„Medikamente im Test“

Erkältungskombis sind „wenig geeignet“

Stuttgart - 11.10.2017, 17:15 Uhr

Nur wenig grün findet sich bei den Erkältungsmitteln in dem Buch „Medikamente im Test“. (Foto: DAZ.online)

Nur wenig grün findet sich bei den Erkältungsmitteln in dem Buch „Medikamente im Test“. (Foto: DAZ.online)


Es zählt die harte Evidenz und Kombinationen sind in den meisten Fällen ungeeignet. So lässt sich das am gestrigen Dienstag erschienene Buch „Medikamente im Test“ zusammenfassen. Stiftung Warentest bewertet auf diese Weise – früher hieß das Werk „Handbuch Medikamente“ – seit Jahren OTC- und Rx-Arzneimittel. Erkältungsmittel fallen wie erwartet reihenweise durch.

Am gestrigen Dienstag hat Stiftung Warentest das Buch „Medikamente im Test“ veröffentlicht, der Nachfolger von „Handbuch Medikamente“. „Nur weil ein Arzneimittel in Deutschland zugelassen ist, muss es nicht sinnvoll sein“, schreibt Stiftung Warentest. Über 9000 Arzneimittel – rezeptfrei und verschreibungspflichtig – umfasst Warentests Medikamentenfibel mittlerweile. Sie soll Arzneimittelanwendern helfen, wenn es um die Auswahl des richtigen Arzneimittels für bestimmte Beschwerden geht, und auch einen raschen Überblick über preislich günstigere Therapie- oder Arzneimittelalternativen schaffen. Es gibt vier Bewertungskategorien, die zusätzlich durch eine Ampel visualisiert werden. 

Geeignet sind Arzneimittel, deren therapeutische Wirksamkeit in dem jeweiligen Anwendungsgebiet ausreichend nachgewiesen ist und die daher zu den Standardmedikamenten gehören. Die Ampel zeigt hier grün.

Auch geeignet ist die nächste Kategorie. Hier zeigt die Ampel grün-gelb: Bei diesen Arzneimitteln gilt zwar die Wirkung als ausreichend belegt, aber sie sind noch nicht so lange erprobt, wie Stiftung Warentest es für wünschenswert hält.

Mit Einschränkung geeignet – erhält ein Arzneimittel diese Bewertung und damit die Farbe gelb-orange, ist es zwar wirksam, das ist auch belegt, aber das betreffende Präparat birgt im Vergleich zur Standardarznei ein höheres oder schlechter kalkulierbares Risiko. Außerdem werden Arzneimittel so eingestuft, bei denen Stiftung Warentest Defizite beim Wirksamkeitsnachweis sieht – es gibt nicht genug Studien.

Wenig geeignet – rote Ampel: Nach den Kriterien von Stiftung Warentest bedeutet das: Wirksamkeit nicht belegt oder schlechtes Nutzen-Risiko-Verhältnis. Zudem erhalten Kombinationen meist diese Bewertung, außer die Einzelwirkstoffe ergänzen sich sinnvoll oder wenn die Kombination gegenüber einem einzelnen Wirkstoff Vorteile birgt.

Taugen die Kombinationen alle nichts? 

Und so fallen zum Beispiel sämtliche Erkältungskombimittel im Test durch: Aspirin complex®, Grippostad®, Doregrippin® und die Kombinationen aus dem Hause Procter und Gamble – Wick DayMed® und MediNait®. Die Arzneien seien nicht sinnvoll zusammengesetzt, kritisiert Stiftung Warentest und plädiert dafür, die einzelnen Symptome nach Bedarf mit Schmerzmitteln oder Nasenspray zu behandeln. Ein ausgewiesenes Grippemittel wird dann aber doch tatsächlich als geeignet eingestuft – das Grippostad® Heißgetränk. Es enthält ausschließlich Paracetamol.

Verhältnismäßig gut kommen auch noch die Präparate zum Brusteinreiben, Inhalieren und Baden weg, deren Wirkung auf ätherischen Ölen basiert. Solange sie nicht mehr als drei Komponenten enthalten, sind sie in den Augen von Stiftung Warentest eingeschränkt geeignet. Der Kritikpunkt? Die therapeutische Wirksamkeit sollte noch besser belegt werden. 

Auch Halsschmerzmittel werden verrissen 

Ähnlich schlecht sieht es bei den Halsschmerzmitteln aus. Grünes Licht gibt es nur für Emser Pastillen. Die sind aber dafür in allen Varianten geeignet – klassisch, Vanille, Lakritz und zuckerfrei. Noch halbwegs gut schneiden Mucoangin® (Ambroxol) und Trachilid® (Lidocain) ab – die Monosubstanzen – ebenso wie Kamillosan Spray, das immerhin drei wirksame Komponenten enthält. Der ganze Rest ist tiefrot. Darunter finden sich Kombinationen wie in Dolo-Dobendan® mit Cetypyridinium und Benzocain oder Dorithricin® mit Tyrothricin, Cetrimonium und Benzocain, aber auch Monopräparate wie das Flurbiprofen-haltige Dobendan® direkt oder Laryngomedin®, das Hexamidin enthält. 

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Neben OTC werden auch Rx-Präparate bewertet – von Alzheimer über Depressionen und Antiinfektiva ist alles an Indikationen dabei. Hier scheint die Datenlage besser zu sein als im OTC-Bereich. Man findet deutlich weniger rot. Ob es förderlich ist, den Patienten mit der geballten Evidenz zu konfrontieren, sei dahingestellt. Für den ist es nämlich nicht ersichtlich, ob die herangezogenen Daten auf seine Situation überhaupt zutreffen. Unter Umständen stellt er eine vom Arzt aus gutem Grund verordnete Therapie infrage, weil Stiftung Warentest das Mittel allgemein für nicht geeignet hält, es das aber in der individuellen Situation vielleicht dennoch wäre. 

BAH äußert Kritik 

In eine ähnliche Richtung geht auch die Kritik des Bundesverbandes der Arzneimittel-Hersteller (BAH). Man begrüße zwar ausdrücklich, wenn sich Patienten über Arzneimittel informieren, erklärt der Verband. Die positiven Erfahrungen, die Patienten, Ärzte und Apotheker mit rezeptfreien Arzneimitteln gemacht haben, könnten jedoch nicht anhand von holzschnittartigen Bewertungen dargestellt werden, kritisiert Dr. Hermann Kortland, der stellvertretende Hauptgeschäftsführer. So würden in dem Buch auch Arzneimittel als weniger geeignet bewertet, die zu den am häufigsten von Patienten nachgefragten Produkten gehören. Diese Arzneimittel seien aus gutem Grund beliebt. „Sie erfüllen ja offensichtlich die Erwartungen der Patienten“, ergänzt Kortland. Er weist auch darauf hin, dass in der Arzneimitteltherapie neben der externen Evidenz – also der Studienlage – auch die interne Evidenz eine wichtige Rolle spielt. Die interne Evidenz sei die heilberufliche Erfahrung des Apothekers und die Erfahrung des Patienten. Diese Kriterien werden im Handbuch nicht berücksichtigt, so Kortland.



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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1 Kommentar

Alle Jahre wieder

von Dominik Müller am 12.10.2017 um 11:24 Uhr

Die Meinung von Glaeske ist ja bekannt.

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