Klinische Studien

Transparenz bei Studiendaten soll Pflicht werden

Hamburg - 26.01.2016, 12:00 Uhr

In Zukunft bei einigen wissenschaftlichen Zeitschriften die Pflicht: Forscher sollen klinische Daten teilen. (Foto:  BillionPhotos.com / Fotolia)

In Zukunft bei einigen wissenschaftlichen Zeitschriften die Pflicht: Forscher sollen klinische Daten teilen. (Foto: BillionPhotos.com / Fotolia)


Ergebnisse vieler klinischer Studien werden bisher nicht veröffentlicht, wie mehrere Berichte in den letzten Jahren gezeigt haben. Nun wollen einige angesehene Fachzeitschriften Transparenz zum Normalfall machen - sie sehen es als ethische Verpflichtung gegenüber den Probanden.

Klinische Tests finden hinter verschlossenen Türen statt. Öffentlichkeit gibt es vor allem dann, wenn einmal ein größeres Unglück geschieht – so wie vor wenigen Tagen in Frankreich. Tieferen Einblick gewährten die Verantwortlichen aber auch in diesem Fall nicht: Sie hielten Informationen selbst dann noch zurück, als ein Proband verstorben war. Das Studienprotokoll, das die Zeitung Le Figaro veröffentlicht hat, brachte Genaueres ans Licht.

Mehr Transparenz bei der Durchführung klinischer Studien fordert nun das International Committee of Medical Journal Editors (ICMJE) ein. Das Komitee setzt sich aus den leitenden Redakteuren 16 medizinischer Fachzeitschriften zusammen. In Zukunft wollen diese bei einer Veröffentlichung klinischer Studien von den Autoren verlangen, mehr Daten offenzulegen. So kündigen es die ICMJE-Mitglieder in einem Editorial an, das in ihren Magazinen veröffentlicht wurde, unter anderem im New England Journal of Medicine (NEJM). Das Komitee sieht die Transparenz bei klinischen Daten als „ethische Verpflichtung‟, da die Probanden sich durch ihre Teilnahme an den Studien Risiken ausgesetzt haben.

Transparenz aller anonymisierter Daten

Konkret sollen Autoren sich verpflichten, sämtliche Patientendaten aus einer Studie in anonymisierter Form zugänglich zu machen. Dazu zählen auch Metadaten, Tabellen, Abbildungen und Anhänge oder ergänzendes Material. Geschehen soll das spätestens sechs Monate nach dem Erscheinen der Publikation. In einem Plan zum Teilen der Daten sollen Autoren zukünftig festlegen, auf welche Weise sie diese nach dem Erscheinen der Publikation zugänglich machen wollen. Wenn die Studie in einem Journal der ICMJE-Mitglieder veröffentlicht werden soll, muss eine Beschreibung eines solchen „data-sharing-plan‟ zusammen mit dem Manuskript eingereicht werden.

Indem sie Studien nur noch zu den neuen Konditionen veröffentlichen, wollen die Journal-Redakteure dazu beitragen, dass Daten verantwortlicher geteilt werden, heißt es in dem Editorial. Man wolle verhindern, dass im Hinblick auf ein erwünschtes Ergebnis selektiv ausgewertet und veröffentlicht wird. Außerdem soll die unnötige Dopplung von Forschung verhindert werden.

Anerkennung für die Forscher

Um die Rechte von Wissenschaftlern und Studien-Sponsoren zu schützen, schlägt das ICMJE einen weiteren Maßnahmenkatalog vor. So müssten Daten in keinem Fall vor dem Erscheinen einer Studie weitergegeben werden. Autoren, die mit von anderen erhobenen Daten arbeiten wollen, müssten sich an Bedingungen halten und die ursprüngliche Quelle nennen. In jedem Fall verdiene die Arbeit derer, die Studien durchführen und ihre Daten anschließend teilen, entsprechende Anerkennung, betont das Editorial. Es würden noch neue Modelle gesucht, wie man das beim Teilen der Daten sicherstellen könne.

Autoren, die sich nicht an die Verpflichtung halten, Patientendaten nach dem Abdruck einer Studie zu teilen, müssen in Zukunft mit Konsequenzen rechnen: Die ICMJE-Magazine könnten dann nachträglich Informationen anfordern, das Vorgehen in einem Beitrag kritisieren, oder die Veröffentlichung in bestimmten Fällen sogar zurückziehen.

Um anonymisierte Patientendaten austauschen zu können, müsse noch einiges vorbereitet und geplant werden, schreiben die ICMJE-Vertreter. Daher sollen die neuen Anforderungen nicht ab sofort gelten. Zunächst bitten die Editorial-Verfasser um Feedback zu ihren Plänen. Danach soll eine Neuregelung offiziell beschlossen werden. Gelten soll sie ein Jahr nach Inkrafttreten für alle Studien, die ab dann beginnen, Probanden aufzunehmen. 

Jeder Interessierte kann bis zum 18. April dieses Jahres unter www.icmje.org sein Feedback zu den Plänen abgeben. 


Irene Habich, Autorin DAZ.online
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

Hydroxychloroquin und ACE-Hemmer

COVID-19-Studien in Lancet und NEJM zurückgezogen

Zurückgezogene Publikationen erschüttern das Vertrauen in die Wissenschaft bis ins Mark

Das (Hydroxy-)Chloroquin-Beben

Nach Datenklau in den USA

Patientendaten billig abzugeben

IQWiG wünscht auch Informationen über ältere Arzneimittel

Mehr Daten bitte!

Cochrane-Review mit bislang unveröffentlichten Daten sieht wenig Nutzen

Tamiflu® und Relenza® - ein Skandal?

künstliche Intelligenz in der Diabetestherapie

„Alexa, wie viel Insulin soll ich spritzen?“

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.