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Hortensien sollen berauschende Wirkung haben. Diese beruht aber nicht allein auf der Schönheit der Pflanzen. Hydrangea macrophylla, also der Gartenhortensie, sagt man nach, ähnlich wie Marihuana zu wirken. Stimmt das oder ist der Trip aus dem Vorgarten nur ein gefährlicher Mythos?
Stechapfel, Bilsenkraut, Engelstrompeten – eine ganze Reihe von Pflanzen wird aufgrund ihrer halluzinogenen oder berauschenden Wirkung als sogenannte „Bio- oder Naturdrogen“ verwendet. In Foren und auf einschlägigen Internetseiten finden sich massenhaft „Experten-Tipps“, wie eine optimale Rauschwirkung erzielt wird. Ein großer Vorteil dieser Pflanzen soll sein, dass sie nicht unter das Betäubungsmittelgesetz fallen. Sie sind also legal. Seit den späten 1990er-Jahren sind die selbstgepflückten Rauschdrogen wieder auf dem Vormarsch, berichtet die Süddeutsche Zeitung in ihrer Ausgabe vom 18. August 2016. Häufig werden sie in dem Irrglauben konsumiert, die Stoffe seien, weil sie natürlich sind, unbedenklich. Giftzentren berichten aber immer wieder über Vergiftungen mit diesen Pflanzen.
Eine weitere Pflanze, die stellenweise als „Biodroge“ empfohlen wird, ist die Gartenhortensie – Hydrangea macrophylla. Sie soll – raucht man sie – ähnliche Wirkungen hervorrufen wie Marihuana. Es gibt offensichtlich sogar so etwas wie Beschaffungskriminalität: Zur Blütezeit werden immer wieder Diebstähle gemeldet. So soll es in Brandenburg und Schleswig Holstein ganze Diebstahlserien gegeben haben, aber auch aus anderen Bundesländern werden Fälle berichtet.
Hortensien: Keine Inhaltsstoffe mit psychogener Wirkung
Der Hortensienklau sei ein ungelöstes Rätsel, sagt der Biologe Klaus Berkefeld gegenüber der Süddeutschen Zeitung, der beim LKA Rheinland-Pfalz Experte für biogene Drogen ist. Hortensien enthielten keine Inhaltsstoffe, mit denen sich eine halluzinogene Wirkung erzielen ließe, erklärt er. Offensichtlich würden Hinweise auf psychogene Wirkung fremder Hydrangea-Arten kritiklos auf die heimischen Hortensien übertragen, vermutet Berkefeld. Legendenbildung spiele eine große Rolle.
Auch Florian Eyer, der Leiter des Giftinformationszentrums München, hat keine Kenntnis über psychoaktive Verbindungen in Hortensien. Die angebliche Rauschwirkung sei wissenschaftlich nicht eindeutig nachvollziehbar, sagte er gegenüber DAZ.online. Die Vergiftungs-Informations-Zentrale an der Uniklinik Freiburg erklärt, dass Hinweise aus einer Veröffentlichung zu möglicherweise psychoaktiven Inhaltsstoffen in Blättern und Blüten sich bei weiteren Untersuchungen bisher nicht bestätigt hätten.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) erklärt auf Anfrage von DAZ.online, dass es in der Fachliteratur keine wissenschaftlichen Hinweise bzgl. einer rauschenden Wirkung durch das Rauchen von Hortensien gebe.
Kein ungefährliches Vergnügen
Gartenbesitzer werden also ganz umsonst ihrer Blütenpracht beraubt – maximal für einen Placeboeffekt. Das Problem: Die Sache ist unter Umständen nicht ganz ungefährlich. Denn beim Rauchen können problematische Stoffe und Verbindungen aufgenommen werden, unter anderem cyanogene Glykoside, die eine hohe potenzielle Toxizität haben, erklärt der Toxikologe Eyer. Im Extremfall könnte also das Rauchen von Hortensien zu einer Blausäurevergiftung führen.
Auch Eyer kennt die Meldungen über Hortensiendiebstähle. Sie tauchten in den vergangenen Jahren immer wieder in den Medien auf. So hatte beispielsweise die Polizei in Unter- und Mittelfranken berichtet, Jugendliche würden immer wieder in Gärten eindringen, um Hortensien zu stehlen, erzählt er. Über den Giftnotruf München gebe es dazu allerdings kaum Anfragen – jedenfalls aktuell nicht. Dem BfR sind ebenfalls keine Vergiftungsunfälle ausgelöst durch Hortensien bekannt.
Bislang keine schweren Vergiftungen bekannt
Das Giftinformationszentrum Nord (GIZ Nord) berichtet in einer Mitteilung aus dem Jahr 2013, dass über einen Zeitraum von 14 Jahren rund 50 Fälle gemeldet wurden, in denen Hortensien aufgenommen worden waren. Allerdings angeblich nie absichtlich, um eine psychotropen Wirkung zu erzielen. Symptome seien meist keine aufgetreten, berichtet das GIZ Nord. Es habe lediglich hin und wieder leichte Beschwerden gegeben – meist Übelkeit oder Erbrechen, aber keine Berichte über schwere Vergiftungen. Meldungen über Diebstähle und entsprechende Anfragen gebe es allerdings „alle Jahre wieder".
Trotzdem bleibt die für die Gesundheit sicherste Variante, sich weiterhin allein an der Schönheit der Blüten zu berauschen. Je nach pH-Wert des Bodens blühen sie in Blau oder Pinktönen – je saurer desto blauer.
Und übrigens: Das Konsumieren von Hortensienbestandteilen ist zwar nicht strafbar, das Abschneiden und Verstümmeln fremder Pflanzen hingegen schon.
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