Neues Regierungsprogramm

Indonesien kämpft gegen Genitalverstümmelung

Tapos - 09.11.2016, 13:30 Uhr

Nicht nur Amnesty macht mobil: Die indonesische Regierung setzt ein neues Programm gegen die noch weit verbreitete Genitalverstümmelung auf. (Foto: dpa / picture alliance)

Nicht nur Amnesty macht mobil: Die indonesische Regierung setzt ein neues Programm gegen die noch weit verbreitete Genitalverstümmelung auf. (Foto: dpa / picture alliance)


Mehr als jedes zweite Mädchen in Indonesien ist beschnitten. Die Regierung versucht nun erneut, weibliche Genitalverstümmelung in dem Inselstaat zu verbannen. Doch alte Traditionen stehen dem Plan entgegen.

Tunyati wiegt ihre sieben Monate alte Tochter sanft in ihrem Schoß. Die Indonesierin hat das Kind beschneiden lassen, sofort nachdem sie es zur Welt brachte. Sie ist überzeugt, dass sie damit eine religiöse Pflicht erfüllt hat. „Ich folge Allahs Gesetz, das wird seit Generationen so gemacht“, sagt die 36-jährige Muslimin. „Jeder in meinem erweiterten Familienkreis ist beschnitten, ob männlich oder weiblich.“

Viele in Indonesien, dem bevölkerungsreichsten mehrheitlich muslimischen Land der Welt, teilen Tunyatis Einstellung. 51 Prozent der indonesischen Mädchen bis elf Jahre sind beschnitten, das sind ungefähr 14 Millionen Kinder, wie eine Untersuchung des indonesischen Gesundheitsministeriums 2013 ergab.

Weltweit haben nach UN-Schätzung 200 Millionen Frauen und Mädchen eine Beschneidung erlitten. Einige tragen schwere körperliche Schäden davon. Sie reichen von hohem Blutverlust, andauernden Schmerzen, chronischen Infekten und HIV-Infektionen bis zu Inkontinenz, risikoreichen Geburten oder Sterilität.

Einsatzgruppe soll Beschneidungs-Tradition beenden

Die indonesische Regierung hat nun einen neuen Anlauf gestartet, um die Beschneidung von Mädchen zu stoppen. „Wir haben eine Einsatzgruppe ins Leben gerufen, die religiöse Führer und Frauenorganisationen dazu bewegen soll, diesen Brauch zu beenden“, sagt die Frauen- und Jugendministerin Yohana Yambise im vergangenen Monat. Frühere Versuche waren am Widerstand islamischer Organisationen gescheitert.

Hasanuddin Abdul Fatah ist Leiter der sogenannten Fatwa-Kommission und befasst sich mit der Auslegung muslimischen Rechts in Indonesien. Für ihn ist klar: Die Scharia sieht eine Beschneidung für Mädchen vor. „Die Frage ist nun: Folgen wir dem Ministerium oder der Scharia?“, sagt er.

Islamische Verbände machen Druck

2006 hatte die Regierung zum ersten Mal ein Verbot ausgesprochen. Auf Druck von islamischen Organisationen nahm sie es vier Jahre später jedoch wieder zurück und veröffentlichte stattdessen eine Anleitung, wie medizinisches Fachpersonal die Eingriffe durchzuführen habe.

Nach Angaben der Frauenrechtsorganisation „Terre des femmes“ sah die Anleitung vor, die Klitorisvorhaut einzuritzen, ohne die Klitoris selbst zu verletzen. 2014 wurde die Empfehlung zurückgezogen. Wer Eingriffe durchführt, muss keine Strafen fürchten. Laut „Terre des femmes“ ist in Indonesien das Reiben, Brennen und Einritzen der Klitoris verbreitet, teils werde auch Gewebe entfernt.

Nurlela Nurani, eine 26 Jahre alte Hebamme, berichtet, dass zumindest die schlimmsten Formen von Genitalverstümmelung in ihrer Region nicht mehr vorkämen. Sie arbeitet in einer Geburtsklinik in Tapos, nahe der indonesischen Hauptstadt Jakarta. Das Personal in ihrem Krankenhaus beschneidet keine Mädchen mehr. „Wir übernehmen nur die Wundreinigung, nicht das Schneiden selbst“, sagt sie.

Schwerer Kampf gegen das Brauchtum

Weltweit sinkt zwar der Anteil genitalverstümmelter Mädchen – hatten 1981 noch 51 Prozent der 15- bis 19-Jährigen Genitalverstümmelung erlitten, sind es laut UN derzeit noch 37 Prozent. Wie sich die Situation in Indonesien entwickelt, ist derzeit mit Zahlen jedoch nicht zu belegen. 

Wara P. Osing, Leiter der Abteilung für die Förderung der sexuellen Gesundheit im Gesundheitsministerium, ist dennoch überzeugt, dass immer weniger Familien ihre Töchter beschneiden lassen. Die Erkenntnis, dass es sich dabei um eine Form von Gewalt gegen Kinder handele, setze sich zunehmend durch, sagt er. Den Kampf gegen die Genitalverstümmelung könne sein Ministerium aber nicht allein gewinnen. „Denn das Problem wurzelt in Traditionen und religiösem Brauchtum, die seit Generationen weitergegeben worden sind.“



dpa / DAZ.online
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