Beratungs-Quickie

Kombinationstherapie bei fortgeschrittenem Diabetes mellitus Typ 2

München - 14.09.2017, 17:30 Uhr

(Foto: benjaminnolte / stock.adobe.com)

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Welche Hinweise können Apotheker zu verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in einem Beratungsgespräch geben? Und welche Arzneimittel eignen sich für die Selbstmedikation? Der DAZ.online-Beratungs-Quickie gibt Tipps für den Apothekenalltag. Diesmal geht es um eine Verordnung über ein Mischinsulin sowie ein orales Antidiabetikum für einen alten Mann, der an Diabetes mellitus Typ 2 leidet.

Der Diabetiker Herr P. betritt die Apotheke und holt neben seinen Arzneimitteln noch drei große Tüten Gummibärchen. Er kennt beide Arzneimittel. Die Gummibärchen sind für die Enkel von Herrn P.

Formalien-Check

Verordnet sind zehn Stück Insulin Actraphane® 30 Innolet 100 I.E./ml zu je 3 ml sowie eine N2-Packung Siofor® 1000 mit 120 Filmtabletten. Das Rezept ist vollständig und eindeutig. Für Position eins ist kein Aut-idem-Kreuz gesetzt. Ist ein anderes Arzneimittel als das verordnete Insulin-Präparat Rabattartikel, können bei Gefährdung der Compliance pharmazeutische Bedenken geltend gemacht werden. Preisgünstige Importe wären zu beachten, sind jedoch nicht vorhanden. Abzugeben ist eine N2-Packung Actraphane® 30 InnoLet 100 I.E./ml mit zehn Fertigpens zu je 3 ml. Das Arzneimittel muss vor dem ersten Öffnen im Kühlschrank (bei 2°C - 8°C) gelagert werden. Es empfiehlt sich der Transport in einer Kühltüte oder Kühltasche. Bei Position zwei ist aut idem angekreuzt. Rabattverträge sind daher nicht zu beachten.

Der Kunde ist von der Zuzahlung befreit. Ab Ausstellungsdatum ist die Verordnung einen Monat gültig.

Beratungs-Basics

Das Alter gibt einen Hinweis auf mögliche Hörprobleme des Kunden. Es ist wichtig, langsam und deutlich zu sprechen.

Bei Actraphane® handelt es sich um eine Mischung aus kurz- und verzögert wirksamem Insulin. Das schnellwirksame Normalinsulin entfaltet seine blutzuckersenkende Wirkung bereits nach einer halben Stunde. Die Wirkdauer des langwirksamen Verzögerungsinsulins beträgt bis zu 24 Stunden. Das Wirkmaximum wird innerhalb von zwei bis acht Stunden erreicht. Zur Anwendung kommt das Arzneimittel in der Therapie des insulinpflichtigen Diabetes mellitus, sowohl bei Typ 1 mit absolutem Insulinmangel als auch bei fortgeschrittenen Stadien des Typ 2 mit relativem Insulinmangel.

Die Dosierung ist individuell und wird vom Arzt bestimmt. Vorgemischte Insulinpräparate werden normalerweise ein- oder zweimal täglich vor dem Essen unter die Haut injiziert. Spritzzeit und Spritzareal werden vom Arzt festgelegt. Der empfohlene Spritz-Ess-Abstand von 30 Minuten ist einzuhalten. Der Nachteil einer konventionellen Insulintherapie (CT) ist, dass ein festes Injektionsschema auf regelmäßige Mahlzeiten mit etwa der gleichen Menge an Kohlenhydraten angewiesen ist. Ist dies nicht der Fall, besteht die Gefahr in einen Unterzucker zu geraten oder bei größeren Mahlzeiten einen zu hohen Blutzuckerspiegel zu entwickeln. Die intensivierte Insulintherapie (ICT oder Insulinpumpentherapie) ist bezüglich der kontinuierlich guten Einstellung der Blutzuckerwerte vor allem bei Diabetes mellitus Typ 1 überlegen.

Die subkutane Injektion erfolgt in einem vom Arzt festgelegten Hautbereich. Gut geeignet sind Oberschenkel, Bauchdecke, Gesäßbereich oder Oberarme. Der Kunde muss die Injektionsstelle innerhalb des gewählten Bereichs täglich wechseln, um eine Lipodystrophie zu vermeiden. Das Risiko einer unbeabsichtigten i.m. Injektion ist vermindert, wenn die Injektion in eine angehobene Hautfalte erfolgt. Um sicherzustellen, dass die gesamte Dosis injiziert wurde, ist die Nadel mindestens sechs Sekunden unter der Haut zu belassen.

Für jede Injektion ist eine neue Pen-Nadel zu verwenden. Der Insulin-Pen ist nur mit den passenden Nadeln zu benutzen. Insulin ist empfindlich gegen Hitze, Kälte und Licht. Der im Gebrauch befindliche Fertigpen wird bei Raumtemperatur aufbewahrt, Vorräte sind im Kühlschrank zu lagern.

Das orale Antidiabetikum Metformin aus der Gruppe der Biguanide wird bei Diabetes mellitus Typ 2 (insbesondere bei Übergewicht) eingesetzt, wenn durch Diät und körperliche Betätigung keine ausreichende Einstellung des Blutzuckers erreicht wird. Metformin kann als Monotherapie oder in Kombination mit anderen Antidiabetika oder Insulin eingesetzt werden.

Bei einer Kombinationsbehandlung mit Insulin (bei normaler Nierenfunktion) beträgt die empfohlene Dosis zwei- bis dreimal täglich 500 mg - 850 mg Metformin, während oder nach den Mahlzeiten.

Vor allem zu Therapiebeginn treten gastrointestinale Symptome auf. Sie verschwinden in den meisten Fällen spontan. Um gastrointestinale Nebenwirkungen zu verhindern, sollte Metformin während oder nach den Mahlzeiten eingenommen werden. Auch eine langsame Dosissteigerung bis zur individuellen Erhaltungsdosis kann die Unverträglichkeiten mindern.

Metformin ist bei Patienten mit Niereninsuffizienz wegen erhöhter Gefahr einer Laktatazidose kontraindiziert. Nur bei mäßig eingeschränkter Nierenfunktion und bei Fehlen anderer Faktoren, die das Risiko für eine Laktatazidose erhöhen (wie übermäßiger Alkoholkonsum, langes Fasten), darf Metformin eingesetzt werden. Auch bei Behandlung mit Arzneimitteln, die die Nierenfunktion akut beeinträchtigen können (wie Antihypertonika, Diuretika und NSAR) ist Vorsicht geboten.

Aufgrund des hohen Alters des Kunden ist eine Einschränkung der Nierenfunktion wahrscheinlich. Außerdem entspricht die Wirkstärke von 1000 mg als Einzeldosis bei einer Kombinationstherapie mit Insulin nicht den Empfehlungen. Eine Rücksprache mit dem Arzt ist erforderlich.

Auch noch wichtig

Die häufigste Nebenwirkung einer Insulintherapie ist ein zu niedriger Blutzuckerspiegel. Da Unterzucker teilweise ohne Anzeichen zu einem lebensbedrohlichen Koma führen kann, müssen Diabetiker regelmäßig ihren Blutzuckerspiegel messen und gut über mögliche Ursachen informiert sein. So steigt das Risiko einer Hypoglykämie beispielsweise durch ungewohnte körperliche Überanstrengung, Alkohol und unausgewogene oder unregelmäßige Mahlzeiten. Anzeichen für Unterzucker können innere Unruhe, Kaltschweißigkeit und Zittern sein. Der Kunde sollte immer Traubenzucker bei sich haben.        

Bei der Behandlung mit anderen Arzneimitteln in der Selbstmedikation oder nach ärztlicher Verordnung sind mögliche Wechselwirkungen zu beachten.

Bei der Behandlung von Schmerzen sollte der Kunde ASS nur niedrig dosieren oder besser ganz vermeiden. ASS steigert bei einer Tagesdosis von mehr als 1500 mg die Insulinwirkung und somit die Gefahr einer Hypoglykämie. Außerdem ist bei der Behandlung mit NSAR an eine Einschränkung der Nierenfunktion zu denken. Ist eine Anwendung erforderlich, so ist eine möglichst niedrige Dosierung zu wählen oder Paracetamol zu bevorzugen. Ärztliche Kontrollen der Nierenfunktion sind notwendig, damit der Arzt im Fall einer Niereninsuffizienz Metformin absetzen kann.

Allgemein ist auf eine geeignete Darreichungsform von Medikamenten zu achten: Arzneisäfte enthalten meist Blutglucose-wirksame Zucker und Tropfen, meist Alkohol.

Bei (dem Wunsch nach einer Selbstmedikation von) Magen-Darm-Beschwerden (Abdominalschmerzen), Muskelschmerzen oder erschwerter Atemtätigkeit ist an eine Laktatazidose als Nebenwirkung des Metformins zu denken. Eine sofortige Abklärung durch den Arzt ist zwingend erforderlich.

Darf´s ein bisschen mehr sein?

  • Regelmäßige Blutzuckermessungen mit eigenem Messgerät oder in der Apotheke sind wichtig: bei Kombinationstherapie aus oralem Antidiabetikum plus Insulin circa zehnmal pro Woche zu wechselnden Zeiten, um unerwartete Blutzuckerspitzen zu erfassen.
  • Typ-2-Diabetiker profitieren von einer gesunden Ernährung und einer Normalisierung des Körpergewichts.
  • Der Kunde sollte auf alkoholhaltige Getränke verzichten (Hypoglykämie-Risiko). Alkohol verschlechtert die Nierenfunktion und verstärkt die Insulinwirkung. Außerdem ist durch übermäßigen Alkoholgenuss die Gefahr einer lebensbedrohlichen Laktatazidose unter der Metformin-Behandlung erhöht.
  • Moderate Bewegung wirkt sich positiv aus. Bei zu starker körperlicher Überanstrengung besteht die Gefahr einer Hypoglykämie.
  • Betroffene sind an regelmäßige augenärztliche Kontrollen zu erinnern. Außerdem ist zur professionellen Fußpflege zu raten, um Verletzungen und Folgeerkrankungen wie den „diabetischen Fuß“ zu vermeiden.


Manuela Kühn, Apothekerin
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Metformin

von Dr Schweikert-Wehner am 15.09.2017 um 14:16 Uhr

Da die Gefahr der Laktatazidose lange überschätzt wurde, kann Metformin jetzt bis zu einer Clearence von 45 ml/min eingesetzt werden, das entspricht dem Grad 3 der Niereninsuffizienz (nicht mehr leichte NI). Leider sind nicht alle Fachinformationen auf diesem Stand. Die Dosis von 1000 mg am Tag ist hier richtig und angemessen. Von einer Beratung über Niereninsuffizienz und Kontraindikationen würde ich ohne Laborwerte abraten.

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