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Nordrhein-Westfalen
Apothekerin wehrt sich gegen Kopftuch-Kritik
Die Herdecker Apothekerin Silvia Renkl wehrt sich derzeit öffentlich gegen die Vorwürfe eines Kunden. Der Mann hatte sich darüber beschwert, dass Renkls Mitarbeiterin ein Kopftuch trägt. Die Reaktionen auf ihr Statement seien überwältigend positiv gewesen, freut sich die Apothekerin.
„Allerdings kann ich nicht akzeptieren, dass eine Mitarbeiterin von Ihnen demonstrativ ein Kopftuch trägt“, mit diesen Worten in einer E-Mail schockierte ein Kunde die Apothekerin Silvia Renkl, die in der nordrhein-westfälischen 22.000-Einwohner Stadt Herdecke, zwischen Bochum, Dortmund und Hagen gelegen, die Sonnen- und die Post-Apotheke betreibt.
Dass man „keine Demonstration von Glaubenszugehörigkeiten im öffentlichen Raum und keine politische Demonstration persönlicher Einstellungen über das Tragen eines Kopftuches“ akzeptiere, eine solche Haltung „Verweigerung von Integration“ sei und man „gerade in einer Apotheke“ Neutralität erwarte, so ging es in der E-Mail weiter, gipfelnd schließlich in der Forderung „Kopftuch weg – ansonsten Kunde(n) weg“. Damit stünde der Schreiber nicht alleine da, behauptete der Verfasser und es gebe dabei langsam aber sicher „einen Stimmungsumschwung“.
„Ich war schockiert und wütend, als ich diese E-Mail gelesen habe“, sagt die Apothekerin. Sie sei plötzlich wie aus heiterem Himmel gekommen. In der Mail, die keineswegs anonym gewesen sei, habe sich der Kunde ihrer Apotheke zwar gut beraten gefühlt, beschwert sich aber mit den Zeilen über das Kopftuch einer Mitarbeiterin. Bei der Apothekerin und den anderen Mitarbeitern der beiden Apotheken erntet der Schreiber damit allerdings Entsetzen und Unverständnis. „Ich habe mich dann entschlossen, öffentlich auf dieses Mail zu reagieren“, sagt Renkl. Kurz vor Ostern wandte sie sich an die regionale Tageszeitung, die Westfalenpost, und ließ in einem Artikel eine Erklärung mitabdrucken. „Ich wollte vor allem wissen, ob es diesen behaupteten Stimmungsumschwung bei uns in der Region tatsächlich gibt“, sagt die Apothekerin und habe eine öffentliche Diskussion darüber anstoßen wollen.
Apothekerin sieht keinen politischen Stimmungsumschwung
Mittlerweile ist sie in der Hinsicht sehr erleichtert, denn die Reaktionen auf ihre Erklärung, in der sie ihrer Mitarbeiterin den Rücken stärkt, seien fast durchweg positiv gewesen. „Es gab sogar einige Anrufe von Kunden, die uns gesagt haben, dass wir das gut gemacht hätten, damit an die Öffentlichkeit zu gehen“, berichtet Renkl. Auch viele Kommentare auf Facebook und den Internet-Seiten der Zeitung seien überwiegend positiv gewesen. „Unsere Kunden geben uns ebenfalls positives Feedback“, sagt die Apothekerin. Sie sei froh darüber und ziemlich überwältigt. „Es hat sich gelohnt, sich gegen diese Mail zur Wehr zu setzen“, sagt sie. Einen „Stimmungsumschwung“ gegen Kopftücher gebe es nämlich dann wohl offensichtlich nicht.
„Und ich war auch überrascht, welche Kreise die Geschichte zieht. Sogar eine türkische Zeitung hat bei uns angerufen“, sagt Renkl. Ihre Mitarbeiterin sei im Übrigen deutsche Staatsbürgerin und schlage mit ihren zusätzlichen Sprachkenntnissen immer wieder Brücken zu hilfesuchenden Menschen. Damit verweigere sie sich definitiv nicht der Integration, eher im Gegenteil, sie fördere sie, schreibt die Apothekerin in ihrer Erklärung. „Unsere Verfassung und das europäische Recht sind Errungenschaften und Werte, die wir mit Blick auf die deutsche Geschichte und aus Überzeugung verteidigen. Andersdenkende bitten wir um Toleranz“, schließt Renkl ihre Erklärung ab.
Ähnlicher Fall in Bochum vor rund einem Jahr
„Mir ging es mit der Erklärung um das Grundsätzliche“, sagt sie. Sie habe nicht einfach nur dem Kunden antworten wollen, sondern sei an der öffentlichen Meinung interessiert gewesen. Mit der E-Mail habe sie sich an einen ähnlichen Vorfall in Bochum im vergangenen Jahr erinnert gefühlt. Auch da hatte ein Kunde einem Apotheker zu verstehen gegeben, man werde nicht mehr in seiner Apotheke einkaufen, weil er eine Mitarbeiterin beschäftigt, die ein Kopftuch trägt. Der Bochumer Apotheker Jens Beuth hatte daraufhin auf Facebook reagiert und die Beschwerde in die öffentliche Diskussion gebracht. Auch damals reagierte die überwiegende Mehrheit der Menschen positiv und stellte sich hinter Apotheker und Mitarbeiterin.
Man setze sich sehr für Toleranz und Integration ein, sagt Renkl. Das hat sie im vergangenen Jahr auch etwa unter Beweis gestellt, als sie einer jungen Syrerin, die mit ihrer Familie nach ihrer Flucht aus dem Bürgerkriegsland in Herdecke untergekommen war, ein Praktikum in ihrer Apotheke ermöglichte – ganz selbstverständlich mit Kopftuch.
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