Behörde zuständig für die Antragsbearbeitung ist. Aktuell gehe man davon aus, dass diese Verantwortung in die Hände der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) gelegt werde. Vorher könnten keine Anträge eingereicht werden.

„Mit Lauterbach wird es keine zweite Säule geben“

Zudem gibt es auch politischen Widerstand gegenüber den Vorhaben. Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) hatte sich im September mit einem Appell an die Bundesregierung gewandt, die Pläne zu den Modellregionen endgültig über Bord zu werfen. Ihrer Ansicht nach ist die Schaffung „kommerzieller Strukturen im Umgang mit Cannabis mit dem Europa- und Völkerrecht eindeutig nicht vereinbar.“ Dies habe ein Rechtsgutachten bestätigt, das von der bayerischen Regierung in Auftrag gegeben wurde. Nach ihrer Darstellung sind die Pläne innerhalb der Bundesregierung auf Eis gelegt, vor allem innerhalb der SPD gebe es Widerstände dagegen, so die Ministerin. 

Das sieht auch Sanity so. Das Cannabis-Unternehmen hält die ursprünglichen Pläne zur zweiten Säule für gescheitert. Deshalb habe man sich auf die Umsetzung der Modellregionen über die noch vom BMEL zu erlassende KCanWV fokussiert. Dadurch wäre auch keine Zustimmung seitens der EU erforderlich, heißt es.

Der zuständige wissenschaftliche Betreuer des geplanten Modellprojekts in Frankfurt, Heino Stöver, sagte der DAZ, dass die ursprünglichen Pläne zur zweiten Säule tatsächlich ad acta gelegt wurden: „Mit Lauterbach wird es keine zweite Säule geben.“ Deshalb hoffe man, dass zeitnah die geplante Verordnung des BMEL erlassen wird. Stöver habe deshalb auch schon Cem Özdemir geschrieben – doch dieser sei gerade mit anderen Themen beschäftigt, vermutet der Suchtforscher.


Michael Zantke, Redakteur, DAZ
redaktion@daz.online


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3 Kommentare

Cannabis Modelregionen

von Gregor Nelles am 14.11.2024 um 8:58 Uhr

Es ist mir völlig unverständlich, warum sich Mitarbeiter und Angestellte von Städten wie Frankfurt, Hannover, Hamburg, Wiesbaden mit einer Sache beschäftigen, die durch das aus der Ampel Regierung überhaupt nicht mehr umgesetzt werden wird. Es ist sogar möglich, dass eine neue Regierung Teile des Lauterbach Gesetzes zurückdrehen wird. In dem Artikel ist alles mit einem Satz gesagt: Pläne zu den Modellregionen endgültig über Bord zu werfen. Ihrer Ansicht nach ist die Schaffung „kommerzieller Strukturen im Umgang mit Cannabis mit dem Europa- und Völkerrecht eindeutig nicht vereinbar.
Daher ist es Steuerverschwendung, wenn sich Mitarbeiter von Verwaltungen und Städten und Gemeinden mit solchen Ideen in irgendeiner Art weiter beschäftigen. Stattdessen sollten Sie die vorhandenen Apotheken wirtschaftlich so ausgestalten, dass eine Arzneimittelversorgung der Bevölkerung ordnungsgemäß weiterhin geschehen kann. Hier mangelt es vor allen Dingen und hier ist unbedingte Handlungsbedarf erforderlich.
Mit freundlichen Grüßen Gregor Nelles

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Ein weiterer Kalauer von Karl und Konsortien.

von ratatosk am 06.11.2024 um 16:46 Uhr

Daß Karl unfähig ist ein Gesetz zu machen, das auch nur teilweise funktioniert, hat sich hier wieder mal gezeigt.
Erstaunlich aber auch die städtische Inkompetenz, wenn es an den einfachsten Fähigkeiten fehlt, solche Dinge zu beurteilen. Aber offensichtlich war hier der Wunsch mal irgendwas zu machen stärker als einfach handwerklich korrekte Arbeit. Bitter daß sonst die Verwaltungen ja jeden verordneten Blödsinn bis aufs Jota durchsetzen, bei eigenen Projekten aber irgendwas mal anleiern.
Durch seinen dümmlichen Haß auf Apotheken hat er aber auch die Möglichkeit verspielt, eine breite fundierte Versorgung schnell zu implementieren.
Ich muß mich leider wiederholen, Karl kann es eben nicht.
Aber dafür war er ja in Harvard !

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"Coole Zeitung"

von Uwe-Christian Kunstreich am 01.11.2024 um 17:52 Uhr

Muss ich sagen...kurzer knapper und sachlicher Artikel.
Zu dieser Thematik Kiff und dessen Legalisierung durchblicken zu können. Prima.

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