EuGH-Urteil zu Rx-Boni

ABDA pfeift Versandhandelsverbot zurück

Berlin - 08.07.2016, 12:30 Uhr

Versenden oder nicht? Apotheker und Politik warten unruhig auf ein Urteil des EuGH zu Rx-Boni und diskutieren ein Verbot des Rx-Versandhandels. Die ABDA will jedoch die Füße still halten und warnt vor voreiligen Schritten. (Foto: dpa)

Versenden oder nicht? Apotheker und Politik warten unruhig auf ein Urteil des EuGH zu Rx-Boni und diskutieren ein Verbot des Rx-Versandhandels. Die ABDA will jedoch die Füße still halten und warnt vor voreiligen Schritten. (Foto: dpa)


Die ABDA will vermeiden, dass Apotheker noch vor einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes zu Rx-Boni mit der Politik über ein Verbot des Rx-Versandhandels sprechen. Eine entsprechende Initiative der CDU-Mittelstandsvereinigung NRW wurde wieder zurückgepfiffen. Dabei gibt es nun sogar auf Bundesebene eine erste Politiker-Stimme, die ein solches Verbot ins Spiel bringt.

Die gesamte Apothekenbranche wartet derzeit auf das Urteil aus Luxemburg: Noch im Herbst wollen die Richter entscheiden, ob ausländische Versandapotheken Kunden aus Deutschland Rabatte auf verschreibungspflichtige Arzneimittel geben dürfen. Bislang ist das hierzulande strengstens verboten. Zuletzt hatte der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) den Richtern aber empfohlen, sich gegen die deutsche Regelung zu positionieren, weil sie unverhältnismäßig sei. Aus Sicht des Generalanwaltes ist es nicht nachgewiesen, dass die Preisbindung sich auf die Versorgungssicherheit auswirke.

Ob die Richter dieser Empfehlung folgen, ist völlig unklar. In der Regel entsprechen sie aber dem Plädoyer des Generalanwaltes. Gerade wegen dieser Unklarheit werden die Apotheker hierzulande immer unruhiger. Aus Sicht vieler Pharmazeuten gibt es jetzt nur noch eine Lösung: das strikte Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Politisch gesehen ist das eine schwierige Forderung, denn der Gesetzgeber hat den Rx-Versandhandel erst 2004 erlaubt. Politiker aller Parteien (außer die Linke) haben die Versandhandelserlaubnis in den vergangenen Jahren immer wieder verteidigt.

CDU-Vereinigung warnt vor Apothekensterben

Trotzdem haben einige Apotheker es in den vergangenen Wochen geschafft, einen entsprechenden Antrag in der CDU-Mittelstandsvereinigung Nordrhein-Westfalen unterzubringen. Die CDU-Vereinigung hat Ende August eine Mitgliederversammlung. Würde diese Versammlung den Antrag beschließen, müsste sich der CDU-Landesverband NRW mit dem Thema auseinandersetzen. Und der Antrag klingt vielversprechend: Der Gesetzgeber möge den Versandhandel „kurzfristig“ verbieten, heißt es dort. 

In der Begründung malt die CDU-Vereinigung ein Schreckenszenario: Durch eine Freigabe des Preiswettbewerbs im Bereich der verschreibungspflichtigen Medikamente wäre die Gesundheitsversorgung durch ein „zu erwartendes Apothekensterben“ bedroht, heißt es. Und weiter: Die Präsenzapotheke müsse erhalten bleiben. „Kranke Menschen müssen sich darauf verlassen können, dass sie das benötigte Arzneimittel in jeder Apotheke zum gleichen Preis bekommen“, heißt es in dem Antrag. Antragsteller ist dem Vernehmen nach der Arbeitskreis „Freie Berufe“ in der Mittelstandsvereinigung. Gewarnt wird zudem davor, dass Krankenkassen ihre Patienten zu Online-Apotheken schicken könnten, weil es dort günstigere Preise gebe. Der Arbeitskreis schlägt daher das Versandhandelsverbot vor, weil „das Thema Boni“ dann keinerlei Relevanz mehr habe.

CDU-Politiker denkt über Versandhandelsverbot nach

Doch noch bevor der Antrag überhaupt zur Abstimmung kommt, soll er nun schon wieder von der Bildfläche verschwinden. Denn mehrere Vertreter der Landesapothekerverbände und Landesapothekerkammern in Nordrhein-Westfalen haben die Antragssteller kontaktiert und sie gebeten, den Antrag zurückzuziehen. Nach Informationen von DAZ.online haben die Verbands- und Kammervertreter der CDU-Vereinigung mitgeteilt, dass eine politische Positionierung vor dem EuGH-Entscheid sogar schädlich für die Apotheker sein könne. Erst nach einem für die Pharmazeuten negativen Urteil würde man sich über die Unterstützung der Mittelstandsvereinigung freuen.

Wer die CDU-Mittelstandsvereinigung kontaktiert hat, ist unklar. Die Apothekerkammer Westfalen-Lippe distanzierte sich davon. Man habe nicht versucht, solche Vorhaben in der Politik auszubremsen, sagte ein Sprecher. Fakt ist: Der Antrag ist erst einmal vom Tisch.

Die Hinweise aus der Apothekerschaft passen aber zur grundsätzlichen Linie, die die ABDA in dieser Frage derzeit verfolgt. ABDA-Chefjurist Lutz Tisch hatte vor der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg zuletzt gesagt, dass Apotheker von politischen Initiativen absehen sollten. Tisch warnte eindrücklich davor, Konzepte zu entwickeln, wie man mit einem Wegfall der Preisbindung umgehen könnte. Solche Ideen könnten leicht ein Eigenleben entwickeln und von der Politik in Deutschland als Vorschläge aus der Apothekerschaft aufgegriffen werden. „Deswegen ist für uns im Moment die Politik eigentlich gefährlicher als der EuGH“, so Tisch. Es sei auch nicht notwendig, sich einen „Plan B“ zu überlegen. „Es ist sinnvoll, sich erst dann aufzuregen, wenn etwas passiert ist“ – und bisher sei noch nichts passiert, so der ABDA-Chefjurist.

Hennrich erwartet ein positives Urteil, will aber über Konsequenzen nachdenken

Offenbar hat die ABDA mit dieser Ansprache nicht alle Apotheker erreicht. Der Antrag aus der CDU-Mittelstandsvereinigung ist nur ein Zeichen dafür, dass viele Apotheker sich schon vor dem Urteil absichern wollen. Auch in anderen Bundesländern soll es schon mehrere Gespräche zwischen Apothekern und der Politik zum Thema „Rx-Versandhandelsverbot“ gegeben haben.

So überrascht es auch nicht, dass es nun auch im Bundestag eine erste gewichtige politische Stimme gibt, die sich mit einem Versandhandelsverbot zumindest beschäftigt. Der Berichterstatter Arzneimittel der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Michael Hennrich (CDU), sagte gegenüber DAZ.online: „Erstens erwarte ich nicht, dass der EuGH Rx-Boni für ausländische Versandapotheken erlaubt. Denn damit würde er seinen eigenen Urteilen aus der Vergangenheit widersprechen.“ Hennrich verwies darauf, dass der EuGH schon mehrfach aus Gründen des Gesundheitsschutzes entschieden habe, dass die Mitgliedsstaaten Regelungen im Gesundheitswesen selbst bestimmen können.

Der CDU-Politiker denkt allerdings heute schon daran, was passieren könnte, wenn der EuGH Rx-Boni erlauben würde. „Wir dürfen unsere gut gewachsenen Versorgungsstrukturen hier in Deutschland im Falle eines negativen Urteils nicht aufs Spiel setzen. Ein Verbot des Rx-Versandhandels ist dann eine der Möglichkeiten, die wir diskutieren müssen“, sagte Hennrich.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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10 Kommentare

Das hab ich mir verdient!

von Sven Larisch am 11.07.2016 um 13:43 Uhr

Studium: mindestens 4 Jahre plus 1 Jahr Praktikum
Eigene Apotheke: Schulden machen für die nächsten x-Jahre
Sicherheiten: keine!
Auf der Strecke geblieben, Insolvenz, Ärger mit den KK etc. - Pech gehabt, also Apotheker haben wir es offensichtlich nicht besser verdient.

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Vernichtung der Traditionsapotheke?

von Heiko Barz am 09.07.2016 um 11:23 Uhr

Wie einfach wäre es doch, wir hätten das "Kreuz", den überaus selbstgefälligen Herrschaften in Brüssel klarzumachen, das Gesundheitssystem unseres Landes bestimmen WIR!
Das würden alle Gesundheitsleistenden sofort unterschreiben, nur unsere nach infantiler Anerkennug lechzenden 4Jahrespolitiker, denen das eigene parlamentarische Schicksal weit aus mehr am Herzen liegt als das ihrer Wählerschaft, sind doch bodenkriechende Speichellecker-natürlich 'Eurokonform'. Dazu in Deckung mit unserer politischen Führung, die nur bemüht ist, übergeordnete europäische Standarts - auch wenn sie individual vernichtende Elemente enthalten - gegen jede Vernunft durchzupressen. Man ist ja Klasse 1 Europäer!!
Das zu wissen, beweist, dass jede Konfrontation mit Regierenden, die nur Europa im Sinn haben, völlig aussichtslos ist.

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ABDA

von Dr Schweikert-Wehner am 09.07.2016 um 11:08 Uhr

A ngst
B eherrscht
D ie
A potheker

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Versandhandel

von Dieter Dosquet am 08.07.2016 um 19:26 Uhr

na wer von unseren Leuchten in Berlin hat denn jetzt den florierenden Versandhandel oder ist daran beteiligt oder sind es gar mehr als einer?

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aus gegebenem Anlass:

von Andreas Flöter am 08.07.2016 um 17:46 Uhr

Langsam wird´s grotesk!
Unsere Standes- und Interessenvertretung bremst diejenigen aus, die die Interessen unseres Standes vertreten!

Aus gegebenem Anlass eine kleine Anleihe bei einem wenig systemkonformen Dichter ( frei nach Villon)

Nachruf der Standesfürsten

Standesbrüder, die Ihr nach uns lebt
Habt Nachsicht mit uns Dilettanten-Verein
Denn wenn Ihr uns Eure Vergebung gebt,
mögen die Konzerne Euch gnädig sein.
Dass Ihr nun -dreist verarscht und abgezockt-
in Euren längst verramschten Buden hockt
ha´m wir von der ABDA Euch eingebrockt
Selbst Altersversorgung will man Euch nicht gönnen
Ok- wir haben das alles verbockt
Doch hätte es noch schlimmer kommen können

Dem, der heut´ nach Selbstständigkeit strebt
fällt, denkt er an uns, immer bloß ein:
wir hätten zu lang am Sessel geklebt,
statt Interessenvertetung zu sein.
Das ist nicht fair, das ist larmoyant !
Schließlich ist jedem wohlbekannt,
wie schwer Politik ist in diesem Land
Wir loben uns selbst in höchsten Tönen
Wen intressiert´s? Ihr seid abgebrannt.
Doch hätte es noch schlimmer kommen können

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Und was ....

von gabriela aures am 08.07.2016 um 14:37 Uhr

...ist so verwerflich daran, sich mal zu positionieren ?

1. Es gibt keine 100%ige Sicherheit, daß RX- Boni verboten bleiben, es gibt nur Erfahrungen oder Tendenzen, die sich aus den letzten Urteilen ableiten lassen.

2. Ein fertiger Plan in der Schublade kann da liegen bleiben - und hat den Vorteil, beim nächsten Anlauf von DocMo und anderen interessierten Kreisen, vorbereitet zu sein.

3. Mit einer Meldung "Wir wissen heute noch nicht, wie das Urteil lauten wird, sind aber vorbereitet, falls RX-Boni erlaubt werden." vergibt man (die ABDA) sich nichts, macht zugleich aber klar, daß nicht untätig und in geduldiger Demut jegliches Urteil angenommen wird.

4. Mit dieser Aussage (gepaart mit tatsächlicher entsprechender Aktivität wohlgemerkt !) hätte viel Ärger vermieden werden können - ohne Details preiszugeben.

5. Ich sehe das ähnlich emotionslos wie einen Ehevertrag: Die Wenigsten denken beim Heiraten beschließen beim Heiraten bereits die Trennung, aber es gibt einen Fahrplan für den Ernstfall.

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Es wäre jetzt endlich......

von Dr. Christian Meisen am 08.07.2016 um 14:32 Uhr

an der Zeit unserer Berufsöffentlichkeit, meinetwegen über die Kammern als MGO`s, diese passive Denke ob Plan A oder B (egal) zu erläutern!!!!!
Den Schwanz einkneifen, hat uns noch nie weitergebracht!
Ich WILL das jetzt wissen!
Grüße nach Berlin!

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Soweit ist es jetzt schon

von M.Mallach am 08.07.2016 um 13:42 Uhr

Jetzt fallen sie uns sogar in den Rücken !

Hat jetzt noch jemand Zweifel an "Plan A" ???

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Ja, doch..

von Christiane Patzelt am 08.07.2016 um 13:26 Uhr

..es ist ein beruhigendes Gefühl, routinemäßig jeden Tag aus betriebswirtschaftlicher Sicht russisch-Roulette mit geladener Waffe zu spielen. Ich fühle mich so richtig gut aufgehoben, bei all den Unwägbarkeiten und wehe!! wehe!! es tanzt hier ein Apotheker aus der Reihe. Der wird sofort von der ABDA zurückgepfiffen!! Eine Eigeninitiative? Wo gibt es denn sowas?
Wenn jeder jeder Kollege machen würde, wonach ihm ist...bitte....wir könnten doch unseren gesamten politischen Erfolg aufs Spiel setzen!! Nein, wir warten mal gechillt den Herbst ab, jaa...ein paar gehen dann schon pleite, aber unsere Granden haben einen gut bezahlten Job, oder besser noch, ne große Apotheke..deren Schäfchen sind trocken, der Rest..naja..die paar Frauenarbeitsplätze, kommt...wir können ja immer noch zuhause den Haushalt schmeissen und Kinder hüten. Wir sind ja multifunktional einsetzbar, wir Frauen -- und das bißchen Insolvenz tut gar nicht weh, das sind nur 7 Jahre und dann ist alles wieder tuffte. In dem Sinne, ick freu mich auf meine ABDA-verbaute Zukunft jetzt schon. So geht Standespolitik, schön die Beinchen stille halten, schön die Aktionen Anderer abwarten, nen bißchen bedrückt gucken und dann...?...dann die Beiträge erhöhen! Soo, ein Lehrstück, wie man sich durchs Leben schlawienert auf Kosten Anderer! Hut ab!

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AW: Bei dieser einzigartigen Meisterleistung

von Christiane Patzelt am 08.07.2016 um 14:03 Uhr

haben unsere Standesvertreter doch noch einen Zusatz-Bonus verdient á la VW!

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