- DAZ.online
- News
- Debatte & Meinung
- Mein liebes Tagebuch
Was ist ein Apotheker? Ein Kaufmann, den es nicht nochmal gibt! Wenn er Salben und Kapseln herstellt, muss er draufzahlen. Wenn er nicht lieferbare Arzneimittel ohne Herstellernachweis austauscht, muss er sich retaxieren lassen. Und Medikationsplanaufgaben, die sich Ärzte teuer bezahlen lassen, macht er ohne Honorar. So ein Apotheker ist einzigartig – den gibt’s nicht nochmal!
29. August 2016
Er ist bereit, sich öffentlich schelten zu lassen“, sagte G-BA-Chef Josef Hecken, nachdem er seinen Feldzug gegen die Homöopathie als Kassenleistung angetreten hatte. Diese Schelte bekommt er gerade. Anlass für Heckens Eifer dürfte der Tod der mindestens drei Krebspatienten nach einer Heilpraktiker-Behandlung im „Biologischen Krebszentrum“ in Brüggen-Bracht sein. Hecken wettert: „Es sollte den Kassen untersagt werden, Dinge zu bezahlen, für die es keine Evidenz gibt.“ Ja, schon richtig. Aber mal abgesehen davon, wie man zur Homöopathie und den alternativen Therapieformen steht, so ganz kann man Heckens antihomöopathischen Wirbel nicht verstehen. Denn bei den Fällen in Brüggen handelt es sich nicht um homöopathische Behandlungen und nicht um homöopathische Arzneimittel. Irgendwie vermengt der Jurist Hecken da gerade wieder ein paar Dinge. Mein liebes Tagebuch, irgendwie ist er sich halt treu geblieben: Er biegt sich die rechtliche Lage wie er’s braucht – wie damals bei der Zulassung der Fremdbesitz-Apotheke DocMorris im Saarland. Man kann ja wirklich darüber diskutieren, ob Kassen nur Arzneimittel und Behandlungen mit Evidenz bezahlen und ob nicht längst das Heilpraktikergesetz mal überarbeitet werden müsste. Aber was Hecken da als vermeintlich unparteiischer G-BA-Chef vom Zaun bricht, ist der Sache nicht gerade förderlich.
30. August 2016
Ist irgendwie gut gemeint von der ABDA. Sie wünscht sich, dass bei Rezepten in Zukunft zwischen Soll- und Muss-Angaben unterschieden wird. Bei fehlenden Soll-Angaben sollen die Kassen nicht retaxieren dürfen. Die Apotheker sollen dann die fehlenden Angaben, falls sie ihnen bekannt sind, nachtragen dürfen, auch ohne Rücksprache mit dem Arzt. Und was ist, wenn man sie nicht ergänzt? Muss man sie oder soll man sie ergänzen? Mein liebes Tagebuch, das erscheint noch nicht so ausgegoren zu sein. Was eindeutig ist: Wenn Muss-Angaben fehlen, dann könne die Kassen retaxieren. Zu den Muss-Angaben gehören beispielsweise eine fehlende Unterschrift oder der Name der Person, für die das Arzneimittel bestimmt ist. Ob die Soll- und Muss-Wünsche der ABDA noch berücksichtigt werden, ist fraglich. Irgendwie sollte es dann allerdings eindeutig sein. Mein liebes Tagebuch, die Kassen werden jede noch so kleinste ungenaue Formulierung finden, um auch weiterhin einen Grund zu haben, uns zu retaxieren. Und die mit der Rezeptprüfung beauftragten Firmen werden sich anstrengen, ihre Daseinsberechtigung zu belegen.
31. August 2016
Apothekenrezeptur ist zum Synonym für Zuschussgeschäft und Selbstausbeutung geworden. Die Rezepturarbeitspreise sind schon seit vielen Jahren auf einem katastrophal niedrigen Niveau. Arbeitspreis für eine Salbe für 5 Euro – wo gibt’s denn sowas? Nur in der Apotheke. Und das schon seit Jahren! Und die Abgabe an den Patienten samt Beratung etc. wurde bisher nicht honoriert. Immerhin, das soll sich demnächst ändern. Mit dem Pharmagesetz soll die Apotheke dann 8,35 Euro dafür abrechnen dürfen, allerdings geht davon selbstverständlich auch der Kassenzwangsrabatt ab. Und beim Arbeitspreis soll ein Euro draufgelegt werden. So weit, so schlecht. Was allerdings nicht zur Diskussion steht, sind die Preise für die verarbeiteten Substanzen, worauf Thomas Müller-Bohn in einem DAZ-Beitrag zu Recht hinweist. Die Apotheke darf bekanntlich nicht den tatsächlichen Einkaufspreis zugrunde legen, wie es eigentlich in jeder Branche üblich ist, sondern darf nur die in der Hilfstaxe vertraglich vereinbarten Preise abrechnen. Damit könnte man leben, wenn, ja wenn diese Preise auch jährlich aktualisiert würden. Doch da ist in den letzten sieben Jahren nichts passiert – obwohl es im Vertrag über die Hilfstaxe so vereinbart ist. Die Taxpreise vieler Rezeptursubstanzen wurden zuletzt 2009 angepasst, die Einkaufspreise sind aber seitdem um 30 bis 40 Prozent gestiegen. Selbst mit dem vereinbarten Aufschlag von 90 Prozent legt die Apotheke bei einigen Substanzen sogar drauf, d.h., sie kauft die Substanzen teurer ein als sie sie abrechnen kann. Eigentlich sollte der 90-Prozentaufschlag die substanzunabhängigen Kosten finanzieren, z. B. auch die Prüfung der Substanz etc., doch durch die Preiserhöhungen der tatsächlichen Einkaufspreise bleibt nichts mehr übrig. Mal überspitzt formuliert: Wir verschenken unsere Rezepturen! Wo gibt’s denn so was? Nur in der Apotheke. Mein liebes Tagebuch, jetzt fragt man sich natürlich, warum ist in den letzten Jahren keine Anpassung erfolgt, obwohl vertraglich vereinbart wurde, die Preise jährlich anzupassen? Die Vertragspartner, der Deutsche Apothekerverband und der GKV-Spitzenverband, hatten sich auf eine technische Kommission verständigt, die die Marktpreise der Substanzen überprüfen und Änderungen überarbeiten soll. Aber die Kommission gibt es schon seit Jahren nicht mehr. Ist das nicht ein Unding? Hat da der Apothekerverband gepennt? Und, mein liebes Tagebuch, stellen wir uns das Szenario mal andersherum vor: Wenn die Apotheken den Krankenkassen Geld zahlen müssten aufgrund einer Taxe, die jährlich angepasst wird – die Krankenkassen hätten nie und nimmer auf die jährliche Anpassung, sprich Erhöhung verzichtet. Das machen nur Apotheker. Warum ist der Deutsche Apothekerverband da nicht schon längst aktiv geworden und hat das sieben Jahre lang schleifen lassen? Mein liebes Tagebuch, sind wir die Trottel der Nation? Ja, wo gibt’s denn sowas? Nur in der Apotheke!
1. September 2016
Bald ist es wieder soweit: Der Apothekertag steht vor der Tür! Wie schön, wir freuen uns schon, mein liebes Tagebuch, das Hochamt der berufspolitisch aktiven Apothekerinnen und Apotheker, das Fest der Riten und Gebräuche, ein bisschen so wie Weihnachten, wenn Zimt-Bratapfel- und Gänsebratenduft in der Luft liegen und sich die große Familie um den Baum versammelt, Oh du fröhliche singt und jeder nur an seine Geschenke denkt, die es dann doch nicht gibt. Im Vorfeld des Apothekertags machen bereits die Anträge die Runde, eingereicht vom ABDA-Vorstand, von Kammern und Verbänden oder einzelnen Delegierten. Sie sollen die berufspolitische Willensbildung des Apothekerparlaments, im Prinzip aller Apothekerinnen und Apotheker ausdrücken. Die Anträge werden beraten, zur Bearbeitung angenommen, abgelehnt oder an einen Ausschuss zur weiteren Beratung weitergeleitet. Danach ist erstmal rund neun Monate Ruhe, d.h., die Öffentlichkeit erfährt nichts oder nicht viel darüber, wie es um die Verfolgung, die Ausführung, die Bearbeitung der Anträge steht. Befremdlich und seltsam. Das war schon immer so. Aber, mein liebes Tagebuch, das soll nicht immer so bleiben. In Zeiten von Internet, mehr Öffentlichkeit und allgemeiner Transparenz unternahm bereits im vergangenen Jahr der Hessische Apothekerverband einen Vorstoß und forderte die ABDA dazu auf, die Bearbeitung der Anträge transparenter zu machen. Ganz pragmatisch: Die Anträge gehörten in eine Datenbank, aus der ihr Status der Bearbeitung ersichtlich wird. Im Prinzip eine einfache Sache, aber der ABDA-Vorstand fand säuselnd blumige Worte, warum dies kompliziert sei und überhaupt, wozu diese Transparenz. Jedenfalls wollte dann die Mehrheit der Delegierten auch nicht wissen, was mit den Anträgen unterm Jahr passiert und lehnte den Antrag ab. Gut, dass es die LAK Thüringen in diesem Jahr wieder versucht, hier mehr Transparenz hineinzubringen. Sie stellt den Antrag, eine transparente Bearbeitung der Anträge über eine Datenbank sicherzustellen. Und sie geht noch einen Schritt weiter: Die Antragsteller sollen in die Bearbeitung bzw. Umsetzung des Antrags mit eingebunden werden und z. B. auch zu den Ausschusssitzungen eingeladen werden. Recht so, mein liebes Tagebuch, das ist wirklich nicht zu viel verlangt. Bleibt zu hoffen, dass das die Mehrheit der Delegierten auch so sieht.
Und was wollen die Anträge zum Apothekertag sonst noch? Ja klar, die Kompetenz der Pharmazeuten soll genutzt und die Apotheker als gleichberechtigte Partner beim Medikationsplan eingebunden werden. Ein netter Antrag, hilft bloß nichts, denn beim Bundesgesundheitsminister stößt das auf taube Ohren, aber gut, dass wir das mal im Antrag gesagt haben.
Was gibt’s noch in den Anträgen? Mein liebes Tagebuch, gleich mehrere Apothekerkammern haben in diesem Jahr das Pharmaziestudium entdeckt. Sie fordern eine Evaluation und Verbesserung der Inhalte des Pharmaziestudiums. (Der Aufschrei der Hochschullehrer ist gewiss.) Und endlich: Einige Kammern sprechen sich dafür aus, die Qualität der Ausbildung für die Pharmazeuten im Praktikum zu verbessern. Es müsse endlich eine Struktur rein in den Dritten Prüfungsabschnitt. Wie wahr, mein liebes Tagebuch, wäre doch wirklich schön, wenn der Leitfaden für die PhiP-Ausbildung in allen Apotheken realisiert würde.
Noch ein großes Antragsthema in diesem Jahr: Verträge zwischen Kassen und Apothekern über pharmazeutische Dienstleistungen. Da Aufsichtsbehörden solche Verträge anzweifeln, soll nun der Gesetzgeber aufgefordert werden, die gesetzliche Grundlage dafür zu schaffen. Man kann’s ja mal fordern.
2. September 2016
Selbst wenn mit der Vereinbarung zwischen Krankenkassen und Apothekerverband zur Nichtretaxierung bei Formfehlern ein klein wenig mehr Sicherheit für Apotheken besteht, lassen manche Kassen nicht locker, den Apotheken auf anderen Gebieten ein Fehlverhalten anzulasten, um sie zu retaxieren, um Arzneimittel geschenkt zu bekommen. Apotheker Christian Meisen von der Windmühlen Apo in Viersen macht darauf aufmerksam, dass die AOK Rheinland/Hamburg gnadenlos retaxiert, wenn die Apotheke bei Nichtverfügbarkeit eines Arzneimittels ein Sonderkennzeichen aufs Rezept druckt, die Nichtverfügbarkeit aber nicht mit der Defektmeldung des Herstellers übereinstimmt. Die AOK führt für alle ab September abgegebenen Arzneimittel einen maschinellen Abgleich zwischen Defektmeldung des Herstellers und der aufgedruckten Sonder-PZN durch. Gibt es Abweichungen: Retax! Vermeiden lässt sich das nur, wenn der Apotheke die Defektmeldung des Herstellers vorliegt oder die des Großhandels, der wiederum die Meldung vom Hersteller haben muss. Doch Hersteller melden oft verzögert. Und dann schreibt die AOK noch: Falls die Nichtlieferfähigkeit ausschließlich durch einen Großhändler verursacht sei, dann müsse der Apotheke der Nachweis der Nichtlieferfähigkeit von einem weiteren Großhändler vorliegen, wenn sie die Sonder-PZN aufdruckt. Mein liebes Tagebuch, angesichts der häufigen Nichtlieferfähigkeit von Rabattarzneimitteln ist das Schikane pur: die große Abzocke-Tour der AOK. Das Allerletzte! So lässt sich in der Apotheke nicht arbeiten. Diese Abzockerei muss ein Ende haben!
Es ist schier unglaublich, wie die Herren und Frauen Doktores scharf auf den Medikationsplan sind! Sie haben in ihm eine neue dicke Zusatz-Einkommensquelle entdeckt. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung möchte z B. auch für die OTC-Beratung abkassieren. Und der Internistenverband fordert sogar, dass das Honorar für den Medikationsplan außerhalb des Budgets angesiedelt ist, damit es das normale Budget nicht belastet und sie den Medikationsplan ohne Mengenbegrenzung abrechnen können. Die Mediziner argumentieren: Diese neuen Leistungen müssen zusätzlich erbracht werden und ersetzen keine seitherigen Honorierungen. Super, mein liebes Tagebuch, so macht man das! Mir kommen die Tränen. Nur mal so in den Raum gefragt: Angenommen es wäre umgekehrt und die Ärzte müssten ohne Honorar den Medikationsplan des Apothekers, der dafür honoriert wird, ergänzen – gibt es auch nur einen, der glaubt, dass die Ärzte das mit sich machen ließen? Und auch noch freiwillig Flyer zum Medikationsplan verteilen und aufklären und informieren? Mein liebes Tagebuch, wir sind und bleiben die… nein, ich schreib’s nicht schon wieder.
9 Kommentare
Gratis-Medikationsplan-Anpassung ist verboten, aber so was von!
von Andreas P. Schenkel am 04.09.2016 um 21:51 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
AOK Scheinretaxierung, Nachweisführung
von Dr. Christian Meisen am 04.09.2016 um 16:58 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Kollektiver Rücktritt!
von Gunnar Müller, Detmold am 04.09.2016 um 14:37 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Ross und Reiter
von Reinhard Rodiger am 04.09.2016 um 12:01 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Kollektiver Rücktritt
von Dr.Diefenbach am 04.09.2016 um 11:14 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Mutlos und zaghaft in München ?
von Ulrich Ströh am 04.09.2016 um 13:02 Uhr
Kollektiver Rücktritt!
von Gunnar Müller, Detmold am 04.09.2016 um 9:16 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Nachweis der Nichtlieferbarkeit
von Dr.DIEFENBACH am 04.09.2016 um 9:16 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Wer übernimmt die Verantwortung?
von Ulrich Ströh am 04.09.2016 um 8:37 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.