Herstellung von Homöopathika

Wo wird wie viel verschüttelt und potenziert?

Remagen - 09.08.2017, 07:00 Uhr

Bei der DHU werden homöopathische Arzneimittel im Industriemaßstab hergestellt. (Foto: DHU)

Bei der DHU werden homöopathische Arzneimittel im Industriemaßstab hergestellt. (Foto: DHU)


Homöopathika werden nicht nur in Deutschland, sondern fast überall in der EU vermarktet. Wer sind die Haupterzeuger und welche Länder tun sich diesbezüglich besonders hervor? Dieser Beitrag wirft ein paar Schlaglichter auf den deutschen und europäischen Markt homöopathischer und anthroposophischer Arzneimittel. 

In Deutschland verzeichnen Homöopathika und Anthroposophika, die bei Marktdaten meist subsummiert werden, in den letzten Jahren einen Umsatzzuwachs. Nach jüngsten Zahlen des Bundesverbandes der Arzneimittel-Hersteller (BAH) in seiner Broschüre Zahlen und Fakten 2016 liegt der Umsatz rezeptfreier (OTC) und verordneter rezeptfreier (OTX) homöopathischer (inklusive anthroposophischer Arzneimittel) in Apotheken insgesamt bei 520 Millionen Euro (+1,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr). Dabei entfallen 420 Millionen Euro auf die Selbstmedikation. Der Umsatz über den Versandhandel wird mit 101 Millionen Euro (+20,9 Prozent) beziffert, was einem Gesamtzuwachs von 4,3 Prozent für beide Absatzkanäle entspricht. Nach Absatz legten Homöopathika und Anthroposophika in Apotheken um 2,4 Prozent auf 45 Millionen Packungseinheiten und über den Versandhandel um fast 19 Prozent auf 9 Millionen Packungen zu (zusammen +0,7 Prozent).

Fast überall in der EU auf dem Markt 

Nach einem aktuellen Bericht der Arbeitsgruppe für Homöopathische Arzneimittel der Leiter der europäischen Zulassungsbehörden (Homeopathic Medicinal Products Working Group der Heads of Medicines Agencies, HMA HMPWG) werden Homöopathika in allen EU-Mitgliedstaaten außer in Malta und in Zypern vermarktet. 

Wichtige Eckdaten zu dem Sektor sind in einer aufschlussreichen Broschüre der European Coalition on Homeopathic and Anthroposophic Medicinal Products (ECHAMP) mit dem Titel „Homeopathic and Anthroposophic Medicinal Products in the EU-Profile of an industry 2015“ nachzulesen. Der Branchenverband ECHAMP vertritt die Interessen von etwa 50 Unternehmen, die homöopathische und anthroposophische Arzneimittel herstellen und vermarkten, auf der europäischen Ebene. Die meisten Mitglieder sind deutsche Unternehmen und ihre Partnerunternehmen in anderen EU-Ländern

Was sind die Hauptmärkte?

Die ECHAMP beziffert den Markt der homöopathischen und anthroposophischen Arzneimittel in der EU mit rund 1,3 Milliarden Euro (für 2013, nach Herstellerabgabepreisen). Dies entspricht 7 Prozent des OTC-Marktes. Zwischen 2010 und 2013 lag das durchschnittliche Wachstum bei 6.5 Prozent. Der Umsatz ist wie folgt verteilt: Vier Fünftel entfallen auf Frankreich (33 Prozent), Deutschland (27), Italien (13), Spanien (5) und 22 Prozent auf den Rest der Europäischen Union. Die vier größten Märkte sind 2010 bis 2013 zusammen um fast 14 Prozent gewachsen. Viele der größeren Firmen sind in vier Schwerpunktregionen des Sektors angesiedelt. Diese sind in Frankreich die Region Rhone-Alpen, in Italien die Lombardei, in Spanien Katalonien und in Deutschland Baden-Württemberg. Die fünf größten Firmen machen gemeinsam rund 60 bis 70 Prozent des Umsatzes. Der Rest entfällt auf kleinere und mittlere Unternehmen

Jedes Jahr 100 Millionen Packungseinheiten

Europa gilt weltweit als Zentrum der Expertise für die Herstellung homöopathischer (inklusive anthroposophischer) Arzneimittel. Laut ECHAMP produziert der Sektor jedes Jahr 100 Millionen Packungseinheiten von Fertigarzneimitteln, die sich durch eine hohe Variabilität und Komplexität auszeichnen. Einige größere Hersteller arbeiten mit 2000 Ausgangsmaterialien, die meisten davon pflanzlichen Ursprungs, die sie von mehr als 100 Lieferanten beziehen. Um die Versorgung mit qualitativ hochwertigen Ausgangsstoffen sicher zu stellen, unterhält nach einer Umfrage der ECHAMP rund ein Drittel der Mitglieder eigene Arzneipflanzengärten. So bewirtschaftet zum Beispiel die Firma Weleda AG laut Unternehmensangaben eigene Felder, unter anderem in Deutschland, Neuseeland, Argentinien, Brasilien, England, der Schweiz und Frankreich.  

Zahlreiche nicht profitable Kleinstchargen

Die Mitgliedsunternehmen der ECHAMP produzieren 1.5 Millionen unterschiedliche Fertigprodukte in verschiedenen Potenzen und Darreichungsformen in großen, mittleren, Klein-und Kleinstchargen. 30 Chargenfreigaben pro Tag sollen an der Tagesordnung sein, große Unternehmen sollen auf fast 300 Chargen pro Tage kommen. Dies führt im Ergebnis dazu, dass viele Firmen einen nicht unerheblichen Anteil an Produkten herstellen, die eigentlich nicht profitabel sind. Laut ECHAMP macht ein Drittel seiner Mitgliedsunternehmen mit jeweils der Hälfte seiner Präparate nur einen geringen oder gar keinen Gewinn. Dies erfordere „innovative Geschäftsmodelle“, schreibt der Verband in seiner Branchenbroschüre aus dem Jahr 2015. 

Bei welchen Indikationen werden Homöopathika eingesetzt?

Nach dem Branchenportrait der ECHAMP besteht in zwei Dritteln der EU-Mitgliedstaaten eine große Nachfrage nach homöopathischen und anthroposophischen Arzneimitteln. Ergebnisse von Umfragen vermitteln einen Einblick in die Einstellung und die Erwartungen der Nutzer und Verbraucher.

Für Deutschland hat Institut für Demoskopie Allensbach in bevölkerungsrepräsentativen Studien aus den Jahren 2009 und 2014 entsprechende Daten erhoben. Danach finden die Präparate hierzulande immer größeren Anklang: 60 Prozent der Deutschen haben im Jahr 2014 homöopathische Arzneimittel verwendet (53 Prozent in 2009). 25 Prozent sind regelmäßige Anwender.

Mit Abstand am häufigsten wurden homöopathische Mittel erfolgreich gegen Erkältungen und grippale Infekte eingesetzt (56 Prozent der Befragten), gefolgt von der Stärkung des Immunsystems (30 Prozent), Insektenstichen und Sonnenbrand (24 Prozent), Kopfschmerzen (22 Prozent), Verdauungsbeschwerden (21 Prozent) sowie Schlaflosigkeit und Magenbeschwerden/erkrankungen (jeweils 19 Prozent).

  • In Belgien nutzen 40 Prozent der Haushalte homöopathische Medizin. Jeder zweite Belgier vertraut der Homöopathie für die Behandlung alltäglicher Gesundheitsstörungen. 55 Prozent der Nutzer setzen sie seit mehr als 5 Jahren ein.
  • In Frankreich verwenden 56 Prozent der Bevölkerung homöopathische Mittel, zwei Drittel davon regelmäßig.
  • 35 Prozent der Italiener haben eine positive Einstellung zur Homöopathie.
  • Circa ein Drittel der Spanier hat ebenfalls schon homöopathische Mittel verwendet. Mehr als sein Viertel nutzt sie regelmäßig oder von Zeit zu Zeit. Acht von zehn Verwender sind mit dem Ergebnis zufrieden oder sehr zufrieden.

Industrie setzt auf die kompetente Beratung in Apotheken

Wie dem ECHAMP-Bericht weiter zu entnehmen ist, spielt der enge Schulterschluss mit den Apotheken als Abgabestellen für die Mitgliedsfirmen des Verbandes eine wichtige Rolle. Dabei setzen sie auf das hohe Vertrauen, das die Verbraucher in die Apotheken haben und die Expertise, die die Kunden dort in der Beratung erwarten können. Angesichts der zunehmenden Selbstmedikation mit Homöopathika und der erhöhten Nachfrage nach sicheren Arzneimitteln bietet sich hier aus der Sicht der europäischen Homöopathika-Industrie für die Apotheken eine große Chance, sich mit einem individuellen Serviceangebot zu profilieren.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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