Gesetzentwurf 

Mortler für Cannabis als Medizin - aber gegen generelle Freigabe 

Berlin - 17.01.2017, 08:30 Uhr


Cannabis vom Staat und dann per BtM-Rezept aus der Apotheke: Was in Deutschland lange undenkbar schien, soll bald Wirklichkeit werden. Die Drogenbeauftragte Marlene Mortler macht aber auch klar, wo bei ihr die Grenzen liegen.

Cannabis auf Rezept rückt in Deutschland näher. Ein Schritt zu einer Aufhebung des allgemeinen Cannabisverbots solle die Freigabe des Stoffs als Medizin aber nicht sein, sagte die Drogenbeauftragte Marlene Mortler am Montag beim Besuch einer Palliativstation in Berlin. An diesem Donnerstag will die Koalition im Bundestag einen Gesetzentwurf verabschieden, der schwerkranken Menschen den Weg zu dem Stoff auf Rezept ermöglichen soll.

Schwerkranke solle besserer Zugang zu Cannabis gegeben werden, sagte die CSU-Politikerin. Aber eine Freigabe des als illegale Droge eingestuften Stoffs für den Freizeitkonsum lehne sie ab. Mit steigender Verfügbarkeit würde nach ihrer Ansicht sonst auch der Konsum steigen.

Die Kosten sollen laut Gesetzentwurf von der Krankenkasse übernommen werden. Das Gesetz werde voraussichtlich im März in Kraft treten, sagte Mortler. „Cannabis als Medizin ist mit Sicherheit kein Wundermittel“, betonte sie, „aber jeder soll das Recht haben, dass es bezahlt wird, wenn es hilft.“

Cannabis: 1000 Menschen mit Ausnahmeerlaubnis

Die Deutsche Schmerzgesellschaft begrüßte grundsätzlich das Gesetz und plädierte für einen niedrigschwelligen Zugang, wie ihr Geschäftsführer Thomas Isenberg deutlich machte. Es seien bisher keine bestimmten Krankheitsbilder definiert, bei denen Cannabis zum Einsatz kommen solle. Bei der Anwendung werde sich mit der Zeit zeigen, wie die Indikationen eingegrenzt werden könnten. Etwa bei Gewichtsverlust mit mangelndem Hunger oder tumorbedingter Übelkeit werde Cannabis angewendet.

Derzeit haben gut 1000 Patienten eine Ausnahmeerlaubnis des
Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte
(BfArM) zum Erwerb von getrockneten Cannabisblüten und Cannabisextrakten zur medizinischen Anwendung. Solche Genehmigungen sollen künftig nicht mehr nötig sein. Durch das Gesetz wird sich die Zahl der mit Cannabis behandelten Patienten nach Erwartung der Schmerzgesellschaft voraussichtlich erhöhen.

Ziel sei außerdem die Errichtung einer Cannabis-Agentur unter staatlicher Aufsicht für den Anbau, bekräftigte Mortler. Auch private Hersteller könnten sich dafür bewerben, aber wegen strenger Kriterien würden bei einem möglichen Verfahren am Ende wohl allenfalls wenige übrig bleiben.

Isenberg kritisierte, dass die Krankenkassen Anträge auf Erstattung erst durch ihre Medizinischen Dienste prüfen sollten. Mortler sagte, dafür sei eine verkürzte Entscheidungsfrist von drei bis fünf Tagen vorgesehen.

Nicht empfohlen: Cannabisblüten zu rauchen

Neben bestimmten Fertigarzneimitteln mit dem Cannabis-Stoff THC gibt es die Option, Öl aus Hanfpflanzen über eine Vorrichtung zu inhalieren. Cannabisblüten zu rauchen, sei aus ärztlicher Sicht wegen gesundheitlicher Risiken etwa durch das enthaltene Teer nicht zu empfehlen, so die Schmerzgesellschaft. Doch es gebe auch Patienten, denen es laut eigener Aussage am besten hilft, wenn sie es rauchen.

Frank Tempel, drogenpolitischer Sprecher der Linken, bemängelte, dass die Regierung das Straßenverkehrsrecht in dem Zusammenhang außer Acht lasse. „Viele Schmerzpatienten können durch eine Cannabistherapie überhaupt erst wieder ihr Auto nutzen. Doch bei Straßenverkehrskontrollen werden sie trotz anderslautender ärztlicher Beurteilung regelmäßig durch die Polizei verdächtigt, berauscht am Steuer zu sitzen.“



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4 Kommentare

Beitrag von Jan Elsner

von Franco am 24.02.2017 um 20:25 Uhr

Was nützt das beste Gesetz wenn es nicht praktikabel wird...
von Jan Elsner am 18.01.2017
ZITAT: "... Die Problematik wird nicht seitens der Krankenkassen bestehen die Kostenübernahme zu bestätigen - das Problem wird sein das kein Arzt es sich Leisten kann einen Patienten mit hohen verbrauch oder mehrere Patienten betreuen zu können. So lange Cannabis nicht als Praxisbesonderheit eingestuft wird sondern über das Budget werden Ärzte es sich schlicht weg nicht leisten können Cannabis im erforderlichen Umfang zu verschreiben..." ZITAT ENDE

BEMERKUNG :
Du hast recht, die Krankenkasse zahlt zwar nun, aber wenn der KASSENPATIENT zum Hausarzt geht oder wegen Knochenproblemen zum Orthopäde, wird dieser die Behandlung wegen der Kosten nicht übernehmen.
Man kann es sich dennoch verschreiben lassen. Und zwar in einer sogenannten 'Schwerpunktpraxis' für beispielsweise orthopädische Schmerzen oder man geht gleich in die Schmerzambulanz einer Klinik.
Beide Anlaufstellen sind nicht budget-gebunden, können in ihrem Bereich verschreiben was sie wollen und sind nicht regresspflichtig den Krankenkassen gegenüber.
Bei PRIVATPATIENTEN ist es egal, da kann das auch der Feld Wald und Wiesenarzt verschreiben.

P. S. Jedes größere Krankenhaus hat eine ambulante Abteilung für Schmerzpatienten

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Was nützt das beste Gesetz wenn es nicht praktikabel wird...

von Jan Elsner am 18.01.2017 um 13:41 Uhr

.... Das Gesetz wäre sicher ein Seegen für viele Patienten, nur am Ende werden sich nur Privatpatienten die Medizin leisten können. Die Problematik wird nicht seitens der Krankenkassen bestehen die Kostenübernahme zu bestätigen - das Problem wird sein das kein Arzt es sich Leisten kann einen Patienten mit hohen verbrauch oder mehrere Patienten betreuen zu können. So lange Cannabis nicht als Praxisbesonderheit eingestuft wird sondern über das Budget werden Ärzte es sich schlicht weg nicht leisten können Cannabis im erforderlichen Umfang zu verschreiben....

Der Patient wird nichteinmal dagegen Klagen können und es wird kaum Ärzte geben die die Kassen verklagen und sich dafür einsetzen.... alleine aus finanzieller Hinsicht (Prozesskostenrisiko) sowie zeitlichen Engagement.....

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Schwerkranke solle besserer Zugang zu Cannabis gegeben werden

von woewe am 17.01.2017 um 14:13 Uhr

sagte Mortler, "Cannabis als Medizin ist mit Sicherheit kein Wundermittel", betonte sie, "aber jeder soll das Recht haben, dass es bezahlt wird, wenn es hilft."

Es wurde ja auch höchste Zeit. Der Patient, der sich letztes Jahr vor dem BVerwG den Eigenanbau eingeklagt hatte, hatte nun auch 16 Jahre prozessiert, um zu diesen Ergebnis, um offiziell an seine Medizin zu gelangen. Und erst mit den gleichartigen Kölner Urteilen 2014 wurde auch der Gesetzgeber "munter", um eine Umsetzung dieser Urteile zu vermeiden.

Das heißt, diese Patienten haben die Reaktion des Gesetzgebers erzwungen, haben dieses neue Gesetz ausgerechnet auch der CDU/CSU abgetrotzt. Weder Mortler noch Gröhe sollen sich darauf etwas einbilden.

Hoffentlich wird das Gesetz den Patienten, den 2 offiziell, den einigen von Gerichten tolerierenden inoffiziell, den illegal anbauenden, den 1000 aus der Apotheke beziehenden, den vielen illegalen, halblegalen und den vielen Patienten, die sich immer noch nicht getraut haben, gerecht.

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Und das ewige Mantra der Prohibitionisten lautet

von woewe am 17.01.2017 um 12:14 Uhr

"Mit steigender Verfügbarkeit würde nach ihrer Ansicht sonst auch der Konsum steigen."

Dieses Mantra wird von den Prohibitions-Befürwortern ständig und überall wiederholt, ohne dass es irgendeinen Beleg dafür gibt, das Gegenteil ist der Fall:

"Es gibt keinen Zusammenhang zwischen den Gesetzesänderungen und den Prävalenzraten des Cannabiskonsums." Dr. Gaßmann, Leiter der DHS 2013 vor dem dt. Bundestag anhand der Zahlen der europ. Beobachtungsstelle EMCDDA,

Dasselbe auch bei Prof. Karl-Heiz Reuband, Spezialist für empirische Sozialforschung, 2004 in „Cannabis – Neue Beiträge zu einer alten Diskussion“.

Und daran hat sich auch 2015, das bestätigt der Bericht der EMCDDA aus diesem Jahr, nichts geändert.

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