Aus der Traum

Kriege verhindern die Ausrottung von Polio

Berlin - 03.01.2017, 10:00 Uhr

Nicht nur eine logistische Herausforderung: Impfaktion der Unicef in Pakistan. (Foto: dpa)

Nicht nur eine logistische Herausforderung: Impfaktion der Unicef in Pakistan. (Foto: dpa)


Die Pocken sind erledigt, Polio sollte der nächste Triumph werden: 2016 wollte die Weltgesundheitsorganisation die Viren der Kinderlähmung besiegen. Verhindert haben das auch Terroristen.

Das Schreckgespenst der Vergangenheit hat in einem schmalen Reagenzglas gesteckt. Bei Minusgraden lagerten im Labor des Berliner Robert Koch-Instituts (RKI) bis zum Jahresende spezielle Erreger der Kinderlähmung. Die Impf- und Wildviren vom Polio-Typ 2 aber wird es 2017 nicht mehr geben. Denn dieses Virus gilt weltweit als ausgerottet und deshalb ist es auch im RKI-Labor den Hitzetod gestorben. Für die beiden anderen Polio-Erreger aber gibt es noch keine Entwarnung. Im Gegenteil: Krisen und Kriege haben die Hoffnung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) platzen lassen, die Kinderlähmung im Jahr 2016 weltweit auszurotten, berichtet Sabine Diedrich, Leiterin des Nationalen Referenzzentrums für Poliomyelitis und Enteroviren am RKI.

„Kinderlähmung ist bitter. Schluckimpfung ist süß.“ Die Slogans der Gesundheitskampagnen haben sich in das Gedächtnis der älteren Generationen eingebrannt. Bei den Epidemien 1953 und 1954 gab es in Deutschland tausende Polio-Fälle mit fast 10.000 Toten. Am häufigsten traf es Kinder und Jugendliche. Wer überlebte, trug häufig Lähmungen an Armen oder Beinen davon. Bis heute ist Kinderlähmung nicht heilbar. Doch die Schluckimpfung auf einem Stück Würfelzucker habe innerhalb nur eines Jahres zu einem fast vollständigen Rückgang der Neuerkrankungen in Deutschland geführt, berichtet Diedrich.

„Die Polio-Bekämpfung ist seit den Massenimpfungen Ende der 1980er-Jahre weltweit eine Erfolgsgeschichte“, sagt auch Rudi Tarneden, Sprecher des Kinderhilfswerks Unicef. Rund 15 Millionen Kindern seien durch die Immunisierungen, die heute 15 Cent pro Dosis kosten, Lähmungen erspart geblieben. Und 700.000 Todesfälle durch Polio konnten verhindert worden, schätzt Unicef. Zusammen mit Partnerorganisationen erreiche das Hilfswerk heute mit der Schluckimpfung weltweit jedes dritte Kind.

Und doch bleibt der wunde Punkt: Anders als für die Pocken gibt es für diese große Geißel der Menschheit keine Entwarnung. Es gibt zwar nur vergleichsweise wenige Fälle – aber jeder ist ein herber Rückschlag.



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