Österreich

Ärzte steigen aus Pilotprojekt e-Medikation aus

Berlin - 05.10.2016, 15:45 Uhr

Ohne uns: Österreichs Ärzte protestieren und steigen aus dem Projekt "e-Medikation" aus. (Foto: dpa)

Ohne uns: Österreichs Ärzte protestieren und steigen aus dem Projekt "e-Medikation" aus. (Foto: dpa)


Mit einem Pilotprojekt waren die Österreicher vor vier Monaten in die elektronische Arzneimittelverordnung eingestiegen. Bislang lief alles nach Plan, aber nun wollen die Ärzte plötzlich nicht mehr mitmachen. Die Apotheker sind nach wie vor überzeugt und wollen eventuell alleine weitermachen.

Eigentlich soll die e-Medikation bis Ende 2017 Zug um Zug in allen österreichischen Bundesländern in Betrieb gehen. Seit Ende Mai 2016 läuft in der Steiermark zunächst der Probebetrieb. Die österreichische e-Medikation ist gewissermaßen eine Mischung aus e-Rezept und elektronischem Medikationsplan: Der behandelnde Arzt trägt alle verordneten Medikamente in eine  elektronische Liste ein. Der Patient bekommt ein Rezept mit einem speziellen Code, der dann in der Apotheke abgescannt wird. Damit wird das Arzneimittel als „abgegeben“ markiert. Im Ergebnis besteht die e-Medikationsliste aus zwei Blöcken: „Abgeholte Arzneimittel“ und „Verschriebene Arzneimittel/offene Rezepte“.

Nach einer Pressemitteilung des Hauptverbandes der Österreichischen Sozialversicherungsträger hatten sich bis Mitte September im Bezirk Deutschlandsberg rund 30 Vertragsärzte, neun Apotheken, das Landeskrankenhaus und ein Pflegeheim zur freiwilligen Teilnahme an dem Piloten angemeldet.

Derzeit nutzen demnach 19 Ärzte regelmäßig die e-Medikation und es kommen laufend weitere dazu. Sieben Apotheken arbeiteten seit Anfang des Probebetriebes dauerhaft mit den eingesendeten e-Rezepten. Mittlerweile seien alle Apotheken im Bezirk Deutschlandsberg mit an Bord, erklärt der Kassenverband. Die Ärzte hätten bisher bereits rund 46.000 Verordnungen in e-Medikation gespeichert. Die Vorsitzende des Verbandsvorstands im Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger Ulrike Rabmer-Koller gab sich hoch erfreut: „Wir erhalten durchweg positives Feedback von den teilnehmenden Ärzten und Apothekern.“

Ärzte in der „EDV-Steinzeit“?

Die steirische Ärzteschaft war von Anfang an nicht übermäßig angetan von dem Projekt. So hatte zum Beispiel der Hausärzteverband massiv Stimmung gegen die E-Medikation gemacht. Die Ärzteschaft sei gespalten, sagte Gesundheitslandesrat Christopher Drexler im Mai 2016 in einem Interview. Die Ärztekammer poche darauf, dass die Investitionen für die IT, der Betrieb und der Zeitaufwand für die e-Medikation von der öffentlichen Hand bezahlt werden sollen.

Jetzt gehen die Ärzte noch einen Schritt weiter: „Den Ärzten im Bezirk Deutschlandsberg, die freiwillig und ohne jegliche Gegenleistung viel Zeit in den Pilotversuch E-Medikation gesteckt haben, reicht es“, heißt es in einer Mitteilung der Ärztekammer Steiermark. 

Die Mediziner brechen die Teilnahme an dem Projekt ab. Der Pilotversuch sei von Anfang an von Problemen begleitet gewesen. So habe die mangelnde Kompatibilität der E-Medikations-Applikation mit der Ärztesoftware zu Ausfällen und erheblichen Zeitverzögerungen geführt. Teilnehmer hätten schon länger darüber geklagt, dass die SV-Chipkarten Betriebs- und Errichtungsgesellschaft (SVC) diese Probleme nicht lösen konnte. Stattdessen habe sie die Schuld am Versagen der Applikation denjenigen zugeschoben, die freiwillig an dem Pilotprojekt teilnahmen. Der Gipfel: Bei einer Pressekonferenz hatte Volker Schörghofer, Generaldirektor-Stellvertreter des Hauptverbandes und Geschäftsführer der SVC der Ärzteschaft vorgeworfen, sie arbeite in der „EDV-Steinzeit“.

Apotheker würden e-Medikation auch alleine weiterführen

Der steirische Ärztekammerpräsident Herwig Lindner kontert: „Die Ärzte arbeiten in der EDV-Realität, der sich die EDV-Traumwelt der SVC nicht anpassen kann oder will.“ Das mache die Fortführung des Pilotversuchs sinnlos, weil die E-Medikation noch nicht funktioniere. Linder will deshalb, dass die Ärztesoftware-Hersteller zunächst ihre Hausaufgaben machen. Außerdem will er vorab die Finanzierung der E-Medikation geklärt haben, und zwar durch den Staat. 

Unverantwortlicher Schritt

Rabmer-Koller reagiert empört auf die aktuelle Entwicklung: „Die Ankündigung der Ärztekammer, dass die bereits teilnehmenden Ärzte aus dem laufenden e-Medikations-Projekt in Deutschlandsberg aussteigen, wäre ein unverantwortlicher Schritt in die falsche Richtung. Patienten in ganz Österreich warten auf die e-Medikation.“ Die Vorwürfe, die Basis der e-Medikation funktioniere nicht, wies Rabmer-Koller vehement zurück. Der Probebetrieb e-Medikation in der Steiermark laufe technisch einwandfrei. Für sie liegt der Grund für die plötzliche Blockade einzig und allein in der Frage der Finanzierung.  

Zur Not auch ohne die Ärzte

Die Österreichische Apothekerkammer hat heute in einer Pressemitteilung bekräftigt, dass die Apotheker das Projekt „e-Medikation“ unterstützen und dass eine Zusammenarbeit aller Gesundheitsberufe bei der Umsetzung wünschenswert wäre. Falls dies nicht erfolge, hält die  Apothekerkammer es für möglich, dass die Apotheken die e-Medikation auch alleine durchführen. Patientenanwalt Gerald Bachinger hatte gestern im österreichischen Fernsehen Entsprechendes gefordert. Dies erfordere jedoch neue Rahmenbedingungen und sei mit einem beträchtlichen Mehraufwand für die Apotheken verbunden, der abgegolten werden müsse, teilte die Kammer mit. Die Umsetzung der elektronischen Verordnung ist für die Apotheker von großer Bedeutung, weil sich das Medikationsmanagement direkt daran anschließt. Denn: Erst wenn Apotheken und Ärzte digital vernetzt sind, kann das Medikationsmanagement in Österreich flächendeckend starten.

Damit die Apotheker das Medikationsmanagement künftig aber auch ohne die Ärzte anbieten können, muss sich laut Kammer Folgendes ändern: Erstens müssten die Kunden davon überzeugt werden, dass sie ihre e-Card auch in der Apotheke und niht nur in der Arztpraxis beantragen könnten. Zweitens müsste der Mehraufwand der Apotheker nach dem Ausstieg der Mediziner zusätzlich vergütet werden. Und drittens sollten die Krankenkassen die Pharmazeuten bei diesem Vorhaben unterstützen.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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