Daniel Bahr und das deutsche Gesundheitssystem

Besser als ein „Cadillac-Plan“

München - 05.02.2016, 14:24 Uhr

Daniel Bahr auf großer Bühne: Der Ex-Gesundheitsminister glaubt an das deutsche Gesundheitssystem. PKV- oder GKV-System allein wären nicht von Vorteil. (Foto: dpa)

Daniel Bahr auf großer Bühne: Der Ex-Gesundheitsminister glaubt an das deutsche Gesundheitssystem. PKV- oder GKV-System allein wären nicht von Vorteil. (Foto: dpa)


Er ist wieder da: Daniel Bahr, Bundesminister für Gesundheit a.D., ist als Vertreter der Versicherungswirtschaft unterwegs. Auf dem Kooperationsgipfel des Bundesverbands Deutscher Apothekenkooperationen machte er sich Gedanken zur Krankenversicherung der Zukunft.

Für Bahr, der heute als Generalbevollmächtigter der Allianz PKV-AG arbeitet, besteht kein Zweifel: Das deutsche Gesundheitswesen ist eines der Besten - das berichtete er denn auch auf dem Kooperationsgipfel des Bundesverbands Deutscher Apothekenkooperationen (BDVDAK) in München. Zu dieser Erkenntnis hat auch sein achtmonatiger Aufenthalt in den USA beigetragen. Er war eingeladen, im Thinktank mitzuarbeiten, der sich im Auftrag der US-Administration um ein neues Gesundheitssystem in den USA bemühte. „Dort warf man mir allerdings vor, ein Sozialist zu sein“, erzählte der Ex-Gesundheitsminister schmunzelnd, „das war mir neu, das hatte ich bisher noch nicht gehört.“ 

Versicherungspflicht und GKV/PKV-System sind richtig

Bahrs Überzeugung: Weder ein rein staatliches noch ein rein privatwirtschaftliches System ist von Vorteil. Ein staatliches System wie in Großbritannien fördere eine Zweiklassenmedizin. Und in Ländern ohne Versicherungspflicht wie den USA könnte eine Zeit der Arbeitslosigkeit oder eine wirtschaftliche Pleite eines Bürgers zu Problemen seiner Gesundheitsversorgung führen. „Aus meiner Sicht ist deshalb eine Versicherungspflicht das Richtige“, so Bahr, „und der Mittelweg, eine Mischung aus gesetzlicher und privater Krankenversicherung wie in Deutschland.“ 

Wie gut unser System sei, zeige auch die Patientenzufriedenheit: Fast 80 Prozent der Deutschen sind mit dem Gesundheitssystem zufrieden, „eine Spitzenzahl“, fügte Bahr hinzu, „keiner will im Ausland behandelt werden.“ Auch beim aktuellen Thema der Wartezeiten auf einen Facharzt-Termin müsse sich Deutschland nicht verstecken: „In Deutschland sind sie am kürzesten“, weiß Bahr, „in Schweden muss jeder dritte Patient etwa vier Monate auf einen geplanten Eingriff warten.“ Und er untermauerte seine Überzeug mit er Feststellung: „In den USA heißen leistungsstarke Versicherungen landläufig ‚Cadillac-Plan‘, was so viel bedeuten soll wie der Mercedes unter den Versicherungen“, erzählte Bahr, „dabei ist bei uns schon in der Grundversorgung mehr drin als im ‚Cadillac-Plan‘.“ 

Bahr warnte davor, unser System in Frage zu stellen und erteilte einer Einheitsversicherung wie der Bürgerversicherung eine klare Absage: „Meine These: Wir haben ein Krankenversicherungssystem der Vielfalt. Die Menschen können einen Therapeuten, die Apotheke, die Versicherung frei wählen – das tut den Menschen gut.“ 

"PKV muss mehr als Kostenerstattung bieten“

Durch die fortschreitende Digitalisierung nehme heute die Konsumentensouveränität zu. Krankenversicherungen werden online verglichen und bewertet. Vor diesem Hintergrund müsse auch die Private Krankenversicherung überzeugen und bessere Services bieten.

„Von der PKA wird heute mehr erwartet als Kostenerstattung. Deshalb bietet die Allianz ihren Versicherten die Direktabrechnung der Arzneimittelkosten an, das heißt, sie müssen bei den Arzneimittelkosten nicht mehr in Vorleistung treten, wir rechnen direkt mit den Apotheken ab.“ Die Versicherten schätzten dies. Die Bereitschaft, die Allianz weiterzuempfehlen, sei sehr hoch. Man wolle dies noch ausbauen, denn die Direktabrechnung sei einer der Gründe, warum potenzielle Privatversicherte nicht von der GKV zur PKV wechselten.

Außerdem werde man den Versicherten anbieten, ihre Arztrechnungen mit dem Smartphone zu fotografieren und über eine App einzureichen. Überhaupt werde man die Möglichkeiten, die die Digitalisierung bietet, noch stärker für Dienstleistungen nutzen. Eine weitere neue Dienstleistung: Die Allianz bietet bestimmten Patienten, die beispielsweise einen Schlaganfall hatten, einen Patientenbegleiter an: „Das wird sehr gut aufgenommen von den Patienten.“

Die größte Herausforderung: mehr Compliance

Den Wettbewerb der beiden Systeme GKV und PKV findet Bahr in Ordnung, beide Systeme profitierten davon. Ein gemeinsamer Bundesausschuss würde andere Entscheidungen treffen, so vermutet der Ex-Gesundheitspolitiker, wenn es die PKV nicht gäbe. Manche Innovation würde nicht oder nicht so rasch den Markt erreichen. Aber auch die PKV lerne von der GKV. Mit Rabattverträgen Kosten zu sparen, sei nicht verkehrt, aber für die PKV nicht umsetzbar. Die PKV sei jedoch erfolgreich mit der Einführung von Selbstbehalten und Eigenbeteiligungen der Patienten  – daher weise man die Patienten darauf hin, den Arzt zu bitten, kostengünstige Arzneimittel zu verordnen. Das habe in Verbindung mit der Eigenbeteiligung eine höhere Akzeptanz als eine zwangsweise Vorgabe.

Eine der größten Herausforderungen für die Krankenversicherung der Zukunft sieht Bahr darin, die Patienten zu einer größeren Compliance und Adhärenz anzuhalten. Die Folgekosten, die durch nicht befolgte Arzneitherapien entstünden, seien immens. Bahr: „ Wie schaffen wir es, dass der Patient seine Arzneimittel richtig anwendet?“


Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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2 Kommentare

Ziemlich "dünnes" statement - für 8 Monate think tank ...........

von Gunnar Müller, Detmold am 05.02.2016 um 19:23 Uhr

Aber es dürfte klar sein, dass ihm Verträge zur Direktabrechnung zwischen Apotheke und PKV - die bis auf eine gewisse "Rechtssicherheit" ohne jeglichen Vorteil sondern im Gegenteil: Mit erheblichen Zeit-Nachteil und administrativem und finanziellem Aufwand (!) für die Apotheken sind (und NUR für diese) - gefallen.
Dieses perfide Spiel kennen wir bereits von ihm (s. AMNOG) - und dass der DAV es in diesem Fall mitspielt leider auch ..........

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Adhärenz erhöhen

von Charlotta Sommer am 05.02.2016 um 15:22 Uhr

Werter Herr Bahr,
die Adhärenz zu erhöhen ist unsere tagtägliche Aufgabe am Beratungstisch in der Offizinapotheke. Wir erklären die Wirkweise der Arzneimittel, erhöhen die Krankheitseinsicht und haben durch den regelmäßigen Kontakt auch die Möglichkeit, einen Krankheitsverlauf mit zu begleiten. Als Sie Gesundheitsminister waren, zählte das aber alles nicht - in dem apotheke-adhoc-Artikel werfen Sie uns auch noch Schlamm nach im Sinne von "die Apotheker sind zu bequem, Rabattartikel auch noch den Privatversicherten zu erklären". Eine Frechheit, denn es gehört ja wohl auch dazu, hier aufzuklären, damit auch der Privatversicherte nicht auf Kosten sitzen bleibt.
Online-Apotheken erhöhen keinesfalls die Arzneimittelsicherheit, Erkrankungen werden bagatellisiert, der Konsum - auch der mißbräuchliche - wird angekurbelt..alles auch ein Ergebnis IHRER Politik. Dass Sie heute als Versicherungsfuzzi aufkreuzen und schlau daher reden, ich hätts nicht gebraucht. Ach so, ich vergaß ja fast:
Ihre Lieblings-Drohgebährde - die Apothekenkette...wie stehen Sie denn heute dazu?
Oder wünschen Sie wie Glaeske und Pfeiffer die Spezialapotheken, die es dann natürlich nur in Großstädten gibt und wir Landapotheker gucken in die Röhre ( und schließen dann natürlich, denn gekauft wird dann nur noch eben in den Großstädten - oder wieviel Buchhandlungen und Schuhgeschäfte finden wir noch in Ortschaften mit 3000 Einwohnern..? ).
Ich hätte Herrn Bahr als Einflüsterer nicht gebraucht, aber wie es aussieht, begegnet man sich immer 2 x im Leben....

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