Ann-Katrin Kossendey-Koch vs. Christian Buse

„Die ABDA hat weder Visionen noch einen Plan B“

Berlin - 09.10.2017, 11:35 Uhr

Streitgespräch? Nur streckenweise. Landapothekerin Ann-Katrin Kossendey-Koch und BVDVA-Chef Christian Buse sind sich einig: Die ABDA ist auf dem Holzweg. (Foto: DocCheck / DAZ.online)

Streitgespräch? Nur streckenweise. Landapothekerin Ann-Katrin Kossendey-Koch und BVDVA-Chef Christian Buse sind sich einig: Die ABDA ist auf dem Holzweg. (Foto: DocCheck / DAZ.online)


Eigentlich hätten sich die Landapothekerin Ann-Katrin Kossendey-Koch und der Versandapotheken-Chef Christian Buse bei einem Interview im Web-Portal DocCheck so richtig streiten sollen. Heraus kam jedoch eine Mischung aus ABDA-Bashing und Medienschelte: Sowohl die Apothekerin als auch der Versandapotheker kritisieren die ABDA für „fehlende Visionen“ und dafür, dass es neben dem Rx-Versandverbot keinen Plan B gibt.

Das Fachportal „DocCheck“ hat in der vergangenen Woche die niedersächsische Landapothekerin Ann-Katrin Kossendey-Koch und Christian Buse, Chef des Bundesverbandes Deutscher Versandapotheken, interviewt. Kossendey-Koch und Buse könnten unterschiedlicher nicht sein: Die Apothekerin betreibt in einem niedersächsischen Ort ihre einzige Apotheke und wirbt derzeit mit einer eigens auf die Beine gestellten PR-Aktion für den Erhalt der Apotheke vor Ort. Buse besitzt mehrere Apotheken in Sachsen-Anhalt und leitet MyCare, eine der größten deutschen Versandapotheken. Als Chef des BVDVA fordert er derzeit eine Umstellung des Festpreis- auf ein Höchstpreissystem und betont immer wieder die Vorteile des Versandhandels gegenüber der Apotheke vor Ort.

Mit Blick auf die unterschiedlichen Herkünfte seiner Gesprächspartner leitet der DocCheck-Redakteur das Gespräch mit den Worten ein: „Das ist eine klassische Konfrontationssituation – die niedergelassene Landapothekerin gegen den bösen Versandapotheker.“ Doch aus dem geplanten Streitgespräch wurde nichts. Denn insbesondere Kossendey-Koch erklärt sehr früh, wen sie im derzeitigen Versandhandels-Konflikt als eigentlichen Übeltäter sieht: „Unsere Standesvertretung macht den Fehler, nur auf ein Pferd zu setzen. Es sind keine Visionen da. Nach dem EuGH-Urteil hat es keinen Plan B gegeben. Ich würde eher die Chancen nutzen, die sich jetzt ergeben.“

Einiziger Unterschied: Ist die Apotheke vor Ort konkurrenzfähig?

Lediglich bei der Frage, ob die Arbeit der Apotheke vor Ort langfristig konkurrenzfähig sei, entwickelt sich so etwas wie ein Mini-Konflikt zwischen den beiden Pharmazeuten. BVDVA-Chef Buse erklärt, es sei „nicht das Thema“ der Versandapotheken, die Apotheke vor Ort im Wettbewerb „an die Wand zu drücken“. Allerdings gebe es im Apothekenbereich ein „Dienstleistungsdefizit“. Buse erklärt: „Wir sind die, die Versorgungskonzepte anbieten müssen. Apotheker haben aber kaum eine Entwicklungschance als Unternehmer oder Heilberufler.“ Ohnehin sei es heute schon so, dass die „strukturierte Beratung“ in der Apotheke ein Ausnahmefall sei. Weniger als 50 Prozent der Patienten hätten in der Apotheke überhaupt Kontakt mit einem Apotheker. Und genau hier liegen aus Buses Sicht die Vorteile der Versender: „Im Versandhandel habe ich nicht diesen Druck, den der Apotheker kennt, wenn er mit einem Patient spricht, und hinter ihm stehen schon fünf weitere, wartende Kunden.“

Hier hält die Landapothekerin aus Niedersachsen klar dagegen: „Mit der Qualität, die wir liefern, sind wir noch eine ganze Weile konkurrenzfähig. Ich mache selber auch online-Beratungen. Das ist einfach ein anderer Vertrauensfaktor.“ Wenn beispielsweise Rezepte mit den falschen Medikamenten oder dem falschen Adressaten auftauchen, könnten Online-Apotheken nur schwer für Transparenz sorgen. „Da sind wir in der Apotheke in der besseren Position. Unser ganz großer Vorteil ist das Gespräch mit dem Patienten.“, so Kossendey-Koch.

Konsens beim Thema Rx-Versandverbot

Bei den Punkten Rx-Preisbindung, Höchstpreis-System und Rx-Versandverbot leistet Kossendey-Koch ihrem Kollegen aber überraschenderweise keinen Widerstand. Buse wiederholt in dem DocCheck-Interview seine Forderung, ein Höchstpreis-System einzuführen, und erklärt: „Wir sehen das als Chance, ein Bonus – ob nun für die Krankenkasse oder für den Versicherten – wäre ein gangbarer Weg.“ Kossendey weist darauf hin, dass man in der Debatte grundsätzlich unterscheiden müsse zwischen deutschen Versandapotheken und EU-Versendern. Sie kritisiert die ABDA dafür, „schon vor dem EuGH-Urteil keinen Plan B“ dafür gehabt zu haben, Exklusivverträge zwischen Versendern und Kassen zu verhindern. Sie erklärt: „Es kann nicht sein, dass man sich nur über dieses Verbot unterhält.“ Vielmehr müsse es darum gehen, sich zu fragen, wie man die Entwicklung nach dem EuGH-Urteil für die Apotheker nutzen könne.

Und so nutzt BVDVA-Chef Buse die Chance, um seine Kritik an der ABDA zu intensivieren. „In den 20 Jahren, in denen ich Apotheker bin, habe ich nichts Neues oder Innovatives von unserer Standesvertretung gehört. Und alle neuen Dinge wurden bekämpft: Patientenindividuelle Verblisterung oder die Klinikbelieferung. Größeren, dienstleistungsorientierten Unternehmen wurde das Leben schwer gemacht.“

Wer wählt eine solche ABDA eigentlich?

Sehr einig sind sich Buse und Kossendey-Koch auch bei der Frage, ob die ABDA ausreichend legitimiert sei. Auf die Frage, wer diese Standesvertretung denn eigentlich gewählt habe, antwortet die Landapothekerin: „Die ABDA bezeichnet sich ja selbst als demokratische Institution.“ Wie die Gremien gewählt werden, schmeckt Kossendey-Koch aber nicht: „Da wählt eine Versammlung, die wiederum eine andere Versammlung wählt, am Ende wählen 17 Vertreter eines 180.000 Mann großen Berufsstandes die Vertretung.“

Auch Buse stimmt ein: „Das System ist schon sehr speziell.“ Dass die Apothekerschaft wenig offen für Innovatives sei, liegt für den Versandapotheken-Chef aber auch an der Informationspolitik der Fachzeitschriften: „Wenn jeder Apotheker jede Woche in der Pharmazeutischen Zeitung oder in der Deutschen Apotheker Zeitung liest, wie schlimm der Versandhandel ist und was das nicht für eine Katastrophe ist, dann glauben die das irgendwann.“ Er bemerke daher immer wieder, dass seine Kollegen über das Geschäft nicht richtig Bescheid wüssten. Zum Beispiel: „Ich kann nicht behaupten, dass die Holländer keine Mehrwertsteuer in Deutschland zahlen.“ Die Kollegen würden dann aber argumentieren: „Das stand doch in der Zeitung!“  



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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3 Kommentare

Warum gibt es eigentlich heute die AMPreisV, wie wir sie kennen?

von Andreas Gruenebaum am 09.10.2017 um 18:31 Uhr

Das Fixum von 8,x pro Packung war doch nie als "Honorar" gedacht. Das seinerzeit geforderte und von der Politik umgesetzte Fixum wurde erst später als "Beratungsgebühr" in der Öffentlichkeit eingeführt. Damals war das genauso wenig als "Beratungshonorar" gefordert, wie später das "Fixum" von 70Cent für den Großhandel. Es war seinerzeit einfach nur eine Vorschlag zur Vergütung der Distribution von Arzneimitteln, um den damals auf Hochpreisern fixierten Rx Versendern das Wasser abzugraben. Frau Bojunga, LAK-Hessen schlug sich auf die Schenkel und sagte so etwas wie "endlich werden teure Arzneimittel nicht mehr im Versand verramscht!" - heute fällt uns diese kurzsichtige Strategie auf die eigenen Füße.

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Plan B

von Hubert Kaps am 09.10.2017 um 17:07 Uhr

Also mal im Ernst: Ist Frau K. eigentlich klar, wie Politik funktioniert? Jetzt hat man einen Minister dazu gebracht, selbst ein Rx-Verbotsgesetz zu schreiben, und er glaubt möglicherweise bis heute selbst daran, dann kann ich als ABDA doch nicht über B-Pläne diskutieren. Ich kann weiterhin als ABDA angesichts der Schließungswelle weiterhin nicht von einer Gefährdung der flächendeckenden Versorgung sprechen, es würden doch reflexartig die Versender mit dem Hinweis auf ihre eigene Notwendigkeit hochploppen. So geht eben Politik. Wenn der Koalitionsvertrag uns nicht in der erhofften Weise vorsieht, ist dies der Moment eines geschlossenen Rücktritts unserer Standesvertretung. Dann müssen neue Köpfe neue Konzepte präsentieren. Wir werden sehen.

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Versand

von Anita Peter am 09.10.2017 um 12:11 Uhr

„Wir sehen das als Chance, ein Bonus – ob nun für die Krankenkasse oder für den Versicherten – wäre ein gangbarer Weg.“

Der gute Mann muss ja so argumentieren, denn er redet von SEINER Chance. Es ist die Amazon Strategie. Wir drücken den Preis nach unten, bis die lästige Konkurrenz aufgibt. Die dann entstehenden Lücken können sie in Robin Hood Manier besetzen. 80% der Vor Ort Apos haben doch gar nicht die Möglichkeit mit Boni um sich zu werfen.
Dem Versand steht gar keinen Honorar und keine 3% Pauschale zu. Das Honorar und die 3% Pauschale von Rezepten, die in den Versand laufen, werden vom Abrechnungszentrum in einen Strukturfonds einbezahlt, welcher zu gleichen Teilen an die Vor Ort Apos ausgeschüttet wird.
Wer keine Beratung braucht, bestellt im Versand -> kein Beratungshonorar
Kein Vorhalten von AMs -> keine 3% Pauschale

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