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Kammerversammlung in Schleswig-Holstein
Neuer Anlauf für Teilnotdienste der Apotheken
Politiker sollten auf die nachhaltigen Wirkungen ihrer Entscheidungen achten und die Apotheker sollten über Teilnotdienste nachdenken – dies waren wesentliche Ergebnisse der Kammerversammlung am gestrigen Mittwoch in Kiel.
Bei der Kammerversammlung der Apothekerkammer Schleswig-Holstein am gestrigen Mittwoch in Kiel beklagte Kammerpräsident Gerd Ehmen, die Leistungen der Apotheker würden zu jeder Zeit eingefordert, aber gleichzeitig würden die Freiberuflichkeit in Frage gestellt und der angeblich fehlende Wettbewerb bemängelt. Doch Preiswettbewerb bei Lieferungen über die Grenze habe nichts mit dem europäischen Gedanken zu tun, sondern sei eine „brutale Ausnutzung von Gesetzeslücken“. Wer dies mache, diene nicht der Gemeinschaft, sondern nur sich selbst, beschrieb Ehmen seine „emotionale Sicht“. Außerdem berichtete Ehmen über ein Gespräch mit dem schleswig-holsteinischen Sozialminister Dr. Heiner Garg (FDP), der auf die Notwendigkeit von Diskussionen hingewiesen habe. Möglicherweise sei bei der FDP das letzte Wort noch nicht gesprochen, aber auch bei den anderen Parteien sei noch viel Überzeugungsarbeit nötig, erklärte Ehmen. Den Politikern sollten die Augen dafür geöffnet werden, welche nachhaltigen Wirkungen nicht durchdachte Entscheidungen haben. Patienten könnten zu Zuschauern bei Preiskämpfen werden und die ländliche Versorgung sei bedroht. Daher forderte Ehmen, Politiker sollten bei allen ihren Beschlüssen die Spätfolgen bedenken.
Als weiteres Problem für die Apotheken beklagte Ehmen die schwierige Personalsituation. Daher bemühe sich die Kammer durch Öffentlichkeitsarbeit auf allen Ebenen, junge Menschen für die Apothekenberufe zu interessieren. Der große Bedarf an Apothekern zeige zugleich, wie wichtig diese seien. Sie würden über die Arzneimittelabgabe hinaus viele Aufgaben erfüllen. Daher müsse das Honorar auch den dadurch erzielten Benefit für Patienten und Krankenkassen abbilden.
Besorgt wegen Stillstands
Dr. Peter Froese, Vorsitzender des Apothekerverbandes Schleswig-Holstein, erklärte, die Sondierung für eine Jamaika-Koalition habe gezeigt, dass jede mögliche Regierung die Digitalisierung im Gesundheitswesen massiv vorantreiben werde. Zur schwierigen Regierungsbildung meinte Froese, die Zwangspause mache ihm Sorge. Politischer Stillstand sei nicht gut, weil die Marktkräfte dann ungebremst wirken könnten.
Erfolgreiche Qualitätssicherung
Ehmen erklärte, die Arbeit mit Pseudo Customern verbessere die Qualität kontinuierlich. Dazu berichtete Kammergeschäftsführer Frank Jaschkowski über die mehr als 300 Testkäufe in diesem Jahr, wobei sich über die Hälfte der Teilnehmer freiwillig angemeldet hätten. Jaschkowski lobte die hohe Beratungsbereitschaft, aber der Anteil der umfassenden Beratungen sei beim Präparatewunsch weiterhin geringer als bei einer symptombezogenen Beratung gewesen. Die Testkäufe sollen 2018 fortgesetzt werden. Außerdem berichtete Jaschkowski über Rezepturtests in etwa 50 Apotheken. Alle Apotheken hätten die auf einem grünen Rezept verordnete Rezeptur hergestellt. Es habe keine Verweigerer gegeben. Die Qualität der Rezeptur sei fast immer gut gewesen. In wenigen Fällen sei die Creme inhomogen oder der Gehalt außerhalb der zulässigen Spanne gewesen. Doch in etwa 30 Prozent der Fälle sei die Kennzeichnung beanstandet worden. Die Preise seien sehr unterschiedlich gewesen.
Apothekennotdienst in der Diskussion
Interessante Perspektiven ergab der Erfahrungsaustausch zum Notdienst, der in Schleswig-Holstein landesweit mit einem EDV-gestützten Modell verteilt wird. Froese stellte fest, dass die Dienste meist von OTC-Kunden geprägt seien. Darum sei die Forderung verfehlt, den Apothekennotdienst an die Strukturen des ärztlichen Notdienstes anzupassen. „Unser Netz ist bevölkerungsbezogen“, erklärte Froese. Dieser Ansatz unterscheide sich von den ärztlichen Diensten, die an Krankenhäusern konzentriert sind. In der Diskussion wurde auch die Zuverlässigkeit des Apothekennotdienstes betont. Dagegen gebe es Probleme bei den Ärzten. Am Brückentag vor dem Tag der Deutschen Einheit seien praktisch alle Arztpraxen geschlossen gewesen. Doch an einem solchen Werktag arbeite der ärztliche Notdienst erst abends.
„In Landapotheken kommt nach 21:00 keiner mehr“
Kammerjustitiar Dr. Stefan Zerres mahnte, dass das Notdienstsystem der Apotheken bei weiter sinkender Apothekenzahl an seine Grenze gelange. Dann sei zu fragen, ob auch mehr als ein Dienst pro Woche akzeptiert werden soll oder größere Entfernungen zwischen den Apotheken eingeplant werden sollen. Dr. Kai Christiansen verwies auf eine dritte Option – die früher üblichen Teildienste. In Landapotheken kämen die Patienten erfahrungsgemäß bis 21 Uhr, aber danach praktisch nicht mehr. Den Menschen wäre mehr geholfen, wenn am Abend eine Apotheke in geringerer Erfahrung dienstbereit sei. Dafür würden sie bei den ganz seltenen Fällen in der Nacht auch weitere Wege in Kauf nehmen, erklärte Christiansen. Um die früher üblichen und bewährten Teildienste angemessen zu vergüten, müsse allerdings die Notdiensthonorierung auf Bundesebene angepasst werden. Froese erklärte dazu, eine solche Diskussion über die Weiterentwicklung des Notdienstes sei jetzt möglich, nachdem einige Jahre Erfahrung mit dem bestehenden Modell gemacht worden seien.
Kandidatur offen
Die Kammer verabschiedete den Haushalt für 2018 und ließ die Beiträge unverändert. Doch eine Frage blieb offen. Dies war die letzte Sitzung vor den Kammerwahlen, aber Ehmen ging nicht darauf ein, ob er wieder kandidieren wird. Andere Kandidaten für das Amt des Kammerpräsidenten haben sich allerdings nicht positioniert.
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