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Sorry, war nicht so gemeint – der Rechtsstreit, der die Apothekenwelt aus den Angeln hob, ist zu Ende. Die Parkinsonvereinigung will in Zukunft nicht zum Versender. Aber die SPD- und Grünen-Gesundheitsexperten klammern sich an Boni und Rx-Versand. Könnte der neue SPD-Messias Martin ein Machtwort für die hart arbeitenden Apotheker sprechen? Der Spiegel glaubt mehr zu wissen: Wir haben einen Apothekenminister! Aber das Magazin weiß nicht, worum es wirklich geht. Traurig!
20. Februar 2017
Noch immer geistert der absurde Vorschlag der SPD-Politiker
Dittmar und Franke zum EuGH-Urteil durch die Landschaft: den Rx-Versand
beizubehalten, Boni auf Rx-Arzneimittel für zwei Jahre auf einen Euro in Form
von Warenzugaben zu begrenzen und in dieser Zeit die Apothekenvergütung neu zu
regeln. Kann man so naiv sein, so etwas vorzuschlagen? Man kann! Der Hamburger
Kammerpräsident Siemsen brachte es auf den Punkt: Die SPD-Politiker haben das
Problem nicht verstanden. Denn: „Der EuGH hat gesagt, Preisvorschriften sind
irrelevant, egal wo sie stehen“, erklärt Siemsen. Solche Vorschriften würden
also auch nur wieder deutsche Apotheken treffen, während die niederländischen
Versender munter weiter bonifizieren und rabattieren. Mein liebes Tagebuch,
ganz abgesehen davon: Eine Preis- und Bonischlacht, auch wenn sie erst in zwei
Jahren käme, können wir nicht gewinnen. Glaubt denn irgendjemand, dass unser
Apothekenhonorar so fürstlich angehoben wird, dass wir dann Spielräume für Boni
und Rabatte haben? Never!
Wie diese beiden SPD-Politiker Dittmar und Franke ticken und
wie die Gesundheitsexpertin der Grünen, Kordula Schulz-Asche, denkt, zeigte ein
Streit zwischen diesen Politikern und Apothekern auf Facebook. Ehrlich gesagt,
mein liebes Tagebuch, die Argumente der Politiker für den Rx-Versandhandel sind
dermaßen weich und unhaltbar! Alle Gründe der Politiker, warum der
Rx-Versandhandel erhalten bleiben sollte, können leicht entkräftet werden. Geht
es da doch nur noch um Ideologie? Da
möchte man den SPD-Gesundheitspolitikern ganz im Sinne ihres neuen Messias Martin
S. zurufen: Mehr Gerechtigkeit für den hart arbeitenden Apothekermittelstand!
DocMorris holt zum Gegenangriff aus. Der Versender ruft
seine Kunden dazu auf, gegen das geplante Rx-Versandverbots-Gesetz von Gröhe zu
protestieren: „Wehren Sie sich!“ Wer DocMorris unterstützen will, soll eine
DocMorris-Protest-Postkarte ausfüllen, die der Versandhändler dann an den
zuständigen CDU/CSU-Bundestagsabgeordneten schickt. Man dürfe sich als mündiger
Bürger nicht vorschreiben lassen, wie und in welcher Apotheke man seine
Arzneimittel beziehe. Der Päckchenpacker spielt die gesamte Klaviatur: Durch
Gröhes Gesetz sei es nicht mehr möglich, Arzneimittel bequem und mit
Sparvorteilen geliefert zu bekommen, man sei gezwungen, verschreibungspflichtige
Arzneimittel in einer stationären Apotheke zu beziehen. (Oh Gott, das geht doch
gar nicht!) Mein liebes Tagebuch, die Aktion dieses Versenders, der seine
Kunden mit entgehenden Geldvorteilen und dem Ende der freien Apothekenwahl aufhetzt,
verschweigt natürlich alle Hintergründe und Folgen, was passiert, wenn
ausländische Versandapos, unterstützt mit Investorenkapital, mit Boni und
Rabatten die Kunden ködern. Viele kleine Apotheken vor Ort halten das nicht aus,
wenn die Kunden mit ihren Rezepten ins Netz abwandern. Diese Apotheken
schließen, der Weg zur nächsten Apotheke wird weiter, die Beratung vor Ort
fehlt, das vertrauensvolle Gespräch. Ich glaube, das ist vielen Menschen, die
eine DocMorris-Postkarte ausfüllen, so nicht bewusst. Was ich mir jetzt
wünsche: Wir sollten jetzt wirklich mal „aus allen Rohren schießen“, unsere
eigene Unterschriften-Kampagne hochfahren, vielleicht noch mal Anzeigen
schalten, vielleicht irgendeine spektakuläre Aktion durchziehen, über die die
Medien berichten. Wie wäre es, wenn jede Apotheke Deutschlands eine ihrer
Schaufensterscheiben eine Woche lang im März mit den roten Plakaten zur Unterschriftenaktion zukleistert?
21. Februar 2016
Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml versteht nicht,
warum sich die SPD so hartnäckig gegen ein Rx-Versandverbot stellt. Und sie spricht
Klartext: „Die SPD positioniert sich als Interessenvertreterin der großen
ausländischen Internetversender – zu Lasten der kleinen Landapotheken…“ Stimmt,
mein liebes Tagebuch! Was Huml auch noch sagte: Nur große und gut verdienende
Apotheken würden sich die Boni „nach den Vorstellungen der SPD“ leisten können.
„Viele kleinere Apotheken und Landapotheken werden diesen Wettbewerb nicht
mithalten können und schließen müssen." Außerdem lösen die Vorschläge der
SPD-Gesundheitspolitiker (nämlich Rx-Versand beizubehalten und Boni auf
Rx-Arzneimittel für zwei Jahre auf einen Euro in Form von Warenzugaben zu
begrenzen) auch nicht das Problem, dass inländische Versandapotheken nach dem
EuGH-Urteil gegenüber ausländischen benachteiligt sind. Mein liebes Tagebuch, mal
einfach ausgedrückt: Der SPD-Kurs, der von den Grünen beklatscht wird, ist und
bleibt Mist.
Eine gute Initiative von Apotheker Christian Germinghaus. Er
schrieb an den SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz einen Brief: Wie passt es
zusammen, wenn er, Schulz, Gerechtigkeit für den kleinen Bäcker will, der in
Deutschland seine Steuern zahlt im Gegensatz zu internationalen Kaffeekonzernen
mit Sitz im Ausland, und zeitgleich die SPD-Gesundheitspolitiker gegen das
Rx-Versandverbot wettern und sich damit für ausländische Kapitalgesellschaften
stark machen? Mein liebes Tagebuch, auf die Antwort von Schulz sind wir so was
von gespannt – wenn sie denn kommt.
Dass die Vorschläge der SPD-Politiker so überhaupt nicht zum
sonstigen SPD-Kurs passen, stellte die
Apothekengewerkschaft Adexa in einem Schreiben an die Fraktionsspitzen von SPD
und Grünen heraus. Die Gewerkschaft könne nicht verstehen, wie die Partei einen
Prozess gutheiße, „in dem deutsche Heilberufler durch multinationale Konzerne
verdrängt werden, denen es in erster Linie um Profit geht und nicht um die
Gesundheit der deutschen Bevölkerung“. Mein liebes Tagebuch, wie wollen sich die Sozen hier
herauswinden?
22. Februar 2017
Die Agentur 2hm, die vom Bundeswirtschaftsministerium damit
beauftragt ist, ein Gutachten zur Überarbeitung des Apothekenhonorars und der
Arzneimittelpreisverordnung zu erstellen, hatte sich mit Umfragen an die
Apotheken gewandt, um Daten zur Lage abzufragen. Mein liebes Tagebuch, die
Fragen offenbarten die schlimmsten Befürchtungen: Da brütet eine Agentur, die
von Apotheke und Pharmazie null Ahnung hat, über Strukturen unseres Honorar und
unserer Arzneimittelpreisverordnung – da kann doch nur ein lebensfremdes
Apothekenmodell entstehen. Die Projektleiterin dieser Agentur kann allerdings die
Kritik nicht verstehen, wie sie gegenüber DAZ.online erklärt. Sie meint, die
Fragen seien in keiner Weise befremdlich gewesen. Hhmm, mein liebes Tagebuch,
allein das zeigt schon, dass hier zwei vollkommen unterschiedliche Welten aufeinander
prallen. Immerhin räumt sie ein, dass es Vorbehalte und ein gewisses Misstrauen
gegen die Befragung geben könne. Wie wahr! Mein liebes Tagebuch, der gesamte
Ansatz lässt nichts Gutes ahnen. Die einzige Hoffnung, die bleibt: Dass es
diesem Gutachten so geht wie vielen anderen auch - ab in die Schublade, möge es
für die Katz gewesen sein.
Der baden-württembergische Kammerpräsident Günther Hanke
denkt über eine Bedarfsanalyse von Apotheken nach. Wie das? Mein liebes Tagebuch,
eigentlich kein Wunder, denn das Schwabenländle ist ein bisschen gestresst
durch das Dörfchen Hüffenhardt. Diese Gemeinde hat ihre Apotheke verloren und
der Päckchenversender DocMo aus Holland will dort eine Videoberatung mit
Arzneiautomaten eröffnen. Dabei gibt es mittlerweile vor Ort eine
funktionierende Rezeptsammelstelle. Für Hanke wäre es daher gut, rechtzeitig zu
wissen, wo es im Ländle klemmt, wo
Handlungsbedarf besteht – also wo Apotheken vor dem Sterben stehen. Könnte man
dann besser helfen? Dazu meint Hanke, vielleicht durch Anreize wie günstige
Mieten oder Hilfe bei der Wohnungssuche. Mein liebes Tagebuch, ja, vielleicht,
aber möglicherweise wäre schon viel geholfen, wenn in diesen Gebieten die
Kammer mit den ansässigen Apothekern rechtzeitig besprechen könnte, wer die
Rezeptsammelstellen, wer Botendienste macht – damit ein Päckchenpacker gar
nicht auf die Idee kommt, solche Video-Automatenspielchen zu installieren.
23. Februar 2017
Die Deutsche Parkinson Vereinigung und die
Wettbewerbszentrale haben ihren Rechtsstreit vorzeitig beendet. Der
Rechtsstreit, der zum EuGH-Urteil führte, unsere Apothekenwelt aus den Angeln
hebt und Politiker rotieren lässt, sollte abschließend vor dem
Oberlandesgericht Düsseldorf im April weiterverhandelt werden. Jetzt ist der
Rechtsstreit zu Ende, denn die Patientenorganisation hat die geforderte
Unterlassungserklärung abgegeben. Einfach so. Sorry, war nicht so gemeint. Wir
wollten nur ein bisschen spielen… Mein liebes Tagebuch, einerseits ist es
natürlich erfreulich, wenn die Patientenvertretung Einsicht zeigt, sich von
DocMo-Boni abwendet und für die Apotheke
vor Ort wirbt. Aber, hätte das der DPV nicht schon ein bisschen früher
einfallen können? Meine Güte, was wäre
uns da erspart geblieben! Ich fass es nicht!
Die Grünen legten der Bundesregierung einen riesigen
Fragenkatalog vor, mit dem sie wissen wollten, wie das
Bundesgesundheitsministerium das geplante Rx-Verbot begründet, ob es mildere
Maßnahmen gibt oder warum freie Arzneimittelpreise die Versorgungsqualität
gefährdet. Doch das Bundesgesundheitsministerium lässt die insgesamt 21 Fragen
und zahlreiche Unterfragen weitgehend unbeantwortet und schreibt nur, dass der
Meinungsbildungsprozess innerhalb der Bundesregierung noch nicht abgeschlossen
sei. Mein liebes Tagebuch, Kordula Schulz-Asche muss geschäumt haben, als sie
diese Antwort bekommen hat. Und dann erklärt die Grünen-Politikerin: „Vier
Monate sind seit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes zur in Deutschland
geltenden Apothekenpreisbindung vergangen. Vier Monate, in denen
Versandapotheken aus dem europäischen Ausland mit Boni von bis zu 30 Euro pro
eingereichtem Rezept auf Kundenfang gehen, während sich die inländischen
Versand- und Präsenzapotheken weiterhin an die Preisbindung für
verschreibungspflichtige Medikamente halten müssen. Wann die Bundesregierung
bereit ist, diese akute Ungleichbehandlung aufzulösen, bleibt offen.“ Oh Gott,
mein liebes Tagebuch, Kordula, die Scheinheilige! Die Bundesregierung ist schon
lange bereit – aber die SPD blockiert und die Grünen klatschen Beifall. So
sieht’s aus.
24. Februar 2017
Das Rx-Versandverbot: schön für Apotheker, schlecht für Patienten, schreibt der Spiegel in seiner neuesten Ausgabe und lässt sich vor den Karren der wenigen Patienten spannen, die Spezialarzneimittel von inländischen Apotheken per Versand erhalten. Diese Arzneimittel könnten nur wenige Apotheken in der gewohnten Form herstellen, heißt es in dem Artikel. Aber „der Apothekerfreund Gröhe“ habe sich von der Apothekerlobby einflüstern lassen, den Versandhandel zu verbieten, weil der Versandhandel eine Gefahr für die flächendeckende Versorgung darstelle. Und jetzt möchte „Apothekenminister Gröhe“ sein Gesetz noch in dieser Legislaturperiode durchbringen. Abgesehen von den üblichen Seitenhieben auf die Apotheken und die angeblich hohe Apothekendichte („mehr Apotheken als Metzgereien“ – früher hieß es immer mehr Apotheken als Bäckereien, aber nun ja), macht es mich sehr nachdenklich, mein liebes Tagebuch, wie das große deutsche Nachrichtenmagazin mit Fakten umgeht. Mit keiner Silbe erklärt der Spiegel-Autor Alexander Neubacher den eigentlichen Hintergrund, warum die Apothekerlobby und der „Apothekerfreund Gröhe“ den Versandhandel verbieten wollen. Neubacher erklärt dem Leser nur, dass es um die Konkurrenz aus dem Internet gehe, die der Minister den Apothekern vom Hals schaffen wolle. Wo bleibt da die journalistische Sorgfaltspflicht, Herr Neubacher? Es geht nicht um die Konkurrenz per se aus dem Internet! Mit dieser Konkurrenz leben die Apotheker schon 13 Jahre. Es geht um die Boni und Rabatte, die nur die Internetkonkurrenz geben darf, aber nicht die deutschen Apotheken. Was hat das mit Wettbewerb zu tun, wenn ein EuGH-Urteil einen Handelskanal bevorteilt? Und es geht auch darum, dass viele deutsche Vor-Ort-Apotheken einen Boni-Krieg, so sie Boni geben dürften, nicht überleben würden – mit allen Folgen, die Sie sich vielleicht gar nicht vorstellen können. Und was die Spezialarzneimittel angeht: Da wird schon über Lösungen diskutiert! Mein liebes Tagebuch, da bleibt am Schluss nur die Frage: Hat der Autor nur schlecht recherchiert? Hätte eine gute Recherche die Story verdorben? Oder wollte der Spiegel gar bewusst nur die halbe Wahrheit berichten?
16 Kommentare
Umparken im Kopf!
von Reinhard Herzog am 26.02.2017 um 13:30 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Umparken im Kopf
von Reinhard Rodiger am 26.02.2017 um 16:20 Uhr
Spiegel Artikel
von Dr. Radman am 26.02.2017 um 13:14 Uhr
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Spiegel und Co
von Veit Eck am 26.02.2017 um 12:22 Uhr
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Cannabis
von Karl Friedrich Müller am 26.02.2017 um 11:24 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 4 Antworten
AW: Sie spinnen wohl!
von Wolfgang Müller am 27.02.2017 um 11:28 Uhr
AW: Cannabis
von Karl Friedrich Müller am 27.02.2017 um 14:11 Uhr
AW: Also bitte .......
von Wolfgang Müller am 27.02.2017 um 16:56 Uhr
AW: Cannabis
von Christian Giese am 27.02.2017 um 17:09 Uhr
SPD, Grüne und Versand
von Karl Friedrich Müller am 26.02.2017 um 11:17 Uhr
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Abgabe von Arzneimittel nur noch mit geleisteter "Gegen-Unterschrift"
von Christian Timme am 26.02.2017 um 9:44 Uhr
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AW: Abgabe von Arzneimittel nur noch mit ... Nachtrag ...
von Christian Timme am 26.02.2017 um 10:29 Uhr
Niedergang des Spiegels
von Frank Ebert am 26.02.2017 um 9:41 Uhr
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Zahlen ersetzen alle Argumente
von Ulrich Ströh am 26.02.2017 um 9:05 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten
AW: Zahlen
von Peter Ditzel am 26.02.2017 um 10:28 Uhr
AW: Zahlen ersetzen alle Argumente ... ach nee ...
von Christian Timme am 26.02.2017 um 10:47 Uhr
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