Interview Sylvia Gabelmann (Apothekerin und Linken-Kandidatin)

„Ich würde die Rabattverträge komplett abschaffen“

Düsseldorf - 18.09.2017, 09:52 Uhr

(Foto: Die Linke)

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Die Apothekerin Sylvia Gabelmann kandidiert für die Linke auf ein Mandat im Bundestag. Sie sieht sich auf Seiten der Apothekerschaft und will sich für die Abschaffung von Rabattverträgen und ein solidarisches Gesundheitssystem einsetzen. Wir haben der Kandidatin fünf Fragen gestellt.

Wird der nächste Deutsche Bundestag ganz ohne Apotheker auskommen müssen? Der einzige approbierte Pharmazeut im Parlament, Michael Fuchs (CDU), kandidiert schließlich nicht mehr. Schaut man sich in den Landeslisten und unter den Direktkandidaten der Parteien um, muss man lange suchen, um potenziellen Nachwuchs zu finden. Doch es gibt sie, die Apotheker, die in den Bundestag möchten. In Nordrhein-Westfalen kandidiert Gunnar Witzmann für die AfD. Im gleichen Bundesland hat sich auch Sylvia Gabelmann aufstellen lassen und möchte für die Linke ins Parlament einziehen.

Gabelmann ist Apothekerin und stellvertretende Landessprecherin in NRW der Linken. Auf Platz neun der Landesliste kandidiert sie im Wahlkreis 148 Siegen-Wittgenstein für ein Bundestagsmandat. Die parlamentarische Arbeit kennt Gabelmann bereits: Derzeit ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Bundestagsabgeordneten Alexander Neu, der im Verteidigungsausschuss sitzt. Für die Pharmazeutin dürfte es mit Listenplatz 9 allerdings knapp werden: Bei der Bundestagswahl zogen genau neun Linken-Politiker aus NRW über die Liste in den Bundestag ein. Gegenüber dem Apothekerverband Westfalen-Lippe hat Gabelmann sich bereits kurz über ihre gesundheitspolitischen Visionen geäußert. DAZ online hat sie nun genau erzählt, was sie erreichen möchte und warum sie insbesondere als Apothekerin überzeugte politisch Linke ist.

DAZ online: Sie geben als Schwerpunkte Ihrer politischen Arbeit Friedens-, Europa-, Umwelt-, Frauen- und Gesundheitspolitik an. In welchen Ausschüssen würden Sie sich als Abgeordnete gerne engagieren und was möchten Sie dort jeweils gerne erreichen?

Gabelmann: Wenn ich in den Bundestag gewählt werde, habe ich als Neuling wahrscheinlich nicht sehr viel Einfluss darauf, in welchem Ausschuss ich arbeiten würde. Natürlich würde der Gesundheitsausschuss sich anbieten – nicht nur wegen meines beruflichen Hintergrunds, sondern weil die Verbindung zu meinen weiteren politischen Interessensgebieten naheliegend ist. Die Nähe zur Frauenpolitik ergibt sich daraus, dass im Gesundheitsbereich überwiegend Frauen beschäftigt sind, Umweltpolitik ist im weitesten Sinne immer auch Gesundheitspolitik. Krieg bedroht Leben und Gesundheit massiv, und EU-Politik hat starken Einfluss auf das Gesundheitswesen in Deutschland. Das EuGH-Urteil zum Rx-Versandhandel ist das jüngste Beispiel.

Im Moment ist Kathrin Vogler die gesundheitspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, und ich finde, sie macht ihre Sache sehr gut. Entsprechend möchte ich ihr den Platz im Gesundheitsausschuss nicht streitig machen. Falls Frau Vogler aber ihren Arbeitsschwerpunkt wechseln möchte, wäre ich interessiert daran, Gesundheitspolitik zu meinem Schwerpunkt zu machen.

Linke: Rabattverträge und Rx-Versand weg

DAZ online: Unabhängig davon, ob Sie sich im Gesundheitsausschuss engagieren, welche gesundheitspolitischen Ziele insgesamt würden Sie in der kommenden Legislaturperiode gerne umsetzen wollen? Und was langfristig?

Gabelmann: Gesundheitspolitisch steht für mich im Moment die Situation in der Pflege akut im Mittelpunkt. Ich halte eine verbindliche Personalbemessung für dringend notwendig, um sowohl die Situation der Patientinnen und Patienten wie auch der Pflegenden zu verbessern. Deshalb unterstütze ich das Bündnis "Pflege am Boden" und die aktuellen Aktionen von Verdi, um auf die katastrophalen Zustände in der Pflege hinzuweisen. Hier brauchen wir dringend eine kurzfristige Lösung. Ebenfalls kurzfristig sollte ein Gesetz zum Verbot von Rx-Versandhandel verabschiedet werden.

Mittel- und langfristig möchte ich ein solidarisches Gesundheitssystem erreichen, mit einer Kasse, in die alle einzahlen – auch Beamte, Abgeordnete oder Freiberufler – ohne Beitragsbemessungsgrenze. Ich stelle mir ein Gesundheitssystem vor, in dem der Mensch im Mittelpunkt steht und in dem die einzelnen Gesundheitsberufe so zusammenarbeiten, dass Synergieeffekte genutzt werden können. Im Moment erlebe ich eine zunehmende Konkurrenz zwischen den einzelnen Sparten, anstatt einer Zusammenarbeit zum Wohle der Patientinnen und Patienten.

Gabelmann: Der Rx-Versandhandel ist unverantwortlich

DAZ online: Wie sehen Sie die Situation der Apotheker in Deutschland, und was würden Sie gerne für sie politisch erreichen?

Gabelmann: Als ich vor vier Jahren nach längerer Pause noch einmal in einer öffentlichen Apotheke gearbeitet habe, war ich entsetzt über die veränderten Arbeitsbedingungen. Anstatt Zeit für die persönliche Beratung zu haben, habe ich sehr viel Zeit damit verbracht, den Anforderungen der Rabattverträge gerecht zu werden. Grundsätzlich halte ich es für vollkommen inakzeptabel, dass diese Verträge komplett intransparent und ohne Beteiligung der Apothekerschaft abgeschlossen werden. Profitieren tun von diesen Verträgen ausschließlich Krankenkassen und Pharmaindustrie – Apotheken und vor allem die Patienten sind die Leidtragenden. Meiner Meinung nach müssten diese Rabattverträge wieder komplett abgeschafft werden. Die Preisbildung von Medikamenten gehört unter verschiedenen Aspekten neu auf den Prüfstand. Stichworte hier sind zum Beispiel die Mehrwertsteuer auf Medikamente und Medizinprodukte, die Regulierung der Abgabepreise der Pharmaindustrie und eine Positivliste.

Den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Medikamenten halte ich für unverantwortlich. Hauptsächlich aufgrund der gesundheitlichen Risiken für die Patientinnen, aber auch, weil dadurch eine existenzielle Bedrohung für Apotheken entsteht und damit die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung grundsätzlich bedroht wäre. 

DAZ online: Was bedeutet es für Sie, Apothekerin und Politikerin zu sein?

Gabelmann: Ich erlebe es relativ häufig, dass Menschen erstaunt darüber sind, dass ich als Apothekerin eine linke Politikerin bin. Da ich als Naturwissenschaftlerin ja darin geschult bin, nach den Ursachen zu suchen, wenn ich Probleme erkenne, kommt politisch für mich nur Die Linke infrage. Rein symptomatische Therapien halte ich auch im politischen Zusammenhang nicht für sinnvoll. Das Gesundheitswesen allgemein und Apotheken im Besonderen sind stark abhängig von politischen Entscheidungen – auch deshalb würde ich mich freuen, wenn ich meine beruflichen und politischen Erfahrungen zusammenführen und im Bundestag einbringen könnte. 

DAZ online: Warum sollten Apotheker ihrer Meinung nach die Linke wählen?

Gabelmann: Weil die Linke mit ihrem gesundheitspolitischen Programm an der Seite der Apothekerschaft steht. Und zwar nicht aus Gründen der Klientelpolitik, sondern weil wir die Apotheken für einen unverzichtbaren Bestandteil des Gesundheitswesens halten. Pharmazeutischer Sachverstand eingesetzt zum Wohle der Patientinnen und Patienten ist aus einem verantwortungsvollen und solidarischen Gesundheitssystem nicht wegzudenken.

Steckbrief Sylvia Gabelmann:

Jahrgang: 1958 
Beruf: Apothekerin, wissenschaftliche Mitarbeiterin MdB

Ausbildung: Abitur 1977, 
Studium der Pharmazie an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt, 1987 Approbation als Apothekerin

Politischer Lebenslauf: politisiert durch die Frauen-Bewegung in den 70er-Jahren, die Startbahn-West-Bewegung in Frankfurt am Main und die Solidaritätsbewegung mit dem britischen Bergarbeiter-Streik 1983/84. Seitdem aktiv in der außerparlamentarischen Linken und in sozialen Bewegungen. März 2008: Eintritt in Die Linke; November 2009 – Juli 2012 stellvertretende Landessprecherin Die Linke NRW
Kontinuierlich Landes- und Bundesparteitagsdelegierte, mehrfach Mitglied des Präsidiums von Landes- und Bundesparteitagen und 2012 Bundeswahlfrau bei der Bundespräsidentenwahl.
2011 – 2012 Mitarbeit in einem Untersuchungsausschuss im Landtag NRW
2011 – 2014 Mitglied der Landschaftsversammlung Rheinland
Oktober 2014 bis Oktober 2015 Mitglied des erweiterten Landesvorstands Die Linke Hessen
Seit Juni 2016 stellvertretende Landessprecherin Die Linke NRW
Bundessprecherin AG Frieden und Internationale Politik und Antikapitalistische Linke
Delegierte für den Kongress der Europäischen Linken 2016

Berufliche Situation: Seit November 2013 wissenschaftliche Mitarbeiterin bei MdB Alexander Neu (Verteidigungsausschuss) 
Mitglied im Betriebsrat der Mitarbeiter der MdBs

Mitgliedschaften: Mitglied unter anderem bei Ver.di , Naturfreunde, Coordination gegen Bayer Gefahren, campact,  Rosa-Luxemburg-Stiftung NRW



Volker Budinger, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Sie

von Alexander Zeitler am 19.09.2017 um 0:52 Uhr

Sehr geehrte Kollegin Gabelmann,

Ihre Vorhaben sollte man unterstützen, Wenn sie sich nach der Wahl noch daran erinnern.
Leider sind Sie in BW nicht wählbar. Ich hoffe, Ihr BW Kollege Riexinger steht Ihnen bei.

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