Hohe Arzneimittelpreise

Sind die Behörden mitverantwortlich dafür?

Bonn - 17.05.2016, 07:00 Uhr

Das „regulatorische Gütesiegel“ sei ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal für die Verbraucher und quasi die Legitimation dafür, dass ein Medikamenten-Entwickler für sein Produkt einen hohen Preis verlangen kann. (Foto: Hoda Bogdan / Fotolia)

Das „regulatorische Gütesiegel“ sei ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal für die Verbraucher und quasi die Legitimation dafür, dass ein Medikamenten-Entwickler für sein Produkt einen hohen Preis verlangen kann. (Foto: Hoda Bogdan / Fotolia)


Hohe und unflexible Regulierungsstandards treiben die Kosten für die pharmazeutische Forschung und Entwicklung und damit auch die Preise in die Höhe. Dies ist eine weit verbreitete Auffassung in der Industrie. Stimmt das?  

Sind die Behörden für die hohen Arzneimittelpreise verantwortlich? EMA-Direktor Guido Rasi, die Leiter der deutschen und der niederländischen Arzneimittelbehörde Karl Broich und Hugo Hurts, beide auch im Aufsichtsrat der EMA, sowie der Österreicher Hans-Georg Eichler, EMA-Senior Medical Officer, nehmen persönlich Stellung - in einem Beitrag im New England Journal of Medicine. Ihre kurze Antwort lautet: Ja und Nein.  

Ohne Zulassung kein Forschungsanreiz

Ja, insofern, als dass behördlichen Auflagen die pharmazeutischen F&E-Kosten zweifellos teuer gemacht hätten. Das „regulatorische Gütesiegel“ sei aber auch ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal für die Verbraucher und quasi die Legitimation dafür, dass ein Medikamenten-Entwickler für sein Produkt einen hohen Preis verlangen kann: „Welcher Verbraucher würde für ein Arzneimittel ohne den Beweis, dass es gründlich geprüft worden ist, mehr bezahlen als, sagen wir, für ein Nahrungsergänzungsmittel?“ Ohne behördliche Genehmigung hätten die Unternehmen keinen Anreiz, teure klinische Studien durchzuführen. Eine Senkung der regulatorischen Standards halten sie für unklug, sowohl mit Blick auf die Patienten als auch auf die Industrie.

Nein: Nehmen, was der Markt hergibt

Den Vorwurf, dass die Regulierung der einzige oder gar der wichtigste Faktor für hohe Preise  sei, weisen die Autoren gleichwohl zurück. Keineswegs würden automatisch die Preise fallen. wenn die durch Zulassungsanforderungen gesteuerten hohen F&E-Kosten reduziert würden. Auch pharmazeutische Führungskräfte geständen ein, dass diese Annahme naiv sei. Unternehmen neigten vielmehr dazu, zu nehmen, was der Markt hergibt.  

Vier Vorschläge für die Zukunft

Dennoch sehen Broich, Hurts und Kollegen mehrere Möglichkeiten, wie die Behörden dazu beitragen können, dass Arzneimittel in der EU erschwinglich bleiben. Konkret machen die Regulatoren hierzu vier Vorschläge, die zum Teil wenig überraschen:

  • Generika und Biosimilars und auch Me-too-Präparate könnten rascher zugelassen werden, um den Preiswettbewerb möglichst früh in Gang zu setzen.
  • Behörden könnten sich mehr für klinische Studien stark machen, die gleichzeitig den Wert eines Arzneimittels messen. Zulassungsstudien griffen dafür aus der Sicht von Health Technology Assessment (HTA)-Institutionen oft zu kurz.
  • Um diese Lücke zu schließen, setzen die EMA und einige EU-Mitgliedstaaten auf die parallele wissenschaftliche Beratung der Antragsteller hinsichtlich adäquater Studien-Designs mit zweifachem Aussagewert.
  • Schließlich käme noch die verstärkte Nutzung von Praxisdaten und Ergebnisorientierten (Pay-for-Performance)-Erstattungsmodellen in Frage. Derzeit verhinderten  praktische Hürden allerdings deren breitere Umsetzung.  

Forschung und Zulassung müssen effizienter werden

Es sei klar, konstatiert das Autorenteam, dass der Markt einige der höheren Preise für Arzneimittel, wie sie heute erzielt werden, in Zukunft nicht mehr hergeben werde. Sowohl die klinische Forschung als auch die Prozesse für die Marktgenehmigung müßten deshalb dringend effizienter werden. 

Regulierungsbehörden allein können Probleme nicht lösen

Die EMA unterstütze daher Bemühungen wie etwa die Clinical Trials Transformation Initiative der FDA und der Duke University in Durham, North Carolina. Auch die oft „wirtschaftlich ineffizienten“ Prozesse für die Verkehrsgenehmigung sollen optimiert werden.

Einen Ausweg sehen sie hier in flexibleren, adaptiven Ansätzen. Diese könnten den Unternehmen helfen, klinische Entwicklungskosten zu staffeln und früher Umsätze zu generieren. „Wir erwarten, dass diese Art von „Lebensdauer“-Ansatz zur Generierung von Evidenz mit einer gezielteren Auswahl von Studien-Teilnehmern, einer gesteuerten Ausweitung der in Frage kommenden Studienpopulation und vollem Einsatz von Risiko-Management-Pläne (EU) nach der Zulassung die Schwelle für die Finanzierung der Medikamentenentwicklung senken kann“, stellen die hochrangigen Behörden-Vertreter fest. 

Regulierungsbehörden allein können das wachsende Problem der hohen Arzneimittelpreise aber nicht lösen, lautet ihre Schlussfolgerung. Und noch eine weitere wichtige Feststellung verdient Erwähnung: „Wir sind fest davon überzeugt, dass die Beurteilung der Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit von Entscheidungen der Preisgestaltung und Kostenerstattung  getrennt bleiben sollten.“

Quelle

Eichler HG, Hurts H, Broich K, Rasi G. Drug Regulation and Pricing - Can Regulators Influence Affordability? N Engl J Med. 2016 May 12;374(19):1807-1809.

Update 19. Mai 2016:  In einer früheren Version des Artikels hatte unsere Überschrift "...Pillenpreise" gelautet. Nach Rücksprache mit der Autorin war diese Überschrift aus inhaltlicher Sicht nicht eindeutig und irreführend. Wir haben die Überschrift nun geändert und bitten dies zu entschuldigen.


Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


1 Kommentar

Trivialisierung

von Klaus Baumeister am 17.05.2016 um 9:00 Uhr

Diese Überschrift ist einer Fachzeitung unwürdig! "Pillenpreis" ist Boulevardpresse durch und durch. So wird das Arzneimittel trivialisiert und banalisiert. Es sind keine "Pillen" es sind Arzneimittel!!
Schäm Dich, DAZ

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.