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Arzneimittel-Automat
So funktioniert das „Konstrukt Hüffenhardt“
Nach der gestrigen Verhandlung vor dem Landgericht Mosbach darf DocMorris seinen „Arzneimittel-Abgabeautomaten mit Videoberatung“ in der kleinen Odenwälder Gemeinde Hüffenhardt vorerst weiterbetreiben – zumindest mit nicht-verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Doch der Gerichtstermin bot interessante Einblicke in das „Konstrukt Hüffenhardt“.
Im Laufe der gut anderthalbstündigen Beratung hatte die Vorsitzende Richterin die Frage aufgeworfen, ob und gegebenenfalls wann die Arzneimittel eigentlich in das Eigentum von DocMorris übergehen. Das ist offenbar nicht so trivial, wie man annehmen könnte. Denn die Räumlichkeiten, in denen sich das Videoterminal mit dem Ausgabeautomat befindet, hat gar nicht die DocMorris selbst gemietet, sondern eine Firma namens Tanimis BV, wie die „Heilbronner Stimme“ zu berichten weiß. Ausweislich des Geschäftsberichts 2016 der DocMorris-Mutter Zur Rose Group AG handelt es sich dabei allerdings um eine 100%ige Zur Rose-Tochter.
Auch das Arzneimittellager, aus dem sich der Automat in Hüffenhardt „bedient“, betreibt DocMorris nicht selbst. Diese Aufgabe übernehme ein deutscher Pharmagroßhändler, hieß es in der Verhandlung. Welcher genau, blieb jedoch ungenannt. Befüllt wird dieses Lager von Mitarbeitern des Großhändlers, bei denen es sich nicht um pharmazeutisches Personal handelt. Dem Großhändler gehörten auch die gelagerten Arzneimittel, hieß es. Doch während des Abgabevorgangs im Automat werde ein „Label“ auf den Packungen angebracht, wodurch diese in das Eigentum von DocMorris gelangten, so die Argumentation der Versender. Damit würden die Arzneimittel eben doch von einer Apotheke – nämlich DocMorris – an die Kunden abgegeben, nicht vom Großhändler direkt.
Wie denn dann die in der Apothekenbetriebsordnung geforderte „Sinnesprüfung“ der Arzneimittel vor der Abgabe an den Verbraucher stattfinde, wollte daraufhin der Rechtsanwalt des Landesapothekerverbands Baden-Württemberg wissen. Diese muss von pharmazeutischem Personal durchgeführt werden – das es aber in Hüffenhardt nicht gibt. Eine Prüfung per Kamera von Holland aus reiche dazu jedenfalls nicht aus, betonte einer der Richter.
Diese Prüfung finde bei DocMorris in Heerlen statt, erklärten die DocMorris-Vertreter. Dass die in Hüffenhardt gelagerten Arzneimittelpackungen vorher bei DocMorris in Heerlen gewesen seien, versicherte der „General Counsel“ (das entspricht einem deutschen Syndikus oder Chef-Justiziar) des holländischen Versenders an Eides statt.
Nach dem Vortrag der DocMorris-Anwälte vor dem Landgericht Mosbach stellt
sich der Weg der in Hüffenhardt von dem DocMorris-Automaten abgegebenen
Arzneimittel folgendermaßen dar:
Einmal von Deutschland in die Niederlande und zurück nach Hüffenhardt
Die Arzneimittel werden vom Hersteller oder einem (deutschen) Großhändler an DocMorris im niederländischen Heerlen, direkt an der deutschen Grenze, geliefert. Dabei handelt es sich um in Deutschland zugelassene Arzneimittel, die für den deutschen Markt bestimmt sind, eine deutsche Zulassung haben und denen beispielweise auch deutsche Patienteninformationen beigelegt sind. Kurz: Es handelt sich um deutsche Ware. Branchenexperten gehen davon aus, dass DocMorris den weit überwiegenden Teil seiner Arzneimittel direkt von den Herstellern bezieht.
Bei DocMorris findet die Überprüfung der Packungen nach Maßgabe der Apothekenbetriebsordnung statt. Anschließend werden die Packungen von dem nicht genannten deutschen Pharmagroßhändler abgeholt und nach Hüffenhardt gebracht, wo nicht-pharmazeutisches Personal des Großhändlers sie einlagert. In wessen Eigentum sich die Arzneimittel zum Zeitpunkt der Abgabe an den Kunden befinden, blieb dabei offen. Apothekenrechtlich maßgeblich ist aber sowieso die konkrete Verfügungsgewalt über das Arzneimittel – auch diese Frage blieb vor Gericht ungeklärt.
Bestellt nun ein Kunde am Terminal ein Arzneimittel, lagert der Automat die entsprechende Packung aus dem „Großhandels-Lager“ aus. Im Zuge dieses Vorgangs wird ein Label aufgedruckt – dabei gehe die Packung in das Eigentum von DocMorris über, hieß es vor Gericht.
Bevor der Kunde die Ware aus dem Ausgabeschacht entnehmen kann, muss dies bei DocMorris in Heerlen von einem Apotheker oder einer PTA freigeben werden.
Nur eine besondere Spielart des Versands?
In den Augen von DocMorris ist diese Art der Arzneimittelabgabe nur eine besondere Spielart des Versands, nämlich mit anschließender automatisierter Abgabe an den Kunden. Sie sei deshalb durch die bestehende Versanderlaubnis abgedeckt. Der LAV Baden-Württemberg geht dagegen von einem Teilbetrieb einer Apotheke aus – und für diesen fehle DocMorris die Betriebserlaubnis. Da sich dieser Apotheken-Teilbetrieb der behördlichen Überwachung entziehe, habe DocMorris einen Wettbewerbsvorteil gegenüber seinen deutschen Konkurrenten.
Die zuständige Aufsichtsbehörde, das Regierungspräsidium Karlsruhe, sieht das ähnlich und hat den Betrieb des Abgabeautomaten untersagt. Allerdings hat sie nur bei der Untersagung der Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln den sofortigen Vollzug angeordnet – nicht jedoch für die Abgabe apothekenpflichtiger Arzneimittel. Deshalb hat der Widerspruch von DocMorris gegen die Schießungsverfügung für nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel aufschiebende Wirkung – diese dürfen also aktuell in Hüffenhardt abgegeben werden. Vor Gericht versicherte ein DocMorris-Anwalt am Mittwoch, dass aktuell der Rezept-Scanner deaktiviert sei. Für die Belieferung von ärztlichen Verordnungen sind die Hüffenhardter also auf die dortige Rezeptsammelstelle angewiesen – oder auf eine der 22 (!) Apotheken, die es laut Apothekerkammer Baden-Württemberg in einem Umkreis von zehn Kilometern Luftlinie um Hüffenhardt gibt.
2 Kommentare
DocMo
von Dr. Radman am 01.06.2017 um 10:06 Uhr
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AW: DocMo
von Peter Lahr am 01.06.2017 um 16:11 Uhr
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