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Verhandlung in Luxemburg
Rx-Fixpreise auf dem Prüfstand des EuGH
Am Europäischen Gerichtshof geht es am Donnerstag erneut um die Arzneimittelversorgung in Deutschland. Gilt die Rx-Preisbindung auch für EU-ausländische Apotheken, wenn sie Arzneimittel an Patienten nach Deutschland versenden? Lesen Sie, warum diese Frage in Luxemburg gelandet ist und was dort zu erwarten ist.
Am 17. März ist mündliche Verhandlung in Luxemburg. Einmal mehr steht dabei DocMorris im Mittelpunkt – ohne dabei selbst Partei zu sein. Schon als es 2003 um die Frage ging, ob das deutsche Versandhandelsverbot für Arzneimittel mit Europarecht vereinbar ist und 2009 das Fremdbesitzverbot auf den Prüfstand gestellt wurde, waren es die beharrlichen Verstöße der niederländischen Versandapotheke gegen das deutsche Recht, die zu den Verfahren führten. Beide gingen sicherlich nicht so aus, wie DocMorris es sich gewünscht hatte. Im Fall des Arzneimittel-Versandhandels konnte das den Holländern allerdings egal sein. Denn der Gesetzgeber hatte diesen im vorauseilenden Gehorsam bereits zum 1. Januar 2004 erlaubt. Und zwar für rezeptfreie und verschreibungspflichtige Arzneimittel gleichermaßen. Dabei befand der Europäsische Gerichtshof (EuGH) am 11. Dezember 2003, dass lediglich ein Verbot des OTC-Versandes europarechtswidrig gewesen wäre.
Als es um die von DocMorris im Fremdbesitz eröffnete Apotheke in Saarbrücken ging, gab sich der Gesetzgeber zurückhaltender und wartete eine Entscheidung des EuGH ab. Daran tat er gut – denn die Luxemburger Richter hielten auch das Fremdbesitzverbot für zulässig.
In beiden Fällen sah der EuGH durch die nationalen
Bestimmungen zwar europäische Grundfreiheiten beschränkt – beim
Versandhandelsverbot den freien Warenverkehr, beim Fremdbesitzverbot die
Niederlassungsfreiheit von
Kapitalgesellschaften. Doch hier wie dort hielt er diese Einschränkungen aus
Gründen des Gesundheitsschutzes für gerechtfertigt. Beim Arzneimittelversand jedenfalls
im Hinblick auf Rx-Arzneimittel – diesen sollten die Nationalstaaten durchaus
verbieten dürfen. Diese Entscheidungen geben Zuversicht, blickt man auf den nun anstehenden DocMorris-Fall vor dem EuGH.
Rx-Boni: Ein langer Rechtsweg
Denn Luxemburg ist jetzt abermals am Zug. Und das in einer Frage, die außer DocMorris wohl jeder für längst beantwortet hielt. Muss eine EU-ausländische Versandapotheke das deutsche Preisrecht beachten, wenn sie Arzneimittel an Kunden in Deutschland verschickt? Das heißt: Darf sie Boni im Zusammenhang mit der Rezepteinlösung ebenso wenig anbieten wie deutsche Apotheken?
Diese Frage hat die deutschen Gerichte jahrelang beschäftigt. Die Urteile fielen dabei unterschiedlich aus. Als dann der Bundesgerichtshof von der Rechtsprechung eines anderen obersten Gerichts – nämlich einem Urteil des Bundessozialgerichts – abweichen wollte, musste der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes angerufen werden, der in genau solchen Fällen zum Einsatz kommt. Ein äußerst seltenes Ereignis in der deutschen Gerichtsbarkeit. Vier Beschlüsse hat das Gremium bislang gefasst.
Gemeinsamer Senat mit klarer Ansage
Im August 2012 traf der Gemeinsame Senat seine Entscheidung: Für verschreibungspflichtige Arzneimittel, die Versandapotheken mit Sitz in einem anderen EU-Mitgliedstaat an Endverbraucher in Deutschland abgeben, gelten die deutschen Vorschriften für den Apothekenabgabepreis. Die höchsten deutschen Richter hatten sich für ihren Beschluss auch mit der Frage auseinandergesetzt, ob dies mit Europarecht vereinbar ist – und sie kamen zu dem Ergebnis, dass dies der Fall ist. Eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof hielten sie daher nicht für nötig.
Später zog auch noch der Gesetzgeber mit einer Klarstellung im Arzneimittelgesetz nach: Dort steht nun in § 78 Absatz 1 ausdrücklich, dass auch ausländische Versender, die festen Rx-Preise einhalten müssen.
Trotzdem: Vorlagebeschluss an den EuGH
Das Oberlandesgericht Düsseldorf sah dies im vergangenen Jahr jedoch anders. In dem von ihm zu entscheidenden Verfahren streiten die Wettbewerbszentrale und die Deutsche Parkinson Vereinigung miteinander. Letztere bewarb gegenüber ihren Mitgliedern ein spezielles DocMorris-Bonussystem: Sofern bestimmte rezeptpflichtige Parkinson-Medikamente bei DocMorris bestellt wurden, sollten Neukunden einen Betrag in Höhe von fünf Euro erhalten, bei Folgebestellungen pro Rezept einen Bonus 2,50 Euro. Zudem wurde den Kunden ein Bonus von 0,5 Prozent des Arzneimittelwertes versprochen. Die erste Instanz entschied 2013 – nach den Beschlüssen des Gemeinsamen Senats – zugunsten der Wettbewerbszentrale: Auch eine Patientenorganisation könne wettbewerbsrechtlich in Anspruch genommen werden, wenn sie bei ihren Mitgliedern für ein unzulässiges Bonus-Modell wirbt, urteilte das Landgericht Düsseldorf.
Doch die Parkinson Vereinigung stritt mit Unterstützung von DocMorris weiter. Und in der Berufungsinstanz fanden ihre Anwälte Gehör: Das Oberlandesgericht Düsseldorf will nicht entscheiden, ehe ihm der EuGH seine Vorlagefragen beantwortet hat. In seinem Beschluss verweist es darauf, dass die EU-Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen der Preisbindungsvorschriften ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet habe. Deshalb wollen die Düsseldorfer Richter wissen, ob die Regelung die Warenverkehrsfreiheit beschränkt – und falls ja, ob die Maßnahme aus Gründen des Gesundheitsschutzes dennoch gerechtfertigt ist.
Erst kürzlich zeigte sich der Bundesgerichthof unverständig über diesen Vorlagebeschluss. DocMorris hatte die Karlsruher Richer anlässlich der EuGH-Vorlage abermals mit Rx-Boni-Fragen beschäftigen wollen. Doch das lehnten sie rundum ab – und wiesen zwei Nichtzulassungsbeschwerden der Versandapotheke zurück. Die Rechtsfragen seien hinreichend geklärt, so der Bundesgerichthof zur Begründung. Auch zur Frage der Europarechtskonformität habe sich der Gemeinsame Senat in einer Weise geäußert, die keinen Anlass gebe, von dieser Einschätzung abzuweichen.
Gericht setzt Fokus auf Rechtfertigung
Dennoch: Die Vorlage ist geschehen und nun wird sich die Erste Kammer des Gerichtshofs mit ihr befassen. Fünf Richter werden über den Fall befinden. Ein Urteil wird dieses Woche noch nicht gefällt. Allerdings ist bemerkenswert, dass das Gericht die Verfahrensbeteiligten vor der Verhandlung aufgefordert hat, sich vor allem auf die zweite Vorlage zu konzentrieren. Diese geht davon aus, dass der freie Binnenmarkt durch die Preisbindung eingeschränkt ist – und fragt nach den Rechtfertigungsgründen. Die Bundesrepublik hatte in ihrer Stellungnahme zum Verfahren bereits einen Eingriff in den freien Warenverkehr verneint – von Schweden bekam sie hierbei Unterstützung, teilweise auch von Italien. Dagegen positionierten sich die ebenfalls um Stellungnahme gebetene EU-Kommission und die Niederlande gegenteilig: Die Preisbindung beschränke europäische Grundfreiheiten und sei auch nicht gerechtfertigt.
Die Entscheidung kommt... später
Der nächste Termin nach der mündlichen Verhandlung wird die Verkündung der Schlussanträge durch den Generalanwalt sein. Ähnlich einem Staatsanwalt zeigt er auf, in welche Richtung, er die Entscheidung treffen würde – das Gericht folgt ihm oft, jedoch keinesfalls immer. Die Erste Kammer wird vielmehr unabhängig entscheiden.
Das Verfahren wird die Apotheken also noch eine Weile
begleiten. Sein Ausgang kann weitereichende Folgen haben. Zwar spricht
angesichts der bisherigen Apotheken-Urteile viel dafür, dass die deutsche
Regelung Bestand haben wird. Doch vor Gericht besteht immer ein Risiko. Und
wird DocMorris die Boni-Gewährung erlaubt, müssen sich die deutschen Apotheken
auf einen neuen und heftigen Preiswettbewerb einstellen.
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