NRW-Gesundheitsministerium

Gefälschtes Harvoni kam aus Holland

Stuttgart - 02.06.2017, 13:05 Uhr

Per Eilmeldung informierte das Bundesinstitut für Arzneimittel am Donnerstagabend über gefälschtes Harvoni in einer deutschen Apotheke: Die Originaltabletten sind orange, nicht weiß. (Foto: BfArM)

Per Eilmeldung informierte das Bundesinstitut für Arzneimittel am Donnerstagabend über gefälschtes Harvoni in einer deutschen Apotheke: Die Originaltabletten sind orange, nicht weiß. (Foto: BfArM)


Wie das Gesundheitsministerium in Nordrhein-Westfalen gegenüber DAZ.online mitteilte, konnten die Behörden zum gestern bekannt gewordenen Fall einer Harvoni-Fälschung inzwischen die gesamte deutsche Vertriebskette zurückverfolgen. Der Großhandel soll Originalpräparate zum Austausch bereithalten. Belieferte Apotheken wurden aufgefordert, Kontakt mit ihren Patienten aufzunehmen.

Kürzlich wurde es in einem ARD-Themenabend diskutiert, nun ist es so weit: Am gestrigen Donnerstag teilte das Bundesinstiut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in einer Eilmeldung mit, dass gefälschtes Harvoni in einer Apotheke in Nordrhein-Westfalen (NRW) gefunden wurde. Nachdem zunächst das Regierungspräsidium Arnsberg in dem Fall tätig war, gab es die Ermittlungen zwischenzeitlich an die Regierung von Oberbayern ab, da die deutsche Niederlassung des Herstellers Gilead in der Nähe von München ihren Sitz hat.

Während vom Hersteller wie auch dem Regierungspräsidium oder den Apothekerverbänden bis Freitagmittag keine weiteren Informationen erhältlich waren, äußerte sich nun das Gesundheitsministerium in NRW auf eine Anfrage von DAZ.online.

Bereits am frühen Mittwochvormittag wusste die Bezirksregierung Arnsberg von dem Fälschungsverdacht, wie ein Behördensprecher auf Nachfrage mitteilte. Später am Tage informierte es das Gesundheitsministerium in Düsseldorf, dass in einer Apotheke in Dortmund Arzneimittel von einem Patienten zurückgebracht wurden. Es sei festgestellt worden, dass die Tabletten in Form, Größe und von der Prägung her der Beschreibung in der Packungsbeilage entsprachen, nur die Farbe war weiß und nicht orange. 

Mehrere Großhändler lieferten das gefälschte Harvoni

„Diese Mitteilung wurde von unserer Seite entsprechend der gesetzlich vorgeschriebenen Meldekette an die zuständige Bundesoberbehörde, das BfArM, weitergeleitet mit der Bitte um Weitergabe an die für den Sitz des Zulassungsinhabers zuständige Behörde in Großbritannien“, erklärt Christoph Meinerz, Sprecher der bald aus dem Amt scheidenden Ministerin Barbara Steffens (Grüne) auf Nachfrage. Zwischenzeitlich habe die Bezirksregierung Arnsberg darüber informiert, dass sie bereits Kontakt mit der Stufenplanbeauftragten der deutschen Vertriebsniederlassung von Gilead sowie mit deren Aufsichtsbehörde, der Regierung von Oberbayern, aufgenommen hat.

Hierbei gab es bereits erhebliche Erfolge: Laut Meinerz konnte inzwischen „die gesamte deutsche Vertriebskette zurückverfolgt werden“. Die Regierung von Oberbayern habe entsprechend der Meldekette mittlerweile die Federführung übernommen. „Der erste deutsche Großhändler, der die Produkte dieser Charge von einem holländischen Großhändler bezogen hat, hat seinen Sitz in Berlin“, erklärt der Ministeriumssprecher. „Auch die zuständige Behörde in Berlin wurde informiert.“

Wie die Regierung von Oberbayern auf Nachfrage von DAZ.online bekannt gab, sind mehrere Großhändler involviert. „Die Lieferkette der betroffenen Charge wird derzeit unter Beteiligung der EU-Mitgliedstaaten untersucht“, erklärte ein Regierungssprecher. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass Apotheken deutschlandweit betroffen sind.

Laut Bezirksregierung Arnsberg habe der letztlich die betroffenen Apotheken beliefernde Großhändler in NRW die restlichen verbliebenen Packungen in Quarantäne genommen, erklärt Meinerz. „Die Bezirksregierung Arnsberg hat mit dem die Apotheke in Dortmund beliefernden Großhandel vereinbart, dass ausreichend Präparate zum Austausch weiterer gefälschter Arzneimittel, die von den Patienten zurückgebracht werden, zur Verfügung stehen müssen.“

Patienten sollen ihre Tabletten kontrollieren

Außerdem seien alle Apotheken, die mit Präparaten der betroffenen Charge beliefert wurden, vom Großhandel schriftlich informiert worden. „In diesem Schreiben werden die Apotheken aufgefordert, soweit sich die in Rede stehenden Präparate noch in ihren Lagern befinden, diese in Quarantäne zu nehmen“, betont Meinerz. „Ebenfalls werden die Apotheken aufgefordert, Kontakt mit den Patientinnen und Patienten aufzunehmen, die von ihnen dieses Präparat erhalten haben.“

Die betroffenen Apotheken sollen ihre Patienten bitten, die Farbe der Tabletten zu kontrollieren und im Falle, dass sie weiß sind, diese in die Apotheken zurück zu bringen. Diese Informationen hätten auch die zuständigen Behörden der Kreise und kreisfreien Städte sowie die Bezirksregierungen, in deren Aufsichtsbezirken diese Apotheken ihren Sitz haben, erhalten, erklärt der Sprecher des NRW-Gesundheitsministeriums. 

Auch die AMK informierte über den Fall

Die AMK habe am gestrigen Donnerstagabend mit einer Online-Meldung sowie einer Informations-E-Mail an die Geschäftsführer der Apothekerkammern und -verbände über den Tatbestand informiert, erklärt die ABDA auf Nachfrage. „Derzeit befindet sich die AMK in engem Abstimmungsprozess mit der zuständigen Behörde und dem Pharma-Unternehmen“, betont ein ABDA-Sprecher gegenüber DAZ.online. „Weitere Informationen sind daher derzeit noch nicht lieferbar.“ Sobald sich relevante Neuigkeiten ergeben, werde die AMK umgehend über die Kammern und Verbände informieren.

Es handelt sich um ein Arzneimittel einer real für den deutschen Markt existierenden Charge, wie laut Gesundheitsministerium in NRW bereits von Gilead eruiert werden konnte. Ob ein akutes Gesundheitsrisiko von den weißen Tabletten ausgeht, werde derzeit durch Untersuchungen sowohl bei der deutschen Vertriebsniederlassung in Bayern sowie durch die zuständige Regierung von Oberbayern ermittelt.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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