Kamillentee von Kusmi

Extrem mit Schadstoffen belastet

Berlin - 23.01.2017, 09:00 Uhr

Stiftung Warentest hat den Kamillentee von Kusmi auf 28 verschiedene Pyrrolizidinalkaloide untersucht. Das Ergebnis: Der Hersteller nimmt die Tees vom Markt. (Bild: Stiftung Warentest)

Stiftung Warentest hat den Kamillentee von Kusmi auf 28 verschiedene Pyrrolizidinalkaloide untersucht. Das Ergebnis: Der Hersteller nimmt die Tees vom Markt. (Bild: Stiftung Warentest)


Die Stiftung Warentest hat in Kamillentee der französischen Marke „Kusmi Tea“ äußerst hohe Gehalte an Pyrrolizidinalkaloiden festgestellt. Der Inhalt eines einzigen Teebeutels enthält das 380-Fache der lang­fristig wenig bedenk­lichen Tages­zufuhr für einen Erwachsenen. Die Firma nimmt vorläufig alle Kamillentees vom Markt.

Nach einer Pressemitteilung war die Stiftung Warentest mitten in der Prüf­phase für einen Test von Kräuter­tees auf einen extrem mit Pyrrolizidinalkaloiden (PA) belasteten Kamillentee gestoßen. Es handelt sich um dieses Produkt:

Name: Kusmi Tea Camomille/Chamomille/Kamille

Verpackung: 20 sachets mousseline/20 muslin tea bags, 44 g

Mindest­halt­barkeits­datum: 10/2019

Chargen­nummer der Karton-Verpackung: LOT: 161031

Chargen­nummer der Teebeutel: LOT: KUS163121

Preis pro Packung im Online-Shop von Kusmi Tea: 11,40 Euro

Pyrrolizidinalkaloide sind natürliche Inhalts­stoffe vieler Wild­kräuter aus den Familien der Korb­blütler, Borretschgewächse und Hülsenfrüchtler. Diese können auch in Arznei- und Genuss-Tees geraten, wenn sie bei der Ernte mit erfasst und nicht aussortiert werden. Im Tier­versuch haben sich Pyrrolizidinalkaloide als eindeutig krebs­er­regend und erbgutschädigend erwiesen. Das Bundes­institut für Risiko­bewertung (BfR) geht davon aus, dass die Substanzen „auch beim Menschen kanzerogen wirken können“. Außerdem können hohe PA-Gehalte die menschliche Leber chro­nisch oder sogar akut schädigen. 

380-mal mehr als „wenig bedenk­lich“


Bislang gibt es weder einen gesetzlichen Höchst­gehalt in Lebens­mitteln, noch ist geklärt ist, welche der rund 660 bekannten Vertreter besonders kritisch sind. Als Über­gangs­lösung haben Wissenschaftler des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) und der Europäischen Lebens­mittel­behörde EFSA daher eine Tages­zufuhr für die Summe der Pyrrolizidinalkaloide berechnet, die laut BfR „hinsicht­lich möglicher Krebs­risiken als wenig bedenk­lich angesehen“ wird. Hiernach sollte ein 60 Kilogramm schwerer Erwachsener lang­fristig nicht mehr als 0,42 Mikrogramm täglich aufnehmen und ein 16 Kilogramm schweres Kleinkind nicht mehr als 0,11 Mikrogramm. 

Die Stiftung Warentest hat den Kamillentee von Kusmi auf 28 verschiedene Pyrrolizidinalkaloide untersucht. Das Ergebnis: Der Inhalt eines einzigen Teebeutels enthält 161 Mikrogramm PA. Das ist das 380-Fache der lang­fristig wenig bedenk­lichen Tages­zufuhr für einen Erwachsenen. Zwar seien sofortige Vergiftungen durch diese Belastung bei Erwachsenen und Kindern unwahr­scheinlich, meint Stiftung Warentest, aber der regel­mäßige Genuss berge chro­nische Risiken wie die Entstehung von Leber­zirrhosen und Tumoren. Sie warnt deshalb umgehend – zwei Monate vor Veröffent­lichung des Tests zu den Kräutertees – vor dem Genuss dieses Tees.

Orientis nimmt Kamillentee vom Markt

Nach anfänglichem Zögern habe das Unternehmen sich einsichtig gezeigt, berichtet Stiftung Warentest weiter. Laut Nachrichtenagentur AFP soll der Tee vom Markt genommen werden. Außerdem verweist die Stiftung auf eine Stellungnahme von Kusmi Tea auf dessen Facebook-Seite. Dort schreibt das Unternehmen, dass die Vertreiber-Firma Orientis, die den Tee auch in Deutsch­land vermarktet, vorsichts­halber „bis zur Klärung von Details einer Analyse“ alle Kamillen­tees im Sortiment vom europäischen Markt zurückziehe. Außerdem berate Kusmi Tea sich mit der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit.

Problematische Wild­kräuter aussortieren 

Laut Stiftung Warentest appelliert das BfR schon seit einigen Jahren an die Anbieter von Kräuter­tees, beim Anbau und der Ernte von Pflanzen für die Kräutertee- und Teeherstellung Sorgfalt walten zu lassen. So müssten zum Beispiel Wild­kräuter, die hohe Gehalte an Pyrrolizidinalkaloiden aufweisen, erkannt und aussortiert werden. Auch andere Lebens­mittel, wie Salat­mischungen, Honig oder andere Tees können mit PA belastet sein. Die Stiftung Warentest war bereits im Jahr 2015 beim Test von grünem Tee (test 10/2015) auf sechs Produkte mit über­höhten Gehalten gestoßen. Beim Test von schwarzem Tee (test 11/2014) hatte es ein Jahr zuvor ein kritisches Produkt gegeben. Laut Stiftung Warentest liegt der PA-Gehalt im Kamillentee von Kusmi rund 100-mal höher als die bisher in seinen Tee-Analysen gemessenen Werte.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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