Direktbestellung, Kontingentierung, Lieferengpässe

Großhändler wollen Einkaufskonditionen deutlich kürzen

Berlin - 05.01.2017, 14:00 Uhr

Hersteller liefern nicht, Apotheker müssen leiden: Die Großhändler Gehe und Phoenix streichen Rabatte für Kontingent-Arzneimittel und wollen Liefer-Konditionen deutlich überdenken. (Foto: Phagro)

Hersteller liefern nicht, Apotheker müssen leiden: Die Großhändler Gehe und Phoenix streichen Rabatte für Kontingent-Arzneimittel und wollen Liefer-Konditionen deutlich überdenken. (Foto: Phagro)


Für Apotheker, die bei Gehe und Phoenix bestellen, beginnt das neue Jahr mit einer Hiobsbotschaft: Beide Unternehmen gewähren ihren Kunden keine Rabatte mehr auf sogenannte Kontingent-Arzneimittel, also Medikamente, die der Hersteller nur in begrenzter Menge ausliefert. Phoenix will sogar seine gesamte Rabatt-Struktur überdenken. Dahinter steckt ein größeres, versorgungspolitisches Problem.

Bereits Mitte Dezember verschickte die Gehe Briefe an ihre Kunden. Die Betreffzeile „Mehr Service und verbesserte Lieferfähigkeit“ dürfte in den Ohren der meisten Apotheker zunächst harmlos geklungen haben. Ebenso harmlos begann das Schreiben auch: Der Großhändler teilte seinen Kunden mit, dass es ab dem 1. Januar 2017 einen neuen Service gebe. Sammelrechnungen könnten die Pharmazeuten ab dann nämlich auch digital im Gehe-Kundenportal über das Internet abrufen.

Dann wurde es aber zunehmend ernster im Vor-Weihnachts-Brief der Gehe. Man arbeite „permanent“ an Maßnahmen zur Verbesserung der Lieferfähigkeit, schreibt der Großhändler – zunächst aber auch ohne konkreten Hintergrund. 2017 wolle man diese Maßnahmen ausbauen und das Team, welches sich um die Warenbeschaffung bei Lieferengpässen kümmert, erweitern. So weit, so gut. Die für die Apotheker wirtschaftlich relevanteste Nachricht folgte dann aber im letzten Satz des Briefes: „Um für eine bestmögliche Versorgung der Vor-Ort-Apotheken auch weiterhin sorgen zu können, werden wir Ihre Bestellung von Kontingentartikeln ab dem 01.01.2017 zum AEP annehmen und berechnen.“ Heißt konkret: Für Medikamente, die die Hersteller gegenüber dem Großhandel kontingentieren, also nur noch begrenzt ausliefern, will die Gehe den Apothekern keine Rabatte mehr gewähren.

Welche Medikmente von dieser Rabatt-Streichung betroffen sind, wollte eine Unternehmenssprecherin nicht kommentieren. Nur so viel: Im Brief heißt es dazu, dass eine Liste im Kundenportal veröffentlicht werde. „Es handelt sich um Artikel, die vom Hersteller kontingentiert werden. Da wir diese Ware nicht in ausreichender Menge vom Hersteller erhalten, benötigen wir die Kontingente um die Nachfrage der Patienten möglichst flächendeckend bedienen zu können.“ Auf die Frage, warum auf diese Artikel keine Rabatte mehr angeboten werden, antwortete die Sprecherin ausweichend: Man arbeite daran, die Lieferfähigkeit zu verbessern und wolle sich dem Bedarf der Apotheken anpassen.

Phoenix kündigt deutliche Änderungen an

Drastischer und direkter klingt hingegen das Schreiben des Mannheimer Pharmahändlers Phoenix. Die von den Herstellern kontingentierten Artikel stellten eine „große Herausforderung“ dar. Ab dem 1. Februar werde man Kontingent-Arzneimittel nur noch zum AEP anbieten. Doch damit nicht genug: Offenbar will Phoenix mit mehreren Maßnahmen auf die Marktentwicklungen reagieren. Denn in dem Brief heißt es: „Die aktuelle Marktentwicklung und die daraus resultierenden Auswirkungen machen es zudem erforderlich, das derzeitige Vergütungsniveau deutlich zu reduzieren.“ Dem Großhändler seien die „Unterschiedlichkeiten der individuellen Apothekenstrukturen“ bewusst. Daher werde ein Kundenberater Kontakt aufnehmen, um diese Maßnahmen mit den Pharmazeuten zu besprechen.

BMG sieht keinen Handlungsbedarf

Doch hinter dem Schachzug der Pharmagroßhändler stecken mehr als nur unternehmensinterne Entscheidungen. Vielmehr reagieren Gehe und Phoenix mit ihrer Rabatt-Streichung auf eine Marktentwicklung, die vielen Marktbeteiligten Kopfschmerzen bereitet. Denn viele Hersteller kontingentieren inzwischen ihre Artikel. Konkret heißt das, dass nur noch ein Teil der bestellten Menge auch tatsächlich ausgeliefert wird.

Das kann es dem Großhandel schwer machen, seinen Sicherstellungsauftrag zu erfüllen. Einige große Hersteller haben hierfür eigene Unternehmen gegründet, etwa Pharma Mall oder PharmLog. Für die Apotheken ist der Direktvertrieb oft mit einem bürokratischen Mehraufwand verbunden und auch finanziell ein nachteiliges Geschäft. Für Patienten resultieren aus dem Geschäftsmodell häufig längere Wartezeiten.

Die Linksfraktion im Bundestag hatte diese Entwicklung bereits in einer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung kritisch ins Visier genommen. Die Oppositionsfraktion stellte dem Bundesgesundheitsministerium 27 Fragen zur aktuellen Situation der Arzneimittel-Lieferkette und zum Thema Kontingentierung. Staatssekretärin Ingrid Fischbach (CDU) wich allerdings vielen Fragen aus. Es gebe keine belastbaren Hinweise zum Vorkommen und zu etwaigen Nachteilen der Kontingentierung.

Zudem seien die Länder zuständig für die Überwachung des Arzneimittelverkehrs. Auf diese Antwort verwies die Staatssekretärin gleich bei mehreren Fragen. Etwa auf die, ob die Bundesregierung ein Vollzugsproblem beim Sicherstellungsauftrag vermutet. Oder auch, welchen Handlungsbedarf sie zur Vermeidung von Lieferengpässen aufgrund nicht bedarfsgerechter Kontingentierung oder versorgungsgefährdenen Exports sehe. „Keine Erkenntnisse“ habe das Ministerium auch darüber, ob Apotheken praktisch zum Direktkauf gezwungen sind oder wie die Konditionen der Pharmaunternehmen und Großhändler sind.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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6 Kommentare

Konditionskürzung

von Kirschapotheker am 06.01.2017 um 15:59 Uhr

Vielleicht müssen ja den holländischen Kollegen die Konditionen verbessert werden?

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Frau Fischbach setzen, 6 !

von Dr. Ralf Schabik am 05.01.2017 um 18:36 Uhr

Was für "belastbare Hinweise" braucht die Frau Staatssekretärin ? Ich lade sie gerne mal zum Besuch in unseres Kellers, des Dachbodens, der Garage ein. Warum ? Dort "zweitverwerte" ich die sehr praktischen udn wunderbar stapelbaren Kartons eines Herstellers, der zu den Top Ten der lieferunfähigen Firmen zählt. Und auch noch so blöd ist, die Direktbestellungen so zu splitten, dass Artikel EINZELN in Kartons liegen. Mittlerweile versorge ich sogar einen befreundeten Mittelständler mit dem Verpackungsmaterial, mit dem uns ASTRA beglückt. Wir sparen Gelbe Säcke, ER sich den Kauf von Stopfmaterial. Frau Fischbach: DAS sind ganz deutliche Hinweise, wie bescheuert die Situation ist. Zahlen, die sich ganz einfach aus der Warenwirtschaft exportieren lassen, scheinen ja nicht zu interessieren. Ein Armutszeugnis für eine Staatssekretärin.

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GH -Konditionen

von Dr.Diefenbach am 05.01.2017 um 18:02 Uhr

Hier wird es höchste Zeit einmal wieder auf die Dinge hinzuweisen,die Andere verschulden,uns in der Praxis aber ausbaden lassen wollen.Phönix glänzte mit einem Superabschluss vor wenigen Monaten,Gehe hat den eigenen Niedergang durch smarte Chefs selbst herbeigeführt-nun gehts wieder mal an die Konditionen.WIR haben nichts zu verschenken.zB zahle ich doch seit langem für Energiekosten ,dabei sind die Benzinpreise drastisch gefallen..Dann frage ich mich,WOZU es immer mich diese blöden Hefte mit Uhren,Porzellan und anderen Wundern des Lebens gibt,die die Großhändler monatlich vertreiben(möchten).Das kostet sicher auch alles Zusatzgeld,oder?
Nein.wir sollten uns Brandbriefe unserer Händler nicht bieten lassen,da auch hier durch schräge Ausllandsverkäufe Engpässe nicht auszuschließen sind.Immer wieder weisen Hersteller auch darauf hin,dass SIE genug liefen,die Großhändler aber "neue"Geschäftsfelder beschreiten....(Beweise enthalten sie alle uns vor).Fakt ist:MEHR Lieferengpässe denn je liegen vor,gelogen in dieser Sache wird auch mehr denn je.Ausgetragen auf dem Rücken der Patienten und uns in der Praxis !WIDERSTAND ist angesagt

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BMG und Kompetenz bei Lieferproblemen ?!

von Ratatosk am 05.01.2017 um 14:45 Uhr

Diese Dame hat den Grad der Kompetenz schon oft bewiesen, eine Ausbildung für logistische Fragen liegt ja auch nicht vor.
Wenn Apotheken vernichtet werden und in der Fläche absterben, ist es ja auch ein nur schlecht kaschiertes Ziel der Regierung. Jeder Umsatz der Landapotheken landet dann irgendwann bei den zu begünstigen Großstrukturen.
Wenn man von nicht belastbaren ( wie definiert denn ?!) Hinweisen sprichht, erfüllt es jedoch schon den Tatbestand der Lüge. Hierbei gehören jedoch solche Ministerien schon lange zu den Unantastbaren, mitsamt der Erfüllungsgehilfen/innen.

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Kontingent-Arzneimittel

von Gregor Huesmann am 05.01.2017 um 14:40 Uhr

Der Sozialismus und die Planwirtschaft haben uns endgültig erreicht. Bei uns werden also Arzneimittel kontingentiert - und das schon seit geraumer Zeit - wie Kaffee und Bananen in der DDR.

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AW: Kontingent-Arzneimittel

von Christa Fraatz am 06.01.2017 um 9:20 Uhr

Armes Deutschland! Wir hatten einmal das beste Gesundheitssystem der Welt...

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