Blutzuckerteststreifen

Rabattverträge mit Hürden für Apotheker

Berlin - 06.01.2017, 07:20 Uhr

Rabattvertrag mit Haken: Das Geld, das die Kassen mit den Verträgen sparen, wollen sie teilweise an die Apotheken weitergeben – doch das erweist sich als schwierig. (Foto: Schelbert)

Rabattvertrag mit Haken: Das Geld, das die Kassen mit den Verträgen sparen, wollen sie teilweise an die Apotheken weitergeben – doch das erweist sich als schwierig. (Foto: Schelbert)


Die Ersatzkassen – mit Ausnahme der Barmer – haben zum 1. Januar 2017 Open-House-Rabattverträge zu Blutzuckerteststreifen geschlossen. Das Besondere: Apotheken sollen an den Einsparungen teilhaben. Doch die praktische Umsetzung erweist sich zum Vertragsstart als schwierig.

Es klingt verlockend für Apotheken: Die Techniker Krankenkasse (TK), die DAK-Gesundheit, die KKH, die HEK und die Hkk haben in einem gemeinsamen Open-House-Verfahren Rabattverträge über Blutzuckerteststreifen geschlossen. Sie sollen die bislang für die Erstattung von Teststreifen geltende Anlage 4 zum Arzneiversorgungsvertrag (AVV) zwischen Deutschem Apothekerverband (DAV) und dem Ersatzkassenverband vdek ergänzen. Das Geld, das die Kassen mit den Verträgen sparen, wollen sie teilweise an die Apotheken weitergeben – schließlich sollen sie dafür sorgen, dass die Versicherten mit den günstigeren Rabatt-Teststreifen versorgt werden.

Deshalb verspricht die TK: Stellt eine Apotheke einen Patienten auf Rabatt-Teststreifen um, wird ihr dies zum einen auf die Erfüllung der sogenannten „B-Quote“ nach Anlage 4 angerechnet – selbst wenn die rabattierten Teststreifen eigentlich nicht in die wirtschaftliche Preisgruppe B fallen. Zur Erinnerung: Nach dieser Anlage 4 sind Apotheken verpflichtet, 55 Prozent der Teststreifen-Verordnungen mit Produkten der sogenannten Preisklasse B zu beliefern. Wird diese Quote in einem Kalenderhalbjahr nicht erreicht, muss die Apotheke die entstandene Preisdifferenz von 2,95 Euro je Packung à 50/51 Stück erstatten.

20 Euro für die Umstellung, 50 Cent pro 50er-Packung

Doch es gibt noch mehr Anreize: Zusätzlich können Apotheken die in der Anlage 4 vorgesehene Umstellungsgebühr von 20 Euro (netto) für die Beratung und den Geräteaustausch auch bei Umstellung auf rabattierte Blutzuckerteststreifen abrechnen. Hier gilt also ebenfalls das gleiche wie bei der Umstellung von teureren Produkten auf B-Teststreifen. Und: Egal, ob der Versicherte in den letzten zwei Jahren bereits auf ein Produkt der B-Gruppe umgestellt wurde – die Pauschale kann erneut abgerechnet werden, wenn eine weitere Umstellung auf Rabatt-Teststreifen erfolgt.

Überdies – und dafür gibt es in der Anlage 4 keine Entsprechung – sollen Apotheken 50 Cent (netto) pro abgegebener 50er-Packung zusätzlich zum vereinbarten Preis abrechnen können. Die Abrechnung der zusätzlichen Vergütung erfolgt dabei über die Sonder-PZN 09999637.

Software bildet Open-House-Verträge nicht ab

Die TK hatte den 1. Januar 2017 als Starttermin für die neuen Verträge angekündigt. Ausnahmen gibt es bei der DAK Gesundheit (Start: 16. März 2017) und der Hkk (Start: 1. April 2017). Doch auch bei TK, KKH und HEK gibt es noch einen Haken für die Apotheken: Ihre Software meldet die Open-House-Rabattverträge nicht. Wer also etwa für einen TK-versicherten Kunden nach rabattierten Teststreifen sucht, muss die jeweils aktuelle Liste mit den Rabattpartnern der Ersatzkassen kennen. Sie ist auf der Webseite des vdek zu finden. Derzeit sind dort acht Produkte gelistet (Stand: 1. Januar 2017). Vertragspartner sind Johnson & Johnson Diabetes Care Companies,  Berlin-Chemie, aktivmed, Abbott Diabetes Care und Ypsomed. Da es sich um Open-House-Verträge handelt, ist die Liste allerdings nicht fix  – die Kassen heißen jeden Hersteller willkommen, der bereit ist, ihre Konditionen zu akzeptieren. Apotheken müssen sich also auf dem Laufenden halten. Wird sodann ein rabattierter Artikel abgegeben, so muss die Sonder-PZN händisch ergänzt werden.

Das bedeutet einigen Aufwand für die Apotheken, wenn sie die versprochene zusätzliche Vergütung abrechnen wollen. Bei der TK hofft man aber, dass es bald einfacher für die Pharmazeuten wird. Die Kassen haben aus ihrer Sicht jedenfalls alles getan, um die Apotheker an den Einsparungen zu beteiligen. Zwar kam es bei den Verhandlungen mit dem DAV über die neuen Rabattverträge nicht zu einer vertraglichen Vereinbarung – ein Umstand, den die TK der Apothekerseite zuschreibt. Die Rabattverträge seien den Softwarehäusern jedoch gemeldet, erklärte Tim Steimle, Fachbereichsleiter Arzneimittel bei der TK, gegenüber DAZ.online. Diese nun einzuspielen, sei eine Sache, um die sich die ABDATA kümmern müsse. Auch die Landesapothekerverbände sieht die TK gefordert. Sie müssten ihre Mitglieder nun über die Neuerungen informieren – nachdem die TK ihrerseits die Verbände über das Procedere in Kenntnis gesetzt habe.

Kein Jubel bei den Apothekerverbänden

Skeptische Zurückhaltung herrscht beim DAV und auch bei Landesapothekerverbänden. So betonte ein DAV-Sprecher, dass die Verträge nicht mit dem DAV vereinbart worden und deswegen nicht in der Software abgebildet seien. Auch aus der Landesebene ist zu vernehmen, dass es sich hier nur um einseitige Willenserklärungen der Kassen handele, die den Apothekern für die Abrechnung keine vertragliche Sicherheit böten. Selbst die Rechenzentren könnten die Verträge zwischen Kassen und Herstellern letztlich nicht überprüfen. Überdies sei die Vorstellung der TK technisch gar nicht so einfach umzusetzen.

Gefragt, wie Apotheker sich nun verhalten sollen, verweist der DAV auf die Landesapothekerverbände. Sie würden „ihre Mitgliedsapotheken zu gegebener Zeit informieren“. Zum weiteren Vorgehen wollte sich der Sprecher nicht äußeren. Er verwies auf noch laufende Gespräche, „bei denen Vertraulichkeit gewahrt bleibt“.

Auch die TK will die Apotheke Ende Januar/Anfang Februar nochmal direkt informieren. Vorerst bleibt die Situation für die Apotheken also unbefriedigend. Jeder muss sich selbst die Frage stellen, wie viel ihm der Aufwand wert ist. Sicher ist: Die Anlage 4 vom AVV ist weiterhin gültig.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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4 Kommentare

Verlockung ?

von Dr. Ralf Schabik am 06.01.2017 um 18:33 Uhr

Verlockend klingt da GAR NIX ! Mein oberstes Ziel ist, dass JEDER BZ-Patient sein Gerät fehlerfrei beherrscht und dass WIR als Berater an seiner Seite kompetent zur Verfügung stehen. "Never change a running system" - ich tue es mir NICHT an, einen Patienten umzustellen und zu riskieren, dass es zu Komplikationen kommt. Wozu denn ? Der Ärger, den ich riskiere, wenn irgendwas nicht klappt, der ist teurer als das "verlockende Angebot". Wenn wir immer mehr verschiedene Systeme in der Apotheke vorhalten sollen, schafft das nicht nur Verwirrung, sondern gefährdet irgendwann auch die Lieferfähigkeit. Fazit: Wir dürfen nicht einmal mehr Kugelschreiber annehmen, ohne Gefahr zu laufen, mit dem Antikorruptionsgesetz über Kreuz zu kommen. Und hier sollen wir uns plötzlich kaufen lassen ? NEIN !

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AW: Verlockung

von Heiko Barz am 07.01.2017 um 11:31 Uhr

Zustimmung auf ganzer Breite!
Wie sagt Goethe im Faust - Blut ist ein besonderer Saft -
Wenn KKassen den Apothekern finanzielle Vorteile anbieten, dann habe jene ihre eigenen Gewinne im Voraus genau berechnet.
Gern erinnere ich an das Fiasko mit der Barmer EK, die Apotheker in die Pflicht nehmen wollte, um als Hausapotheker den Patienten für ein Handgeld verpflichtet zu sein.
Wer damals nicht an den sogenannten Barmer Fortbildungskursen teilnahm, der sollte aus dieser Versorgung ausgeschlossen werden. Auch wurde zu jener Zeit finanzieller Vorteil für teilnehmende Apos versprochen.
Wer daran teilnahm, der wird ein unangenehmes Gefühl in Erinnerung haben.
Also Hände weg, laßt Euch nicht wie Beim Faust durch verführerische Mephistophelsche Versprechungen aus Eurer Eigenständigkeit herausreißen.

NICHT MITMACHEN

von Alex Meier am 06.01.2017 um 8:33 Uhr

Das ist nur der Anfang . Irgendwann werden wir dazu gezwungen die Rabattverträge einzuhalten sonst werden wir wie bei Arzneimittel retaxiert. Liebe Kollegen seid schlau und macht nicht mit. Unterschützt die KK nicht . Sie wollen uns mit 50 Cent nur ködern um die Patienten auf bestimmte Produkte umzustellen und Ihnen die Funktionsweise zu erklären und in naher Zukunft über Rabattverträge mit Hersteller die Patienten direkt zu beliefern( siehe DAK und Inhalationsgeräte). Das letzte, was die Kassen wollen ist dass, die Apotheken von etwas langfristig profitieren. Bitte nicht mitmachen!!

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AW: Ergänzungen oder hintenrum ausgetrickst

von Bernd Jas am 06.01.2017 um 10:29 Uhr

Open-House-Verfahren sollen die bislang für die Erstattung von Teststreifen geltenden Regelungen (AVV) zwischen Deutschem Apothekerverband und dem Ersatzkassenverband ergänzen und so die Verhandlungen mit dem DAV dahingehend abrunden, dass nicht durchsetzbare Konditionen mit dem DAV hintenherum mit Einzel-Apotheken nun doch erreicht werden sollen.
Aber unterstützen müssen wir die KK im Rahmen der vereinbarten Rahmenbedingungen, jedoch sollten wir uns vehementer gegen Ungerechtigkeiten wie Null-Retaxen wehren.

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