Minusrekorde 2015

Warum Apotheken schließen müssen

Stuttgart - 15.01.2016, 19:30 Uhr

Stehen im Regen: Es gibt viele Gründe, warum Apotheker ihr Geschäft nicht mehr weiterführen können. (Foto: Tirek / Fotolia)

Stehen im Regen: Es gibt viele Gründe, warum Apotheker ihr Geschäft nicht mehr weiterführen können. (Foto: Tirek / Fotolia)


Jede vierte Apotheke befindet sich laut ABDA in wirtschaftlicher Schieflage. Jeder dritte Apotheker geht in den kommenden fünf Jahren in Rente. Auf dem Land brechen so die einzigen Versorger in großen Gebieten weg, in den Städten ist die Konkurrenz sehr stark.

„Es ist schade, aber es ging nicht mehr anders“, sagt Veronika Behr, die Inhaberin der Adler-Apotheke im oberbayerischen Holzkirchen im Landkreis Miesbach. Geschlossen hat sie zum 30. Dezember. Schuld seien die wachsende Konkurrenz mit nun sechs Apotheken in dem 16000-Einwohner Ort, eine Baustelle fast vor der Tür, die über zwei Jahre lang für weniger Parkplätze sorgte, und nur ein Arzt in der näheren Umgebung. Das alles hätte das Überleben der Apotheke unmöglich gemacht, sagt Behr. „Das hat einfach nicht mehr funktioniert“, sagt sie. 

Vor allem Apotheken auf dem Land haben es schwer

Die Apothekerin, die seit 2008 Leiterin der Apotheke in Holzkirchen war, wird zukünftig als Angestellte in einer anderen Apotheke weitermachen. Nach einer ersten Insolvenz im Jahr 2011 hatten Behr und ihr Team noch einmal vier Jahre lang um die Traditionsapotheke gekämpft, in der die Apothekerin schon ihr erstes Praktikum gemacht hatte, - doch vergeblich. Einen Käufer für die Adler-Apotheke fand Behr insbesondere durch die schlechten Umsatzzahlen nicht. Behr ist nicht die einzige, die mit schwachen Umsätzen zu kämpfen hat. „Besonders die kleineren Landapotheken haben es schwer“, resümiert sie.

Bereits Anfang 2015 hatte ABDA-Präsident Friedemann Schmidt (http://www.abda.de/ ) erklärt, dass sich rund ein Viertel der Apotheken in einer „betriebswirtschaftlich schwierigen Situation“ befände. Umsatzeinbrüche und Ärzteschwund vor allen auf dem Land verschärften die Situation.

Deutliche Auswirkungen hat auch der Nachwuchsmangel

Bis zum Jahr 2020 ist nach Schätzung des ABDA jeder dritte deutsche Apothekenbesitzer im Rentenalter. „Besonders die Apotheken auf dem Land haben es schwer, Nachfolger zu finden“, sagt ABDA-Sprecherin Ursula Sellerberg. Die jungen Leute zöge es immer mehr in die Städte, so dass die Nachfolger mit der entsprechenden Qualifikation dort fehlen würden. Dazu kommen die vergleichsweise geringen jährlichen Absolventenzahlen im Studienfach Pharmazie.

So fürchtet etwa die Thüringer Apothekerkammer, dass rund jede zehnte Apotheke in dem Bundesland in den kommenden Jahren schließen könnte. Mit nur 60 fertigen Pharmazeuten jährlich, die an der Uni Jena als einzige in dem Bundesland ihren Abschluss machten, könne der Bedarf nicht gedeckt werden, erklärte jetzt Lutz Gebert, Sprecher der Thüringer Apothekerkammer, gegenüber der Thüringer Allgemeinen.

In ganz Deutschland waren im Wintersemester 2014/15 nach Angaben des statistischen Bundesamtes insgesamt 15.268 Studenten im Studienfach Pharmazie eingeschrieben.

Häufig stirbt die einzige Apotheke im Ort

Das Problem betrifft damit dann auch Apotheken, denen es wirtschaftlich eigentlich gut geht, weil sie etwa die einzigen in kleineren Orten auf dem Land sind. Wie etwa im 1075 Einwohner-Ort Herzhorn im Kreis Steinburg in Schleswig-Holstein, wo die einzige Apotheke im Ort, die Rhin-Apotheke, Ende Februar endgültig ihre Türen schließt.

Die Inhaberin Ingrid Janus geht in den Ruhestand – einen Nachfolger gibt es nicht. Seit vier Jahren hatte sie sich vergeblich bemüht, jemanden zu finden, der nach ihr das Geschäft weiterführt. Dabei hat die Apotheke rund 100 Kunden täglich, sagt Janus, und liege zentral im Ort.

Während in den dünner besiedelten Gebieten auf dem Land so zum Teil die einzigen Apotheken in einem größeren Umkreis wegbrechen, gibt es eine Konzentration in den Städten. Dort kommen häufig alle Probleme zusammen. Der Wettbewerb untereinander sei hart, und viele bürokratische Hürden erschwerten das Geschäft.

Zu den Problemen, die viele Apotheker in Nöte treiben, gehört dabei die Praxis der Nullretaxationen durch die Krankenkassen. Ein Beispiel für ein solches Zusammentreffen wirtschaftlicher und Nachfolge-Probleme ist etwa die Central-Apotheke in Heilbronn. Ende Dezember hat Apotheker Arnulf Mayer (75) dort die Türen für immer abgeschlossen. Für seine Apotheke fand Mayer keinen Nachfolger – die Umsätze seines zwar in der Fußgängerzone gelegenen, aber vergleichsweise kleinen Ladens waren für die Bewerber einfach zu gering. 

Die Zahl der Apotheken sinkt stetig weiter

Insgesamt führen wirtschaftliche und demografische Probleme so zu weiter sinkenden Zahlen der Apotheken in Deutschland. 20.296 Apotheken gab es laut ABDA Ende September im gesamten Land, 145 weniger als zum Ende des Jahres 2014, Tendenz sinkend.

Mit den aktuellen Apotheken-Zahlen, die die ABDA quartalsweise erhebt, war bereits Ende September mit 20296 ein Minusrekord seit dem Jahr 1992 mit damals 20350 Apotheken erreicht. Für das Gesamtjahr 2015 werden noch schlechtere Zahlen erwartet. 


Volker Budinger, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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11 Kommentare

Apothekenzukunft und Skaleneffekte

von Uwe Hansmann am 16.01.2016 um 17:40 Uhr

Der vorangegangene Kommentar trifft den Nagel auf den Kopf:
"Das Problem sind ja nicht die "Köpfe", die zu Approbierten gehören/gehören werden, sondern die damit verbundenen tatsächlichen und künftigen Arbeitszeiten.
Stichworte: Frauen/Familie/work-life-balance
Das wird von der heutigen und künftigen Generation ganz anders gewichtet, als von der vorigen oder vorvorigen..."

Da wird die ABDA schlichtweg gar nichts dran ändern können. Im Gegenteil: Durch die ausufernde ABDA-Politik des "Draufsattelns for nothing" wird der Frust bei den approbierten Mitarbeitern, die sich engagiert fortgebildet haben, die aber das in der z.B. ATHINA-Fortbildung erworbene Wissen aufgrund überbordender Abgabebürokratie nicht anwenden können, nur noch größer.

Das Problem sind in der Tat nicht die "Köpfe", die zu Approbierten gehören. Die Apothekenmitarbeiter sind in der Regel hoch motiviert - gerade was Fort- und Weiterbildung angeht und viele Chefs unterstützen sie hierin nicht unerheblich, weil sie sich davon Qualitätssteigerung versprechen.

Das Problem ist das nicht auskömmliche Honorar, das seit 2004 auf nahezu gleichem, niedrigem Stand bei gestiegenen Kosten verharrt und durch die Retaxspiele der Krankenkassen zusätzlich gefährdet wird.

Wenn die wirtschaftliche Basis fehlt, kann es in Zukunft nicht besser werden.

Bei den derzeitigen Strukturen und im Angesicht der bevorstehenden Wahljahre in dieser unserer Republik ist absehbar, wo die Reise hingehen wird.

"Skaleneffekte heben" - das werden sich Politk und Kassen noch mehr - als sie es ohnehin schon mit der repressiven Rabattvertragspolitik tun - auf die Fahnen schreiben.

Viele Ländern rund um uns herum machen es vor und das Rad wird diesbezüglich sicher nicht mehr gegen den Uhrzeigersinn zurückgedreht.

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"Vor allem Apotheken auf dem Land haben es schwer"

von Tilman Hecht am 15.01.2016 um 14:42 Uhr

Das wird gerne so postuliert, stimmt aber nur zum Teil.
Wenn der Arztsitz gesichert sein sollte, ist eine Landapotheke durchaus überlebensfähig.
Dagegen gibt es Situationen in Innenstädten, oder auch Centern, wo man sich fragt, wie die Apotheke, bei den in solchen Lagen anfallenden Kosten und Konkurrenzsituationen, das Überleben sichern will.
Mit dem geringen Rezeptanteil und den Sonderpreisen für OTC.

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AW: Hm

von Peter am 15.01.2016 um 16:34 Uhr

Naja, das besorgen Makler mittlerweile mit Versprechen dem Platzhirsch Umsatzanteile wegzunehmen, dafür findet man wie es scheint genug Dumme auch noch in unseren Reihen. Das Tragische ist leider nur, dass zumeist im Umkreis von Platzhirschen andere Apotheken ihr garantiert unplatzhirschiges Dasein fristen und irgendwie nix abbekommen, aber ein guter Makler oder Vermieter weiss wie man davon ablenkt ;)

Nachwuchsmangel???

von Holger Hennig am 15.01.2016 um 8:44 Uhr

Hm, 15.000 eingeschriebene Studenten und gut 50.000 Approbierte in Deutschland? Selbst wenn ich mal davon ausgehe, dass von den 15.000 Studenten nur 10.000 die Approbation erreichen und dafür 5 Jahre brauchen werden, kann ich also alle 25 Jahre den gesamten Berufsstand "durchwechseln". Sorry, aber ein Nachwuchsproblem sehe ich da nicht!

Dass die Zahl der Apotheken zurückgeht, mag ja sein. Aber das ist doch eine Entwicklung, die wir in vielen Branchen erleben, ohne dass deswegen der Untergang unserer abendländischen Kultur unmittelbar bevorsteht? Außerhalb der Boomregionen erlebe ich durchaus viele Innenstädte, in denen ein nicht unerheblicher Ladenlokale leer steht.
Wenn wir die Aufrechterhaltung der flächendeckenden Versorgung in den Vordergrund stellen wollten, was einem Heilberuf gewiss gut zu Gesicht stünde, sähe ich uns in der Verpflichtung, selbst für die entsprechenden Rahmenbedingungen zu sorgen! Der Ruf nach mehr Geld für alle ist dabei natürlich wohlfeil, wird aber wohl kaum auf adäquates Gehör bei Politik und Kostenträgern treffen, denn wo soll dieses Geld herkommen? Aber wir können doch selber dazu beitragen, dass DIE Leistungen, die in der kleinen Landapotheke in (relativ) deutlich höherem Maße angeboten werden als in der Top-City-Lage, höher honoriert werden als die reine "Verkaufe" neben der Bushaltestelle? Aber das würde natürlich bedeuten, dass es auch Selbständige geben müsste, die den Primat des Heilberuflers über den Kaufmann so weit mittragen, dass sie "was abgeben". Spätestens da sehe ich aber selbst gemachte düstere Wolken am pharmazeutischen Horizont sich auftürmen.

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AW: Nachwuchsmangel

von Potzblitz am 15.01.2016 um 12:30 Uhr

Das Problem sind ja nicht die "Köpfe", die zu Approbierten gehören/gehören werden, sondern die damit verbundenen tatsächlichen und künftigen Arbeitszeiten.
Stichworte: Frauen/Familie/work-life-balance
Das wird von der heutigen und künftigen Generation ganz anders gewichtet, als von der vorigen oder vorvorigen...

AW: Wohin gehen die Approbierten

von Erik Modrack am 15.01.2016 um 13:35 Uhr

Die Aussage, wie viele Approbierte im Jahr Ihr Studium beenden, wäre in der Tat aussagekräftiger. Das Hauptproblem ist jedoch, dass diese den Apotheken nicht zur Verfügung stehen:
der geringe Männeranteil geht auf Grund besserer Bezahlung, Arbeitsbedingungen und Berufsaussichten oft in die Industrie oder es besteht eine Apotheke in der Familie. Die Frauen bekommen irgendwann Kinder und möchten danach am liebsten von 9 bis 12 Uhr Teilzeit arbeiten - angestellte Vollzeitapotheker/innen oder Personen, die sich selbstständig machen möchten, bleiben da kaum übrig.
Das Hauptproblem ist die Unatrraktivität des Arbeitsplatzes Apotheke. Dabei ist nicht die eigentliche Tätigkeit eines Apotheker unattraktiv, sondern die Bezahlung, die Bürokratie, die Arbeitszeiten, der Notdienst etc. Hier ist anzusetzen, damit wieder mehr Menschen in der Apotheke arbeiten möchten!

Mehr desselben!

von Christian Giese am 14.01.2016 um 21:32 Uhr

Keinerlei ernsthafte standespolitische Verantwortung für einen nachhaltigen Berufsnachwuchs erkennbar.
Nur technokratisches leeres Gequatsche ohne einen Hauch von Empathie. Mehr desselben!

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Weiter so!

von Barbara Buschow am 14.01.2016 um 19:23 Uhr

Liebe ABDA, den zahlenmäßigen Niedergang unseres Berufsstandes beschreiben könnt ihr ja schon mal ganz gut.
Und was ist euer Plan?
Abwarten und Tee trinken aus der präsidialen Alfi Kanne?
Bis was?
Bis die flächendeckende Versorgung endgültig zusammengebrochen ist?
Glaubt ihr etwa, dann wird die "Politik" ohne dass ihr einen Finger krumm machen müsst eine angemessene Vergütung quasi anbieten, damit wir Nachfolger finden?
Dass die "Politik" die Krankenkassen dann in ihre Schranken weist, um uns Luft zum atmen zu lassen?
Dass der ganze Bürokratiezirkus dann auf ein vernünftiges Maß herabgeschraubt wird, so das wir wieder Spaß an unserem Beruf haben? ( - ach nee, dafür seid ihr ja verantwortlich gewesen!)
Ist das euer Plan??
Dann träumt mal schön weiter...
Nichts davon wird passieren. Stattdessen werden wir staatlich verordnet die "Apotheke light" bekommen, um die Versorgung in der Fläche einigermaßen zu gewährleisten und im schlimmsten Fall wird sich unser "Partner" Großhandel als weißer Ritter getarnt "opfern" und flächendeckende Apothekenketten anbieten - nach dem Fall des Fremd-und Mehrbesitzverbotes versteht sich.
Und falls ihr glaubt, das alles betrifft euch zumindest finanziell nicht, da ja alle Apotheken Zwangsmitglieder bei eurem Verein sein müssen ...

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Apotheken Schliessungen

von Alexander Zeitler am 14.01.2016 um 18:58 Uhr

Da kommt früher oder später ein Riesenproblem auf die Kammern und die Patienten zu. DER NOTDIENST, über dessen Sinnhaftigkeit man trefflich streiten könnte.

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AW: Das ist nicht das einzige Problem

von Thomas Luft am 14.01.2016 um 23:16 Uhr

Nicht nur der Notdienst wird dann auf der Kippe stehen. Auch die Finanzierung der Kammern und Verbände (und damit der ABDA)! Denn wenn es weniger Apotheken gibt, fehlen Beiträge. Das merken die Verbände heute schon durch die Filialisierung und auch die Kammern werden das deutlich zu spüren bekommen. Trotzdem hat man weder auf Kammer- noch auf ABDA-Seite erkannt, dass das ein riesiges Problem wird. Und auch viele Verbände haben das Thema nach meinem Gefühl nicht auf der Uhr. Aber das müssen diese Institutionen ja auch nicht, die können einfach die Beiträge erhöhen und dann geht es denen wieder gut. Immerhin kann man ja aus dem Verband austreten...

Also liebe Kolleginnen und Kollegen, freut euch auf die Beitragserhöhungen der nächsten Jahre!

AW: Sinnhaftigkeit Notdienst

von Tilman Hecht am 15.01.2016 um 17:01 Uhr

Bitte,bitte,bitte....wenn es auch (mir) manchmal schwerfällt...stellen sie niemals die Sinnhaftigkeit des 24Stunden365Tage-Apothekennotdienstes öffentlich in Frage.
Es ist das einzige Argument, für das wir in unserer Daseins- und Vergütungsberechtigung sofort ungeteilte Aufmerksamkeit der Politik, Medien und MitbürgerInnen erhalten.
Danach kommt, meiner Beobachtung nach, laaange nichts, und dann die Bürokratie- und Zeitfresser ARMIN MMS und zahlreiche, Qualität versprechende Zertifizierungen.

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