Mukoviszidose

Antibiotikaresistenzen mit Nanopartikeln aushebeln

Remagen - 20.12.2017, 09:10 Uhr

Forder der Uni Jena haben gezeigt, wie man Antibiotika-Resistenzen bei Mukoviszidose-Patienten umgehen kann. (Foto: jarun011/fotolia)

Forder der Uni Jena haben gezeigt, wie man Antibiotika-Resistenzen bei Mukoviszidose-Patienten umgehen kann. (Foto: jarun011/fotolia)


Patienten mit zystischer Fibrose müssen dauerhaft mit inhalativen Antibiotika behandelt werden, um die Keimbesiedelung ihrer Atemwege zu reduzieren. Die Bakterien haben allerdings einen eleganten Mechanismus gefunden, um sich gegen die antibiotische Attacke abzuschirmen. Sie verschanzen sich in Biofilmen. Forscher von der Universität Jena haben gezeigt, wie sich diese Barriere mit Nanopartikeln überwinden lässt.

Rund 8.000 Menschen sind in Deutschland von Mukoviszidose betroffen, einer angeborenen, schweren Stoffwechselerkrankung, die auf einem genetischen Defekt im CFTR-(Cystic Fibrosis Transmembrane Conductance Regulator) Gen beruht. Durch diesen Defekt wird der Wasseranteil verschiedener Sekrete im Körper gesenkt. Es entsteht ein zäher Schleim, der die Funktion der inneren Organe beeinträchtigt und die Atemwege zusetzt. Die Selbstreinigungsfunktion der Lunge ist gestört, und es kommt zur Besiedelung des Schleims mit Bakterien. Typische Ausprägungen der zystischen Fibrose sind die Entzündung und häufige Infektionen der Lunge, eine Insuffizienz der Bauchspeicheldrüse und sekundäre Erkrankungen wie Osteoporose oder Diabetes. Mukoviszidose-Patienten werden in der Regel nicht alt. Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt heute dank des medizinischen Fortschritts bei etwa 40 Jahren.

Durch Biofilme gegen Antibiotika abgeschirmt

Zur Behandlung der chronischen Infektionen der Lunge müssen die Betroffenen unter anderem dauerhaft Antibiotika inhalieren. So kann die Bakterienbesiedelung zumindest für einen längeren Zeitraum in Schach gehalten werden. So leicht geben sich die Bakterien aber nicht geschlagen. Sie entwickeln Resistenzen und bilden in und unter der Schleimschicht Biofilme aus, die sie wie ein Schutzschild gegen den Angriff der Antibiotika abschirmen. 

Komplizierter Weg bis zu den Erregern

Forscher von der Friedrich-Schiller-Universität Jena haben es geschafft, eine effiziente Methode zu entwickeln, um die oftmals tödlichen Atemwegsinfekte zu behandeln. „In der Regel gelangen die Medikamente durch Inhalation in den Körper und legen dann einen komplizierten Weg bis zu den Erregern zurück“, erläutert Dagmar Fischer vom Lehrstuhl für Pharmazeutische Technologie der Uni Jena. „Dabei bleiben viele auf der Strecke.“ Die Forscher erkannten, dass die Wirkstoffteilchen zunächst eine bestimmte Größe haben müssen, um in die tieferen Atemwege zu gelangen. Sonst prallen sie vorher irgendwo ab. Außerdem müssen sie sowohl die dicke Schleimschicht auf den Atemwegen als auch die unteren Schichten des Bakterien-Biofilmes durchdringen können. 

Wirksamkeit um das 1000fache gesteigert

Um diese geballte Gegenwehr zu überwinden, bauten die Wissenschaftler die Wirkstoffe, wie etwa das Antibiotikum Tobramycin, in ein Polyesterpolymer ein. Die daraus entstandenen Nanopartikel testeten sie im Labor. Hierzu hatte die Arbeitsgruppe von Mathias Pletz vom Zentrum für Infektionsmedizin und Krankenhaushygiene am Uniklinikum Jena eigens neue Testsysteme entwickelt, die die Situation in der Lunge besser darstellen. Pletz und Fischer haben das Forschungsprojekt gemeinsam geleitet. Bei ihren Versuchen stellten die Wissenschaftler fest, dass ihre Nanopartikel das schwammähnliche Netz der Schleimschicht leichter durchdringen konnten als der reine Wirkstoff und dass sie die Erreger schließlich problemlos abtöteten. „Wir konnten zeigen, dass die Nanopartikelverpackung die Wirksamkeit der Antibiotika gegen Biofilme um das 1.000fache steigert“, berichtet der  Infektiologe Pletz. Eine zusätzlich aufgetragene Hülle aus Polyethylenglykol soll sie außerdem nahezu unsichtbar für das Immunsystem machen. „Alle Materialien des Nanoträgers sind biokompatibel, biologisch abbaubar, nicht toxisch und somit ungefährlich für den Menschen“, ergänzt Fischer. 

Die „Winterstarre“ der Bakterien überwinden

Warum die Nanopartikel die Bakterien so viel wirkungsvoller bekämpfen, wissen die Jenaer Wissenschaftler noch nicht genau, aber sie hegen zwei Vermutungen. „Entweder befördert die viel effizientere Transportmethode deutlich mehr Wirkstoff zum Infektionsherd“, mutmaßt die pharmazeutische Technologin Fischer, „oder sie überwindet einen Abwehrmechanismus, den die Bakterien gegen das Antibiotikum entwickelt haben.“ Die Forscher stellen sich vor, dass die Bakterien in den unteren Schichten des Biofilms in eine Art Winterstarre verfallen könnten. In diesem Stadium seien sie für die meisten Antibiotika, die ausschließlich sich teilende Bakterien abtöten, unangreifbar. „Die Nanopartikel transportieren die Antibiotika dann quasi gegen den Willen der Bakterien ins Zellinnere, wo sie ihre Wirkung entfalten können“, fügt Pletz an. Das würde bedeuten, dass die Resistenzentwicklung der Bakterien eventuell mit Hilfe der Nanopartikel aufgehoben werden könnte.

Hieraus könnte sich für Mukiviszidosekranke in Zukunft eine neue effektivere antibiotische Wirkform entwickeln lassen, aber bis dahin sind laut Fischer und Petz noch einige technologische Hürden zu nehmen.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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