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Falsch abgegebenes Arzneimittel
Haftstrafe für Apotheker wegen fahrlässiger Tötung
Das Amtsgericht in Minden hat einen Apotheker zu 14 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt: Eine Patientin war verstorben, nachdem sie ein falsches Arzneimittel erhalten hatte. Der Apotheker kann nicht nachvollziehen, wie der Irrtum passieren konnte. Er will gegen das Urteil Rechtsmittel einlegen, wie er DAZ.online sagte.
Am Dienstag verurteilte das Amtsgericht Minden einen Apotheker aus Petershagen im Kreis Minden-Lübbecke wegen fahrlässiger Tötung zu 14 Monaten Haft. Das Schöffengericht sah es als erwiesen an, dass eine 78-jährige Rentnerin verstarb, weil der Apotheker ihr das falsche Arzneimittel abgab: Nach der Behandlung ihrer Nierenerkrankung im Klinikum Minden verschrieben ihr die Ärzte Renvela® (Sevelamercarbonat). Doch anstelle des Phosphatbinders erhielt ein Angehöriger, der das Rezept einlösen wollte, vom Apotheker den Calciumkanalblocker Verapamil (Veramex®). Der gesundheitliche Zustand der Patientin verschlechterte sich schnell, einige Tage später verstarb sie.
Der Apotheker verweigerte vor Gericht zunächst seine Aussage, wie das „Westfalen-Blatt“ schreibt. Doch nach Einschätzung eines Sachverständigen gab es einen eindeutigen Zusammenhang zwischen dem Abgabeirrtum und dem Tod der Rentnerin: Laut Gutachten könnte sie noch leben, wenn sie das richtige Arzneimittel erhalten hätte. Die Staatsanwaltschaft forderte eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 60 Euro, der Verteidiger Sascha Kische eine mildere Strafe. Er sagte laut der Zeitung in seinem Plädoyer, dass der Medikamentenplan besser hätte kontrolliert werden müssen – dann wäre der Irrtum seines Mandanten aufgefallen.
Der Apotheker kann den Fehler nicht nachvollziehen
Beim Schlusswort nahm der 43-jährige Apotheker doch Stellung und erklärte, dass er die Tat bereue. Den Irrtum könne er sich nicht erklären, sagte er laut dem „Westfalen-Blatt“. „Ich möchte mich noch einmal entschuldigen“, sagte er den Angehörigen der Verstorbenen. „Es ist schwer nachvollziehbar, wie so etwas passieren konnte.“
Der Apotheker hatte den möglichen Irrtum selber bemerkt – und sich ein paar Tage nach Rezept-Einlösung bei der Familie erkundigt, ob sie von ihm das richtige Arzneimittel erhalten hatten. Doch offenbar leider zu spät.
Harte Strafe für den Apotheker
Das Urteil des Gerichts ging deutlich über die von der Staatsanwaltschaft geforderte Strafe hinaus: Die auf Bewährung angesetzte Haftstrafe begründeten die Richter mit dem „eindeutigen Verstoß“ gegen die Sorgfaltspflichten. Da die Angehörigen der Patientin nicht über die nötigen Kenntnisse verfügten, hätten sie den Fehler des Apothekers nicht unbedingt erkennen können – sodass ihnen kein Vorwurf zu machen sei. Darüber hinaus muss der Apotheker eine Geldbuße von 6500 Euro an den Kinderhospizdienst in Minden-Lübbecke zahlen. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.
Wie der Apotheker gegenüber DAZ.online sagte, wird er Rechtsmittel gegen das Urteil einreichen, welches noch nicht in schriftlicher Form vorliegt. Ansonsten will er derzeit nicht Stellung nehmen. „Es verwundert, dass die Staatsanwaltschaft etwas fordert, und das Gericht geht weit über die Forderungen hinaus“, erklärte der Anwalt des Apothekers Sascha Kische auf Nachfrage.
Welche Folgen hat das Urteil für den Pharmazeuten?
Sobald ein rechtskräftiges Urteil vorliegt, werden sich sowohl die zuständige Bezirksregierung als auch die Apothekerkammer Westfalen-Lippe mit dem Verfahren beschäftigen. Aufgabe der Bezirksregierung ist es, zu prüfen, welche berufsrechtlichen Folgen der Irrtum und das Urteil für den Apotheker haben werden. Im für den Pharmazeuten schlimmsten Fall droht ihm der Entzug der Approbation durch die Bezirksregierung. Falls diese nicht erfolgt, könnte ihm das Berufsgericht beispielsweise einen Verweis erteilen.
Kaum vorstellbar ist, dass das Berufsgericht als schärfstmögliche Konsequenz die Berufsunwürdigkeit des Apothekers feststellt, welche wiederum die Aberkennung der Approbation zur Folge hätte. In den vergangenen fünf Jahren habe es keinen ähnlichen Fall im Kammerbezirk gegeben, sagte der Sprecher der Kammer gegenüber DAZ.online.
Update: Das Zitat des Anwalts des Apothekers wurde nachträglich eingefügt.
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