Neue Arzneimittel in Bulgarien

Lukrative Parallelexporte sorgen für chronische Unterversorgung

Remagen - 06.04.2017, 09:15 Uhr

Wegen höherer Erträge fließen viele neue Arzneimittel aus Bulgarien ins Ausland. (Foto: Golden Brown / Fotolia)

Wegen höherer Erträge fließen viele neue Arzneimittel aus Bulgarien ins Ausland. (Foto: Golden Brown / Fotolia)


Der bulgarische Pharmamarkt gehört zu den kleinsten in der EU. Das Gesundheitssystem ist unterfinanziert, und der Anteil der Arzneimittel an den Gesundheitsausgaben liegt bei fast 40 Prozent. Viele neue Arzneimittel wandern in den Export. Die Apotheken vollziehen einen Konsolidierungsprozess zugunsten von Ketten. 

Bulgariens Pharmamarkt spielt umsatzmäßig in der EU keine große Rolle. Nach Zuwächsen von 8,2 beziehungsweise 7,6 Prozent in 2014 und 2015 wird für 2016 ein Plus von 6 Prozent  veranschlagt. Dies berichtet die Außenwirtschaftsagentur der Bundesrepublik Deutschland Germany Trade and Invest (GTAI). Experten erwarten laut GTAI für den Pharmamarkt bis 2020 einen jährlichen Zuwachs von drei bis sechs Prozent. Während sich das Wachstum bei Arzneimitteln damit tendenziell abschwächt, sind die Verkäufe von Nahrungsergänzungsmitteln nach Schätzungen um 12 Prozent gestiegen.  

Wie die Europäische Kommission unlängst in einem Bericht feststellte, weist das bulgarische Gesundheitssystem erhebliche Schwachstellen auf, darunter einen unzureichenden Zugang der Bevölkerung zur Versorgung, Unterfinanzierung und eine mangelnde Leistungsfähigkeit. Zwölf Prozent der Bevölkerung sollen keine Krankenversicherung haben. Der Anteil der öffentlichen Ausgaben für das Gesundheitssystem am Bruttoinlandsprodukt wird mit rund 4,52 Prozent beziffert (2013), was laut EU-Kommission deutlich unter dem EU-Durchschnitt liegt. Dies wirkt sich auch massiv auf die Arzneimittelausgaben aus. Der öffentliche Anteil an den Ausgaben für Medikamente im ambulanten Sektor ist mit knapp 24 Prozent der niedrigste in der EU. Zum Vergleich: Das EU-Mittel wird mit 58,4 Prozent angegeben. Insgesamt machen die Arzneimittel 38 Prozent der gesamten Gesundheitsausgaben aus. Auch dieser Wert liegt nach einer Analyse der Weltbank, auf die sich der EU-Bericht beruft, deutlich über dem EU-Durchschnitt von ungefähr 25 Prozent.

Neue Arzneimittel landen nicht bei den Patienten

Jährlich kommen in Bulgarien etwa 45 neue Arzneimittel auf den Markt, aber laut GTAI landen nicht alle Chargen dieser Produkte in bulgarischen Apotheken. Wegen höherer Erträge fließt vielmehr ein Teil als Parallelexporte ins Ausland. Der Anteil der Parallelexporte soll pro Jahr bei zehn bis zwölf Prozent liegen. Das Nachsehen haben die bulgarischen Patienten. Der GTAI-Bericht spricht von einer chronischen Unterversorgung mit Arzneimitteln, etwa für die Krebsbehandlung.

Dynamik bei den Apotheken

Insgesamt gibt es in Bulgarien knapp 3.800 Apotheken. Die Apothekendichte ist hoch. Auf eine Abgabestelle kamen nach Angaben von GTAI im Jahr 2015 rund 2.000 Einwohner. Der durchschnittliche Umsatz der Apotheken wird für das Jahr 2015 mit 390.000 Euro beziffert. Zum Vergleich: Im Nachbarland Rumänien soll er mit 400.000 Euro nur unwesentlich größer gewesen sein. Germany Trade and Invest spricht weiter von einer hohen Dynamik bei den eigenständigen Apotheken und den großen Apothekenketten (über 50 Abgabestellen) im letzten Jahr. Während die Anzahl der unabhängigen Apotheken sinkt, steigen die Umsätze. Die Zahl der Apotheken in Ketten soll sich außerdem schneller erhöhen als die durchschnittlichen Umsätze.

In Bulgarien gibt es für rezeptpflichtige Medikamente keinen einheitlichen Apothekenabgabepreis. Die Gewinnspanne für die Apotheken im Rx-Sektor reicht von 6 bis 13 Prozent. Bei OTC-Arzneimitteln ist die Spanne höher. Der Online-Verkauf von rezeptpflichtigen Arzneimitteln ist in Bulgarien verboten. 

Auch Bulgarien will die EMA

Wie GTAI weiter wissen lässt, bemüht sich das Land ebenfalls um den neuen Sitz der Europäischen Arzneimittel-Agentur, für die nach dem Vollzug des Brexits irgendwann die Umzugswagen anrollen.


Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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