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Frühgeburten ohne Kinderarzt, Gefahr im Verzug bei Herztransplantationen: Das neu gegründete Qualitäts-Institut IQTIG verschärft nun den Ton. Bis schlechte Qualität geahndet wird, dauert es aber mindestens noch zwei Jahre.
Einige Spitzenverbände im Gesundheitswesen sind zufrieden mit ihrer „Qualitätsoffensive“ für Krankenhäuser. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) habe Handlungsfähigkeit bewiesen, als er dem Uniklinikum Frankfurt im August verboten hat, weitere Herztransplantationen durchzuführen, erklärte Peter Follert vom GKV-Spitzenverband am gestrigen Mittwoch auf der diesjährigen Qualitätssicherungskonferenz des G-BA. Thilo Grüning, oberster Qualitätshüter der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), fügte hinzu: Die von den Kliniken selbst angelegten Qualitätsreports würden belegen, dass die Krankenhäuser sehr transparent seien.
Die Patientenvertreter im G-BA sehen das ganz anders. Ärzte und Pfleger betreiben zwar enormen Aufwand, um die Qualität in deutschen Krankenhäusern zu dokumentieren. Doch die Patientenvertreter bemängeln insbesondere die Qualitätsberichte der Kliniken: Wie schon in den Jahren zuvor schaffen diese aus ihrer Sicht für Patienten kaum Transparenz.
Die Informationen müssen der Nachbarin helfen
Das habe mehrere Gründe. Zum einen liege das an der Aufmachung. Christof Veit, Leiter des Instituts für Qualität und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) und seit diesem Jahr zuständig für die Erstellung des Berichts, sieht in der Ansammlung von medizinischen Indikatoren auf rund 200 Seiten noch keine Transparenz. „Das dient niemals der Patienteninformation“, sagte er am Mittwoch auf der Konferenz. Vielmehr brauche es „orientierende Aussagen“. Mit denen müsse er seiner Nachbarin erklären können, in welches Krankenhaus sie ihren Mann schicken soll, sagt Veit.
Zur Erinnerung: Der Gesetzgeber hatte im vergangenen Jahr das Krankenhausstrukturgesetz (KHSG) beschlossen, mit dem die Behandlungsqualität in den Kliniken stärker in den Fokus gerückt werden soll. Unter anderem ist vorgesehen, die Krankenhausvergütung erstmals auch an der Qualität zu orientieren. Kliniken mit schlechten Behandlungsergebnissen könnten laut Gesetz sogar von der Versorgung ausgeschlossen werden. Außerdem wird der G-BA beauftragt, Qualitätsmerkmale zu entwickeln, die bei der Zulassung von Kliniken in den Ländern künftig eine Rolle spielen sollen. Und: Die Qualitätsberichte der Kliniken sollen patientenfreundlicher werden und interne Qualitätsmaßnahmen stärker in den Fokus rücken.
Konsequenzen nur im Einzelfall
Laut IQTIG lässt die Qualität der Daten in den Berichten bislang häufig noch zu wünschen übrig. Für einen aktuellen Qualitätsreport hat das IQTIG die Daten aus dem Jahr 2014 in einer Stichprobe untersucht. Mehr als ein Drittel der überprüften Daten sind „fehlerhaft dokumentiert“, heißt es in dem Bericht, in dem die Qualitätsberichte der Kliniken ausgewertet werden.
Wie gefährlich schlechte Qualität im Krankenhaus sein kann, zeigt das Beispiel der Uniklinik Frankfurt. Drei der vier Patienten, die in den vergangenen beiden Jahren ein Herz transplantiert bekamen, starben. Angesichts dieser hohen Sterberate hat der G-BA der Klinik verboten, weitere Herztransplantationen durchzuführen. Es habe „Gefahr im Verzug“ bestanden, erklärte Peter Follert von der GKV.
IQTIG-Leiter will „nicht weiter zuschauen“
Laut KHSG sollen Kliniken mit schlechter Behandlungsqualität künftig schlechter vergütet werden. Bislang ist es jedoch ein Einzelfall, dass Krankenhäusern Konsequenzen drohen, wenn sie schlecht behandeln. Zahlreiche Kliniken weisen laut GKV-Experten Follert seit Jahren Qualitätsmängel auf – ohne jede Konsequenz. Zum Beispiel bei einem Oberschenkelbruch, der hüftgelenknahen Femurfraktur. Werden die meist älteren Patienten nach einem Sturz innerhalb von 24 Stunden behandelt, sinkt die Wahrscheinlichkeit von Thrombose oder einer Lungenembolie. Dieser Zeitraum verstreicht jedoch in vielen Krankenhäusern, gerade am Wochenende, ohne Behandlung. So tragisch das für den Patienten sein kann, so wenig berührt es das Krankenhaus – obwohl die Mängel öffentlich einsehbar sind.
Das soll sich nun ändern. Man sei „erschrocken“, dass bei Frühgeburten in vielen Kliniken beispielsweise kein Kinderarzt anwesend sei, sagt IQTIG-Leiter Veit. Dabei steigere ein Pädiater vor Ort die Überlebenswahrscheinlichkeit des Frühgeborenen erheblich. „Hier wollen wir nicht weiter zuschauen“, sagt er.
Der Kuschelkurs ist vorbei
In seinem Vortrag auf der Qualitätssicherungskonferenz kündigte er an, dass der Kuschelkurs in der Qualitätssicherung nun vorbei sei. Sein Institut hat dem G-BA, wie im Klinik-Gesetz vorgesehen, nun Vorschläge für sogenannte planungsrelevante Qualitätsindikatoren gemacht. Zur Erklärung: Die Bundesländer sind für die Klinikplanung verantwortlich. Sie bestimmen, wo welche Klinik ihre Pforten öffnen darf. Bislang wurde dabei rein demografisch vorgegangen. Je nach Bevölkerungsdichte und Krankheitslast können Kliniken eröffnet werden oder nicht. In Zukunft soll aber auch die Qualität der Kliniken entscheidend sein. Der G-BA muss nun entscheiden, welche vom IQTiG vorgeschlagenen Qualitätsindikatoren einer Klinik die Zulassung kosten können.
Laut einem Vorbericht des IQTIG sollen anfangs 22 Indikatoren aus den Bereichen Frauenheilkunde und Herzchirurgie Einfluss auf die Zulassung einer Abteilung oder eines ganzen Krankenhauses haben. Da die Indikatoren erst im kommenden Jahr gemessen werden können, können Patienten also frühestens im Jahr 2018 darauf hoffen, dass Krankenhäuser mit schlechter Qualität entsprechend bestraft oder vielleicht sogar geschlossen werden.
Dennoch dürfen Patienten vorsichtig optimistisch sein. Die Zahl der beanstandeten Qualitätsindikatoren ist laut dem aktuellen Qualitätsreport gesunken. Gleichzeitig ist die Zahl der Besprechungen, Begehungen und Zielvereinbarungen gestiegen, mit denen die Länder die Qualität in den Krankenhäusern prüfen. IQTIG-Leiter Veit erklärt das mit einem gestiegenen Bewusstsein für Qualitätssicherung in den Ländern. Und auch das medizinische Personal kann aufatmen. Das Institut hat die Dokumentation ausgemistet und zehn Prozent der Pflichtangaben gestrichen.
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