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In dieser Woche schlägt mein Herz für weiß-blau. Aber beim Wort AOK fängt es an zu rasen: Der Chef der AOK Ba-Wü ist besessen vom Versandhandel und Selektivverträgen. Und ein IKK-Chef bläst ins AOK-Horn: Ran an die Apothekermargen. So was von schrägem Tuten und Blasen. Die Kassen sollten lieber mal ihre Prüfstellen zum fairen Retax anhalten. Ein Lichtblick: Vielleicht bald mehr Stationsapotheker in Niedersachsen. Und ein Überblick: Die Postkarten kommen zurück – auch bei der ABDA!
17. Juli 2017
Weiß-blau, wunderschön: der Bayernplan. Das Wahlprogramm der CSU. Da ist von „Heimat und Zusammenhalt“ die Rede, mein liebes Tagebuch, mir wird’s warm ums bayerische Herzerl. Und just in diesem Kapitel kommen wir, die Apotheken, vor und nicht bei der schnöden Sozial- und Gesundheitspolitik. Das hat was, oder? Das zeigt schon, wo’s lang geht in Bayern: „Die Apotheken schützen“, steht da. Die Apotheken gehören einfach dazu, basta. Und zwar „flächendeckend“, das ist „unabdingbar“. Die Apotheken sollen auch außerhalb der Ballungsräume existieren. Und dann der Schlüsselsatz: „Wir setzen uns für ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in Deutschland ein.“ Steht da, jawoll. Und das freut uns. Steht auch schon im gemeinsamen Wahlprogramm von CDU und CSU: „Die Versorgung durch ein ortsnahes Apothekenangebot werden wir sichern, indem wir den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln verbieten.“ Also, auf geht’s Madls und Buam.
18. Juli 2017
Stationsapotheker für alle Krankenhäuser – das möchte die niedersächsische Landesregierung und hat dafür schon einen Gesetzentwurf vorgelegt. Auslöser dafür dürfte wohl eine Serie von Pflegemorden gewesen sein. Das Bundesland möchte pro 300 Betten zukünftig mindestens einen Stationsapotheker, der nicht nur der Logistiker ist, sondern „in allen Fragen der Arzneimitteltherapie unterstützen und beraten“ soll, um Medikationsfehler zu senken und „zu einer sicheren, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Arzneimitteltherapie“ beizutragen. Der Anlass für ein solches Gesetz ist zwar ein trauriger, aber die Initiative von Niedersachsen ist lobenswert: Man anerkennt den Wert des Pharmazeuten im Krankenhaus, auf Station. Eigentlich ist der Apotheker auf Station schon längst überfällig. So, und wie immer bei guten Ideen, gibt es auch hier irgendjemanden, dem das nicht gefällt, der Bedenken hat, der dagegen ist. Hier poltert, wie interessant, die Krankenhausgesellschaft dagegen: Es sei unrealistisch, da es so viele Apotheker gar nicht gebe, zu viel Bürokratie und natürlich zu teuer. Ja, mein liebes Tagebuch, von heute auf morgen 150 bis 200 Apotheker mehr aus dem Boden stampfen, die in Klinischer Pharmazie fit sind, ist sicher nicht leicht, aber auch nicht unmöglich. Die Apothekerkammer Niedersachsen jedenfalls ist zuversichtlich: Die Weiterbildungsquoten im Gebiet der klinischen Pharmazie seien sehr hoch. Es gibt auch viele Apotheker aus anderen Bundesländern, die sich auf offene Stellen bewerben. Und es gibt Übergangsfristen. Also, Krankenhausgesellschaft, wir schaffen das! Und somit geht es letztlich wieder einmal ums Geld. Und was das betrifft: Freilich, mehr Sicherheit kostet ein bisschen mehr. Aber genau genommen ist das, was Stationsapotheker leisten, fast „unbezahlbar“ und somit sind die Kosten dafür mehr als „preiswert“.
19. Juli 2017
Wenn Drogeriemärkte freiverkäufliche Arzneimittel, Apothekenkosmetik oder Medizinprodukte, geadelt durch Slogans wie „Bekannt aus Ihrer Apotheke“ auf ihre Angebotsflyer setzen und in ihre Regale stellen, dann macht uns Apothekers das wenig Freude. Ausschnitte aus „unserem“ Sortiment bei Müller, Rossmann, dm & Co., mitunter sogar in den Beauty- und Drogerieabteilungen von Edeka, Rewe und anderen: unschön, aber solange die Bestimmungen eingehalten werden, legal. Freiverkäufliches, Nahrungsergänzungsmittel und Medizinprodukte sind nicht apothekenpflichtig, es gibt sie auch außerhalb der Offizin. Was uns irgendwie dabei wurmt: Die Apotheke hat diese zum Teil großen Namen mit aufgebaut. Und jetzt, dank „line extensions“ und wie es im Marketingsprech sonst noch heißt, darf ein „Kühl roll-on“ mit dem Namen „Fenistil“ im Dromarkt-Regal stehen. Und der Apotheker denkt bei Fenistil auch an handfeste Wirkstoffe wie Dimetindenmaleat, der sich natürlich im Kühl Roll-on nicht wiederfindet. Für den Laien allerdings scheint es „Fenistil“ nicht nur in Apos zu geben. Und dann die Frage: Wie kommen die freiverkäuflichen Arzneimittel in die Drogeriemärkte? Vom Hersteller direkt, vom Großhandel oder sogar von einzelnen Apotheken, die sich mit „Weiterverkäufen“ solcher freiverkäuflichen Produkte ein „Taschengeld“ verdienen? Also, mein liebes Tagebuch, sich aufregen hilft nicht. Wir sollten nur höllisch aufpassen, dass uns nicht Präparate unseres apothekenpflichtigen OTC-Sortiments herausgebrochen werden und in die Freiverkäuflichkeit wandern. Eine der besten Vorsichtsmaßnahmen ist unsere Beratung, die wir bei OTCs ernst nehmen müssen. Und bitte kein Verramschen! Kauf zwei, bekomm drei und derlei Quatsch bei Arzneimitteln zieht das Gut Arzneimittel runter. Politiker schauen da sehr genau hin.
Eigentlich müssten die Versicherten in Scharen aus der AOK, vor allem aus der AOK Baden-Württemberg, austreten. Mein liebes Tagebuch, was diese Kasse unter Führung von Christopher Hermann, dem Papst aller Rabattverträge, hier in ihrem eigenen Papier zur Bundestagswahl den Apothekern um die Ohren haut, ist das Ende der Apotheke von heute. Für die Versicherten ist das nur leider nicht so transparent und durchschaubar. Aber wir sollten genau wissen, wie Hermanns Apotheken-Paradies aussieht: mehr Wettbewerb, regionale Selektivverträge für Hochpreiser, nach dem EuGH-Urteil mehr regionale Verträge mit Apotheken und weg mit der starren Preisbindung bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Und Hermanns Lieblingskind: mehr Versandhandel. Oh Gott, mein liebes Tagebuch, der Mann ist besessen. Würde man sein Programm ernst nehmen, müssten das Apothekengesetz und die Apothekenbetriebsordnung umgeschrieben oder am besten abgeschafft werden. Denn was nach diesen Forderungen herauskäme, wäre nicht mehr mit den heutigen Anforderungen und Ansprüchen an Apotheken und eine qualitativ hochwertige Arzneiversorgung vereinbar: Beratungs- und Dokuleistungen, Kontrahierungszwang, Nacht- und Notdienst usw. Bei Hermann geht’s um Geld, Einsparungen zum Wohl der AOK Ba-Wü. Und die Versicherten könnten sich die freie Apothekenwahl abschminken: Für sie gäbe es nur die AOK-Selektivvertragsapotheken und die holländischen Versender. Dann gute Nacht.
Die Bundesländer möchten gerne zwei Packungsbeilagen für ein Arzneimittel? Die herkömmliche und noch eine zweite kurze Beilage mit dem Wichtigsten in Kürze. Ach, mein liebes Tagebuch, mein Vorschlag wäre noch eine dritte Beilage in einer super einfachen Sprache. Nein, im Ernst, ob noch mehr bedrucktes Papier in der Arzneischachtel hilft, das Verständnisproblem bei arzneitherapeutischen Fragen zu lösen, wage ich zu bezweifeln. Der Aufwand für die Hersteller würde immer größer und die Schachteln auch. Initiativen, die sich mit der Verständlichkeit von Beipackzetteln befassen, sind natürlich zu begrüßen. Denn von der Informationsflut der heutigen „Waschzettel“, die in erster Linie zur juristischen Absicherung dienen, ist über die Hälfte der Deutschen hoffnungslos überfordert und letztlich beunruhigt, was dazu führt, dass die Arzneimittel falsch eingenommen oder weggeworfen würden. Mein liebes Tagebuch, vielleicht wäre da eine andere Vorgehensweise besser: In der Packung ein Beipackzettel nur mit den allerwichtigsten Hinweisen und so geschrieben, dass es etwa 80 bis 90 Prozent der Bevölkerung versteht. Und alle, die mehr über ihr Arzneimittel wissen wollen, können sich über einen QR-Code oder einen Hinweis auf dem einfachen Beipackzettel auf einer Internetseite ausführlich über ihr Arzneimittel informieren und weiterführende Angaben holen. Bei diesen Texten könnte der Patient auch die Fremdwörter erklärt bekommt und er könnte sich durch Anklicken der medizinischen Fachausdrücke über diese Themen informieren. Was würde dagegen sprechen?
20. Juli 2017
Das ist der Hammer, oder? Fast die Hälfte der Retaxationen war unberechtigt. Der Landesapothekerverband Baden-Württemberg hat im vergangenen Jahr fast jeden zweiten Euro für seine Mitglieder zurückgeholt – rund 650.000 Euro flossen an die betroffenen Apotheken zurück bzw. mussten sie nicht zahlen. Mein liebes Tagebuch, ist das Kassenverhalten nicht ein Unding? Wie schlampig arbeiten denn da die Prüfstellen der Kassen? Oder heißt dort die Devise: Wir versuchen es einfach. Findet sich ein dummer Apotheker, der sich nicht wehrt, haben wir gewonnen. Die Zahlen des LAV Ba-Wü zeigen, dass Kassen oft zu Unrecht beanstanden. Vermutlich dürften sich vergleichbare Ergebnisse auch bei anderen Apothekerverbänden vermelden lassen. Also, das heißt für die Apotheke: sich wehren bei Retaxationen. Interessant ist auch die Beobachtung des LAV, dass Kassen ein intensiviertes Prüfverhalten an den Tag legen und nach immer neuen Retaxgründen suchen, jetzt, wo Formfehler von den Apotheken selbst geheilt werden können. Diese Retaxgeschichten sind für mich irgendwie die unterste Schiene im Verhältnis von Kasse zu Apotheke.
21. Juli 2017
Es ist die Woche der Postkarten, mein liebes Tagebuch! Wer dachte, dass heute E-Mails, SMS, WhatsApp und Messenger-Nachrichten das Medium der Zeit sind, der irrt. Heute verschickt man wieder Postkarten. So richtig retromäßig. Auch die ABDA setzt auf Postkarten. Glaubst du nicht, mein liebes Tagebuch? Ist aber so. Sie hat sich eine Postkartenflut als PR-Aktion zur Bundestagswahl ausgedacht oder von ihrer Lieblingsagentur Cyrano ausdenken lassen: Ab 31. Juli werden bei den Bundestagsabgeordneten und den regionalen und lokalen Politikern die Postkarten eintrudeln. Verschickt von der ABDA und ihren Mitgliedsorganisationen der Länder. Die Motive auf den Karten sind Karikaturen, mit denen aktuelle berufspolitische Probleme angesprochen werden sollen. Das erste Motiv spießt das Thema Arzneimittel aus Automaten auf: Arzneimittel als Waren wie Schokoriegel, Kaffee oder Zigaretten. Vielleicht aktuell, vielleicht plakativ gedacht. Aber, mein liebes Tagebuch, da beklagen sich die Gesundheitspolitiker, dass sie von DocMorris mit Postkarten und Massenpost zugemüllt werden. Und jetzt bekommen sie aus dem Lindencorso, Absender ABDA, ebenfalls mehrfach eine vorgedruckte Postkarte. Ein bisschen dizzy, oder? Meine Prognose: Das kommt nicht gut. Vielleicht sollte die ABDA diese Postkarten lieber an die Apotheken schicken zur Verteilung an Patienten – das Motiv verstehen auch die Apothekenkunden.
Die Apotheken könnten dann die ABDA-Postkarten in die neue Apotheken Umschau legen. Ups, nein, da liegt ja schon eine Postkarte drin, na sowas! Noch ‘ne Postkarte. „Danke, Apotheke“ steht da drauf. Und auf der Rückseite eine kleine Meinungsumfrage für Apothekenkunden, warum sie ihrer Apotheke mal herzlich Danke sagen könnten, nämlich weil… Die Kampagne der Apotheken Umschau stupst die Patienten liebevoll an, mal drüber nachzudenken, dass es heute nicht mehr so selbstverständlich ist, so einen geschätzten Service, wie ihn die Apotheke bietet, noch zu haben. Und regt die Kunden an, die Karte auszufüllen und in die Apotheke zurückzubringen: „Danke, Apotheke“. Die Idee hat was. Und bringt mit Sicherheit den einen oder anderen Kunden zum Nachdenken. Nudging nennt man das, ein sanftes Hinführen des Kunden, dass er das tut, was man gerne möchte, dass er es tut. Clever gemacht. Und wenn ein paar Karten zurückkommen, tut’s gut.
Und bald noch mehr Postkarten! Von Ann-Kathrin Kossendey und Jan Reuter. Sie sind so ein bisschen Les enfants terribles unter den Apothekers, aber im positiven Sinn. Mit unkonventionellen und neuen Ideen versuchen sie, die Szene zu bereichern und frischen Wind reinzubringen. Neueste Aktion: eine selbstgemachte PR-Kampagne „Daumen hoch für meine Apotheke vor Ort“. Mit frechen Slogans wie „Wir sind sexy“ oder „Wir nehmen’s persönlich“ fordern sie auf Facebook dazu auf, mit einem kleinen Text, einem Foto oder einem Video zu erzählen, warum man auf seine Apotheke vor Ort nicht verzichten möchte. Wer mitmachen möchte, kann bei Facebook unter dem Hashtag #DaumenhochfürmeineApothekevorOrt etwas posten oder sich die Posts anschauen. Die Slogans gibt’s auch unter Instagram und Twitter. Und bald folgen noch die Postkarten, die man dann in den Apotheken an die Kundschaft verteilen kann. Ein Ziel der Kampagne ist auch: Die Internet-Versender mit einer Online-Kampagne, also mit ihren eigenen Waffen schlagen. Mein liebes Tagebuch, dagegen sehen die ABDA-Postkarten alt aus.
Ach ihr Kinners von den Kassen, fällt Euch denn gar nichts Besseres oder zur Abwechslung mal was Anderes ein? Nach den AOKlern kommt jetzt die IKK Südwest aus den Löchern und bläst in das AOK-Horn: Ran an die Marge der Apotheker, da sind noch Spielräume drin – das ist der Tenor von Lutz Hager, Geschäftsführer der IKK Südwest. Er will „neue Vergütungspläne“, die Marge hat „Spielräume“, die zugunsten der Beitragszahler genutzt werden sollten. Mein liebes Tagebuch, manchmal hat man so das Gefühl, da posaunen selbsternannte Turmbläser einfach etwas in die Welt, ohne Ahnung vom Tuten und Blasen. Ob sie überhaupt wissen, wie eine Apotheke funktioniert, was sie leistet? Wenn man liest, dass der IKK Südwest-Chef differenzieren möchte zwischen Arzneimitteln, die nach seiner Meinung ohne große Aufwand abgegeben werden können, und Rx-Produkten und innovativen Medikamenten, die mehrere 10.000 Euro kosten und bei denen wir „intensive Beratung“ brauchen, die „organisiert und vergütet“ werden muss, dann kann man nur noch mit dem Kopf schütteln. Mein liebes Tagebuch, glaubt dieser Mann wirklich, die Notwendigkeit zur Beratung bei einem Arzneimittel hängt vom Preis ab oder vom Status? Bei Rx und je teurer, umso mehr Beratung und mehr Honorar? Ich fass es nicht. Da kann man nur froh sein, dass das Kassengeschwätz in der Politik in der Regel nicht allzu ernst genommen wird.
11 Kommentare
Stuttgarter Gespräche DAZ 29
von Christian Giese am 24.07.2017 um 14:55 Uhr
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ECHTE Zukunft
von Reinhard Rodiger am 23.07.2017 um 16:35 Uhr
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AW: Welche ECHTE Zukunft?
von Bernd Jas am 23.07.2017 um 19:08 Uhr
AW: ECHTE Zukunft
von Reinhard Rodiger am 23.07.2017 um 20:25 Uhr
AW: GERECHTE Zukunft brauchen wir
von Bernd Jas am 23.07.2017 um 21:24 Uhr
Den eigentlichen Wahnsinn vergessen?
von Wolfgang Müller am 23.07.2017 um 11:45 Uhr
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AW: Den eigentlichen Wahnsinn vergessen
von Karl Friedrich Müller am 23.07.2017 um 13:48 Uhr
AW: Den eigentlichen Wahnsinn vergessen / U40
von Ulrich Ströh am 23.07.2017 um 16:04 Uhr
Postkarten
von Frank Ebert am 23.07.2017 um 11:16 Uhr
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Ansichtskarten aus Berlin
von Ulrich Ströh am 23.07.2017 um 9:19 Uhr
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AW: Ansichtskarten aus Berlin
von Anita Peter am 23.07.2017 um 10:43 Uhr
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