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Cancer MoonShot 2020
Die umstrittenen Pläne des Dr. Soong-Shiong
Der „reichste Arzt der Welt“, Dr. Soon-Shiong, verspricht, Krebs bis zum Jahr 2020 mit einer Immuntherapie-Spritze heilen zu können. Doch bis zu deren Anwendung ist es noch ein langer Weg. Kritikern zufolge hat Soon-Shiongs umstrittene „Cancer MoonShot 2020“-Vision nur ein Ziel: Die Produkte seiner Biotech-Firmen zu bewerben.
Vor 45 Jahren rief Präsident Nixon „The War on Cancer“ aus. Damals hofften viele Forscher, dass Krebs bald besiegt sei. Doch diese Hoffnung beruhte auf der Annahme, allen Krebserkrankungen läge ein simpler Mechanismus zugrunde, der – einmal verstanden – den Schlüssel zu einem universellen Heilmittel liefere.
Heute weiß man, dass Krebsentstehung und Krebswachstum
komplexe multifaktorielle Vorgänge sind. Nun soll der zweite Anlauf starten – doch Kritiker zweifeln an dessen Erfolgsaussichten. Der Kampf gegen die weltweite Krebsepidemie
findet an zwei Fronten statt: Prävention und Behandlung.
Laut WHO sind 30 bis 50 Prozent aller Krebsfälle
vermeidbar. Denn neben der genetischen
Prädisposition haben auch Umwelteinflüsse und Lebensstil-Entscheidungen einen
großen Einfluss auf die Ausbildung der Krankheit. Als potenziell mächtige neue
Waffe in der Behandlung von Krebs wird seit einiger Zeit die Immuntherapie gehandelt. Die zytotoxischen T-Zellen sind ein besonders wichtiger Teil der
adaptiven Immunantwort: Sie erkennen fremde Zellen anhand körperfremder
Antigene, greifen sie an und zerstören sie. Doch bei Krebspatienten
funktioniert das nicht. Krebszellen ähneln zu sehr den normalen Körperzellen
aus denen sie hervorgehen. Mit der „Krebs-Impfung“ wird dem Patienten ein
passendes Antigen verabreicht, das auf einem Peptid oder einem Stück DNA oder
RNA basiert und welches die T-Zellen gegen den Tumor aktiv werden lässt.
Eine Spritze gegen Krebs in drei Jahren!
Umso erstaunlicher ist es, dass der amerikanische Arzt Dr. Patrick Soon-Shiong behauptet, den Kampf gegen den Krebs schon bald gewonnen zu haben. Soon-Shiong taufte seine Mission – in Anlehnung an eine ähnlich große und ehemals ähnlich unmöglich anmutenden Mission – „Cancer MoonShot 2020“, Krebs-Mondflug 2020. Auch der ehemalige US-Vizepräsident Joe Biden nutzte diesen Vergleich im Jahr 2015. Ein Promo-Film von Soon-Shiong verspricht nun „zum Beginn des nächsten Jahrzehnts“ eine Spritze, die Krebs heilt: „Egal welcher Krebs, egal welches Stadium.“
Soon-Shiong: „Reichster Arzt aller Zeiten“
Wer ist dieser Mann? Der Chirurg Soon-Shiong wurde mit der Gründung und dem Verkauf von Biotech-Firmen reich. Laut Forbes beträgt Soon-Shiongs Nettowert 8,6 Milliarden US-Dollar. Der Börsengang seiner Firma NantKwest war einer der erfolgreichsten in der Biotech-Branche. Das zweite Biotech-Startup NantHealth folgte letztes Jahr. Forbes listet Soon-Shiong unter den 50 reichsten Amerikanern und überschlägt sich mit Titeln der Superlative: „reichster Arzt Amerikas“, „reichster Arzt der Welt“, „reichster Arzt aller Zeiten“.
Doch der Reichtum des Milliardärs bröckelt. Die Aktien von NantKwest und NantHealth sind auf dem Tiefststand. Laut dem Branchendienst STAT verlieren die Unternehmen pro Quartal Werte im zweistelligen Millionenbereich.
Spritze gegen den Krebs oder Finanzspritze?
Eine Recherche von STAT führt nun zu schwerwiegenden Anschuldigungen gegen Soon-Shiong und demaskiert Cancer MoonShot 2020 als cleveren Coup, mit dem der Arzt seine Investoren bei Laune hält und Geld in die sich leerenden Kassen spülen will. Die Spritze gegen den Krebs scheint nur eine Finanzspritze für den ausblutenden Milliardär.
Cancer MoonShot 2020 bewirbt massiv eine teure Diagnosemethode namens GPS Cancer, die behauptet, Krebserkrankungen mithilfe des individuellen Genoms, Transkriptoms und Proteoms genau zu kartieren. Diese Kartierung dient als Grundlage einer personalisierten Therapie, deren Kernstück eine Immuntherapie-Spritze ist. Soon-Shiong verdient sowohl an der Diagnose als auch an der Spritze: Der Anbieter von GPS Cancer ist NantHealth, die beworbene Immuntherapie-Spritze wird von NantKwest entwickelt.
„Cancer MoonShot 2020“ wurde erst kürzlich in das weniger metaphorische „Cancer Breakthroughs 2020“ umgetauft. Zuvor klagte das MD Anderson Cancer Center der Universität Texas gegen Soon-Shiong. Mit dem Namen „Cancer MoonShot 2020“ verletze er die von MD Anderson seit 2012 aufgebaute Marke „Moon Shots Program“.
Gekaufte Testimonials und fremde Forschungsergebnisse
Laut STAT bezahlt Soon-Shiong Forscher weltweit dafür, GPS Cancer zu benutzen – obwohl noch keine Daten zur Qualität des Tests publiziert sind. Dem Branchendienst liegen offenbar Positionspapiere von Soon-Shiong vor, die Pfizer und Merck als Partner aufführen. Doch Sprecher der Pharmakonzerne sind sich keiner Mitwirkung bewusst. Ebenso bleibt die auf der Cancer MoonShot 2020-Webseite propagierte Zusammenarbeit mit weltbekannten Forschungszentren unbestätigt.
Amerikanische Forscher und Onkologen erklären vielmehr, dass die von Soon-Shiong und seinem Team vielfach beschriebenen und beworbenen „klinischen Durchbrüche“ in Wirklichkeit „unbedeutend“ und „schwammig“ seien.
Prof. Stefan Eichmüller ist Leiter der Einheit für Gute Herstellungspraxis sowie T-Zelltherapie des Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg. Er und sein Team wollen in Zusammenarbeit mit dem NCT vielversprechende neue Behandlungsmethoden der Immuntherapie aus der Grundlagenforschung schnellstmöglich zum Patienten bringen. Dieser Prozess ist streng reguliert, da die neuen Therapien in der Klinik erstmals an Erkrankten getestet werden.
Von Soon-Shiong hat Eichmüller noch nie gehört. „Der Ansatz, ein molekulares Profil des Tumors zu erstellen und darauf eine Therapie aufzubauen, ist sinnvoll“, erklärt er. Aber: „Allein die Daten nützen gar nichts“, betont Eichmüller. „Die darauf beruhenden therapeutischen Vorhersagen müssen für jeden Tumortyp ausprobiert und validiert werden – und das dauert.“ Das Versprechen, bis zum Jahr 2020 eine Spritze gegen Krebs in jeglicher Form, in jeglichem Stadium vorweisen zu können, hält er für unseriös.
Dr. Soon-Shiong & Präsident Trump
In den USA sind die Meinungen zu Soon-Shiong gespalten. Seine Gegner bezeichnen ihn als gnadenlosen Selbstdarsteller, seine Anhänger sehen in ihm einen Visionär.
So wundert es nicht, dass Soon-Shiong die Nähe des Mannes sucht, mit dem er sowohl den Reichtum als auch die ambivalente Reputation gemeinsam hat. Zwei anonyme Quellen berichteten, Soon-Shiong habe sich in den vergangenen Wochen mehrmals mit Präsident Trump getroffen. Gesprächsinhalt sei eine potentielle Rolle als Regierungsberater gewesen.
1 Kommentar
Heutige Narzisten werden eher erkant!
von Orhon am 03.03.2017 um 10:27 Uhr
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