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Legal oder illegal?
Darf ich Ärzten private Einkaufsvorteile gewähren?
Ein neuer, spannender Fall in unserer Serie zum Anti-Korruptionsgesetz: Ein Apotheker gewährt den Ärzten, die ihn regelmäßig mit Rezepten versorgen, Rabatte und Boni für deren privaten Einkäufe. Darf er das? Rechtsanwalt Dr. Daniel Geiger antwortet.
Ein Apotheker hat uns die folgende Frage zugesendet:
„Den Ärzten und dem angestellten Praxispersonal von Arztpraxen, die sich in der Standortnähe meiner Apotheke befinden, habe ich regelmäßig gesonderte Einkaufsvorteile für private Einkäufe aus der Apotheke gewährt: Einkaufspreis des Kaufartikels plus Mehrwertsteuer, also ohne Händleraufschlag. Diese Konditionen sind im Warenwirtschaftssystem hinterlegt. Daran sind keine Bedingungen meinerseits geknüpft, also keine Patienten- und keine Rezeptzuweisungen an meine Apotheke durch die betreffenden Ärzte. Diese Konditionen gewähre ich freiwillig wegen der Standortnähe und der daraus folgenden regelmäßigen Kommunikation und Kooperation. Dennoch haben wir einige Sprechstundenbedarfsrezepte dieser Praxen regelmäßig beliefert.“
Der Pharmazeut will nun wissen:
Darf ich diese Geschäftspraxis weiterhin im Zuge des Antikorruptionsgesetzes beibehalten oder begebe ich mich damit in die Gefahr staatsanwaltlicher Ermittlungen, die in einem Indizienprozess münden können?
Es antwortet Dr. Daniel Geiger, Rechtsanwalt für Medizinrecht und Partner bei Dierks und Bohle Rechtsanwälte:
In der Frage ist die Differenzierung der Beantwortung bereits angelegt: denn es wird, erstens, danach gefragt, ob die gelebte Praxis strafrechtliche Risiken mit Blick auf das am 4.6.2016 in Kraft getretene Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen birgt, und, zweitens, ob mit staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen und einem „Indizienprozess“ zu rechnen ist. In der Tat handelt es sich hierbei um zwei getrennt voneinander zu beurteilende Aspekte. Während der erste Bestandteil der Frage auf die Verurteilungswahrscheinlichkeit und damit das „handfeste“ Risiko einer Bestrafung zielt, fokussiert der zweite Teil der Frage die Wahrscheinlichkeit eines Ermittlungsverfahrens durch die Strafverfolgungsbehörden, das unabhängig davon eingeleitet werden kann, ob im Ergebnis tatsächlich ein strafbares Verhalten gegeben ist. Denn das soll durch das Ermittlungsverfahren ja gerade erst weiter ergründet werden.
Keine Vorteile im Zusammenhang mit der Berufsausübung
Zunächst zum Strafbarkeitsrisiko: Der neue Tatbestand der Bestechung im Gesundheitswesen (§ 299b StGB) stellt es unter anderem unter Strafe, wenn Angehörigen im Gesetz näher definierter Heilberufe, zu denen auch Ärzte gehören, Vorteile „in Zusammenhang mit der Berufsausübung“ und „als Gegenleistung“ für eine Zuführung von Patienten angeboten, versprochen oder gewährt werden. Einkaufsvorteile, wie sie den benachbarten Ärzten im vorliegenden Fall gewährt werden, stellen ohne weiteres „Vorteile“ im Sinne der neuen Straftatbestände dar. Der Umstand, dass diese „für private Einkäufe“ gewährt werden, dürfte dabei nicht dazu führen, dass der „Zusammenhang mit der Berufsausübung“ entfällt, denn auch und gerade privatnützige Vorteile können durchaus in einen Zusammenhang mit der Berufsausübung gebracht werden. Zudem werden die Vorteile hier gezielt nur benachbarten Ärzten, nicht auch dem benachbarten Schuster oder Friseur gewährt. Die Gewährung der Vorteile knüpft also gerade an die ärztliche Berufsausübung an, steht mit dieser also in Zusammenhang.
Nur der Rabatt reicht nicht, um eine Strafbarkeit festzustellen
Allerdings ist die bloße Vorteilsgewährung für eine Strafbarkeit nicht ausreichend. Hinzutreten muss vielmehr eine sogenannte „Unrechtvereinbarung“, die im vorliegenden Fall dann anzunehmen wäre, wenn die Einkaufsvorteile „als Gegenleistung“ für eine Zuführung von Patienten gewährt würden. Das ist nicht der Fall. Die Einkaufsvorteile werden nach den Angaben in der Fragestellung an keinerlei Bedingungen geknüpft. Ist dem so, ist auch der Tatbestand des § 299b StGB nicht erfüllt, die gelebte Praxis also nicht strafbar. Sie ist vielmehr als eine sog. „Wertwerbung“ für die Dienstleistungen der Apotheke anzusehen, mit der allenfalls das „allgemeine Wohlwollen“ der umliegenden Ärzte aktiviert werden soll, was die durch § 299b StGB gesetzten Grenzen – wie der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung ausdrücklich klarstellt – (noch) nicht überschreitet.
Gegenleistungsverhältnis ausschließen
Strafbar wäre es allerdings, wenn ein Gegenleistungsverhältnis zwischen Einkaufsvorteilen und Patientenzuführung hergestellt würde. Dieses Gegenleistungsverhältnis muss nicht ausdrücklich zwischen Geber (Apotheker) und Nehmer (Arzt) vereinbart werden; es genügt auch eine stillschweigende Vereinbarung. Und genau hier liegt die problematische „Nahtstelle“ zum zweiten Teil der Frage: ob ein solches Gegenleistungsverhältnis besteht, ist „von außen“ und damit insbesondere auch für Strafverfolgungsbehörden nicht erkennbar. Der Umstand, dass eine Apotheke ausschließlich benachbarten Ärzten gewisse Einkaufsvorteile bietet, kann es für Ermittlungsbehörden daher durchaus nahelegen, der Frage, ob ein (verdecktes) Gegenleistungsverhältnis vorliegt, nachzugehen und damit einen sog. „Anfangsverdacht“ zu begründen, der für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens ausreicht. Die Hürden für einen solchen „Anfangsverdacht“ sind sehr gering, denn es genügt bereits, dass es nach kriminalistischer Erfahrung möglich erscheint, dass eine verfolgbare Straftat vorliegt. Ist das der Fall, sind die Strafverfolgungsbehörden nach dem sog. Legalitätsprinzip zur Einleitung von Ermittlungen verpflichtet, jedenfalls dann, wenn es sich wie im Falle des § 299b StGB um ein sog. Offizialdelikt handelt, das von Amts wegen und unabhängig von einem Strafantrag verfolgt wird. Dass Ermittler im vorliegenden Fall mit den ausschließlich Ärzten (und dem Arztpersonal) eingeräumten Einkaufsvorteilen einen Anfangsverdacht für weitere Ermittlungen begründen könnten, ist nicht ausgeschlossen. Zu bedenken ist dabei, dass bereits mit der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens erhebliche Reputationsschäden verbunden sein können. Deshalb sind alle Akteure im Gesundheitswesen gut beraten, diesen Umstand im Rahmen ihrer Marketingmaßnahmen und auch Kooperationen mit (anderen) Heilberufsangehörigen zu berücksichtigen.
Im Ergebnis bedeutet das für die Frage: Gewähren Apotheken ausschließlich Ärzten Einkaufsvorteile, ist das solang nicht nach § 299b StGB strafbar, wie die Einkaufsvorteile nicht Gegenleistung für eine Zuführung von Patienten an die Apotheken sind. Dass Staatsanwaltschaften von einem solchen (ggf. stillschweigend vereinbarten) Gegenleistungsverhältnis ausgehen könnten, lässt sich aber nicht ausschließen. Damit geht das Risiko eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens einher, das vor allem mit Blick auf die mit diesem verbundenen, oftmals erheblichen Reputationsschäden bedacht werden sollte.
1 Kommentar
Korruptionsfragen
von Heiko Barz am 30.08.2016 um 11:40 Uhr
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